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Mechernicher Soldatenschicksal aufgeklärt

Mechernicher Soldatenschicksal aufgeklärt
KirchenZeitung für das Bistum Aachen berichtet über Coussay, das französische “Dorf ohne Erinnerungen”, in dem der Mechernicher Pionier Andreas Greuel und 21 andere junge Deutsche am 9. September 1944 völkerrechtswidrig von der französischen Resistance exekutiert wurden – Der pensionierte Redaktionsleiter Rudolph Greuel aus Mechernich-Firmenich recherchierte für seinen Sohn Andreas die wahre Geschichte des gleichnamigen Großvaters
“»The french village, that wants to forget«, titelte die britische “Times”. Im Mittelpunkt der Geschichte um das französische Dorf, das vergessen will, steht ein deutscher Soldat aus der Stadt Mechernich. Sein Name ist Andreas Greuel. Der Lückerather wurde am 9. September 1944 zusammen mit 21 anderen Deutschen im 900-Seelen-Dorf Coussay-les-Bois von der Resistance völkerrechtswidrig exekutiert.”
So beginnt die KirchenZeitung für das Bistum Aachen eine große Reportage über ein Soldatenschicksal aus der Stadt Mechernich. Der Autor, der Redakteur Manfred Lang aus Lückerath, greift dabei auf die jahrelangen Recherchen seines früheren Rundschau-Kollegen Rudolph Greuel zurück, der vor 25 Jahren damit begonnen hatte, für den eigenen Sohn Andreas (* 1985) die wahre Geschichte des gleichnamigen Großvaters zu recherchieren.
Andreas Greuel war nach dem Krieg für “gefallen” erklärt worden. In Wahrheit waren er und 21 andere junge Deutsche Opfer einer völkerrechtswidrigen Massenerschießung an der Schulhofmauer des 900-Seelen-Dorfes Coussay-les-Bois. Täter waren Widerstandskämpfer der im eigenen Land für sakrosankt gehaltenen französischen Resistance. Mit diesem Ergebnis seiner Recherchen trat Greuel eine europaweite Medienberichterstattung und Diskussion über den “Fall Coussay” los.
Es geht um die Frage, ob man heute, 65 Jahre nach Kriegsende, offen darüber reden kann, dass auch die im eigenen Land über alle Zweifel erhabene französische Widerstandsbewegung im Krieg Schuld auf sich geladen hat. Und es geht um die Frage, ob man am Ort der Erschießung an die Tat erinnern darf, die 22 jungen Männern das Leben kostete, die in einem Wäldchen bei Coussay zufällig von Partisanen aufgegriffen, entwaffnet, mit einer Henkersmahlzeit im Schuppen einer Bäckerei gesättigt und dann an die Wand des Schulhofs gestellt und erschossen wurden?
Der Gemeinderat hat das Ansinnen von Rudolph Greuel, wenigstens eine kleine Gedenktafel aufzuhängen, mit dem Hinweis abgelehnt, die Zeit sei noch nicht reif. In der Bevölkerung gebe es große Ressentiments. Während der jahrelangen Recherchen wurde die Schulhofmauer abgerissen, in der die Einschusslöcher noch genau zu erkennen waren.
Rudolph Greuel sagte der Aachener KirchenZeitung, er wolle den Menschen vor Ort keine Böswilligkeit unterstellen: “Das kann auch Scham bedeuten. Man schämt sich, dass so etwas in Coussay passiert
ist. Und man kennt in der Bevölkerung die Täter.” Der in Mechernich-Firmenich lebende Rudolph Greuel war lange Jahre Redaktionsleiter der Kölnischen Rundschau im Kreis Euskirchen.
Sein Vater Andreas war zum Zeitpunkt der Erschießung 47 Jahre alt, er diente als Oberfeldwebel bei den Pionieren. Nach der Invasion der Alliierten war der Lückerather von seiner Einheit getrennt und versprengt worden. In der Nähe von Coussay-les-Bois schloss sich Andreas Greuel einem Trupp Soldaten an, der dann von der Resistance aufgegriffen und als Revanche für eine Vergeltungserschießung der Deutschen umgebracht wurde.
Von seiner Mutter wusste Rudolph Greuel, der Vater sei 1944 bei Coussay gefallen. Seine sterblichen Überreste waren 1961 zusammen mit denen der anderen 21 jungen Deutschen aus einem zunächst existierenden Massengrab auf dem Friedhof von Coussay exhumiert und zur Kriegsgräberstätte Mont des Huisnes im Schatten des Mont St. Michel überführt worden. Seither erinnert in Coussay selbst nichts mehr an die Tötung der Deutschen.
Seine Recherchen nach dem Schicksal des Vaters nahm Rudolph Greuel 1985 auf, als er und seine Frau Helene ihren Sohn Andreas bekamen: “Ich wollte ihm einmal erklären, warum er Andreas heißt.” Dabei stieß Greuel 1987 mit Hilfe zweier Journalisten der französischen Zeitung “Nouvelle République du Centre” in Coussay auf Augenzeugen der illegalen Liquidation. Er bekam sogar amtliche Dokumente über die Erschießung zu Gesicht.
Greuel erfuhr die Namen aller 22 Erschossenen und erforschte bei einigen auch Fragmente ihrer Lebensläufe. Dabei stieß er im Januar 2010 auf einen anderen Sohn, der seinerseits das Schicksal des am 9. September 1944 ebenfalls in Coussay-les-Bois erschossenen Vaters erforschte. Der Vater hieß Julius Westerhof und war zum Zeitpunkt der Erschießung 40 Jahre alt.
Reinhold Westerhof: “Mein Vater hat laut Bericht des Ortspfarrers von Coussay Edwin Just, den Jüngsten, der war erst 17, in seinen Armen gehalten und sein Gesicht an sich gedrückt, damit er nicht in die Gewehrläufe gucken musste. Er hat den sterbenden Jungen »Reinhold« gerufen, wie mich, seinen Sohn . . .” Obwohl sie in Eifel und an der Mosel nur wenige Kilometer voneinander entfernt wohnen, erfuhr Greuel erst über eine Bekannte in Frankreich von Westerhof.
Der Deutsch unterrichtenden Lehrerin war über eine Schülerin ein Artikel Westerhofs in der Zeitschrift der deutschen Kriegsgräberfürsorge, “Stimme & Weg”, in die Hände gekommen. Sie informierte Greuel, der zunächst in Köln und im Bergischen Land fahndete, ehe er Reinhold Westerhof (78) an der Mosel fand. Gemeinsam fügten sie die Puzzlesteine ihrer Nachforschungen zu einem Bild zusammen.
Rudolph Greuel hält außer Fakten auch die Erkennungsmarke seines Vaters in Händen, Reinhold Westerhof trägt von seinem den Siegelring, den seine Mutter Maria dem Vater zum 30. Geburtstag geschenkt hatte. Schon als Junge hatte er den Ring des Vaters eine Zeitlang getragen – an einer Kette um den Hals, als der Vater an die Ostfront musste: “Der rechnete nicht damit, lebendig aus Russland zurückzukehren!”
Doch im Sommer 1944 – wenige Wochen vor der Erschießung in Coussay – nahm Julius Westerhof auf der Rückreise von der Ost- zur Westfront den Ring wieder an sich. Mit den Worten: “Jetzt ist der Krieg für mich aus.”
Obwohl den anderen Erschossenen alle Wertgegenstände abgenommen wurden, tauchte der Westerhof-Ring erst 1961 nach der Umbettung vom Massengrab in Coussay zum Ehrenfriedhof am Mont St. Michel wieder auf. Seither ist er Reinhold Westerhofs “Heiligtum”.
Für den gläubigen Mann spielt der Ortspfarrer von Coussay in der schicksalhaften Geschichte eine große Rolle. Er soll nicht nur die Liquidation der Deutschen zu verhindern gesucht und sie anschließend
mit Messdienern nach katholischem Ritus beigesetzt haben. Westerhof ist auch davon überzeugt, dass der Geistliche auf dem Sterbebett die Informationen zu der illegalen Erschießung an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz weitergegeben hat.
Laut Rudolph Greuels Informationen war es der Heimkehrer Kurt Adolf Wirbarz, der am 29. Juni 1948 dem Badischen Ministerium des Innern eine Liste der Erschossenen von Coussay übergab. Er hatte sie von Jesuitenpater Oskar Simmel, der möglicherweise vom namentlich nicht bekannten Ortsgeistlichen von Coussay. Dieser katholische Priester hatte sein Leben riskiert, als er die Erschießung zu verhindern suchte. Westerhof: “Er hat erst Ruhe gegeben, als die Freischärler ihm mit der Kugel drohten”.
pp/Agentur ProfiPress

Manfred Lang

14.09.2010