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„In welcher Welt will ich leben?“

Gesprächsabend rund um (Neo-) Nationalsozialismus und dessen Gefahren fand in Mechernich statt – Vertreter von der „Initiative-“ und „Omas gegen Rechts“, den „Montagsspaziergängern“ und „Reichsbürgern“ tauschten sich aus – Mehr ähnliche Abende im Sinne der Kommunikation geplant

Mechernich – Um mehr über (Neo-)Nationalsozialismus, dessen Gefahren und weltweite Erscheinungsformen zu erfahren und sich auszutauschen, trafen sich rund 30 Interessierte im Seminarraum in der Mechernicher „Apotheke am Kreiskrankenhaus“. Als Referent von „NRWeltoffen“ agierte dabei Thomas Willems, der sonst in „Vogelsang IP“ für den Kreis Euskirchen über diese Themen referiert.

Im Publikum waren sowohl Vertreter der „Initiative-“ und der „Omas gegen Rechts“, als auch von den „Montagsspaziergängern“ und „Reichsbürgern“ sowie weitere interessierte Bürgerinnen und Bürger. Thomas Willems: „Miteinander diskutieren ist wichtig – auf Basis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.“

Thomas Willems, der sonst in „Vogelsang IP“ zu Nationalsozialismus und dessen Gefahren referiert, führte per Vortrag durch den Mechernicher Gesprächsabend im Sinne der Kommunikation und des Austausches. Mit dabei waren Vertreter von der „Initiative-“ und den „Omas gegen Rechts“, den „Montagsspaziergängern“ und „Reichsbürgern“. Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress
Thomas Willems, der sonst in „Vogelsang IP“ zu Nationalsozialismus und dessen Gefahren referiert, führte per Vortrag durch den Mechernicher Gesprächsabend im Sinne der Kommunikation und des Austausches. Mit dabei waren Vertreter von der „Initiative-“ und den „Omas gegen Rechts“, den „Montagsspaziergängern“ und „Reichsbürgern“. Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress

Rechtsextreme Netzwerke sind mittlerweile in der ganzen Welt ein Problem: Beispielsweise in Europa, Russland, den USA und Südamerika. Die betreffenden Vereinigungen „fischten“ gerade auch im Internet und in den sozialen Medien nach jungen Menschen, denen sie ihre menschenverachtenden Ideologien unterbreiteten. Daher sei es umso wichtiger, die Bevölkerung für solche Dinge zu sensibilisieren. Man wolle sich bald wieder treffen, um weitere, ähnliche Themen und Erscheinungen der heutigen Zeit zu thematisieren und auszudiskutieren.

Wut und Unzufriedenheit als Nährboden

Seit rund einem Jahr sind die Diskussionsparteien regelmäßig, auch in Mechernich, aktiv. Und wieso? Eine der „Spaziergängerinnen“ betonte, dass ihr Vertrauen in die Politik oftmals verloren sei, die Preise in jedem Sektor steigen, Arbeitsplätze gefährdet würden und man seiner Unzufriedenheit so Luft machen wolle. „Wir distanzieren uns aber deutlich von der rechtsextremen Szene“, betonte die Gruppe dazu.

Die anderen, beispielsweise die „Initiative-“ und „Omas gegen Rechts“, vertreten durch Sabine Henzel, demonstrieren angemeldet vor dem Mechernicher Rathaus. „Dort wollen wir Flagge zeigen und die Demokratie verteidigen“, so Martina Frenzel, eine Organisatorin der Gesprächsrunde.

Sie zeigten zwar Verständnis für die allgemeine Unzufriedenheit der „Spaziergänger“, doch warnten auch von den Folgen von Unaufmerksamkeit bei Unterwanderung durch rechte Netzwerke. Denn: Gefährlich werde es bei den mittlerweile immer mehr zerfließenden Grenzen und somit auch Ideologien. Die gefährlichen rechten Gruppen nutzten dabei Wut und Unzufriedenheit der Menschen zur Instrumentalisierung – und vor allem ihrem eigenen Vorteil. Anonymisierte, unangemeldete Versammlungen wie die „Spaziergänge“ seien dafür ideal. „Also, meldet sie doch an und redet mit uns! Niemand will Euch etwas Böses“, so die Veranstalter.

Erscheinungen in vielen Formen

Referent Willems stellte zu Beginn Zahlen- oder Buchstabencodes und nordische Runen vor, die unter Neo-Nazis zur „unauffälligen“ Kommunikation genutzt werden. Die Meisten sind verboten, doch schafft man sich durch immer neue Variationen wiederum „legale“ Möglichkeiten. Zeichen wir das klassische „Hakenkreuz“ oder die „Wolfsangel“, das Zeichen der „SS“, aber auch weniger bekannte Symbole wie das Logo vom „Klu-Klux-Klan“ oder der „identitären Bewegung“ waren dabei. Aber Achtung! Auch im Kreis Euskirchen habe es schon Fälle von Rasierklingen unter Aufklebern der „identitären Bewegung“ gegeben. Daher seien diese mit besonderer Vorsicht zu behandeln.

Er brachte viele, teils unscheinbare Symbole und Ausdrucksformen der verfassungsfeindlichen Gruppierungen mit – hier von der „identitären Bewegung“. Hinter deren Aufklebern hätten sich auch im Kreis Euskirchen schon Rasierklingen versteckt. Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress
Er brachte viele, teils unscheinbare Symbole und Ausdrucksformen der verfassungsfeindlichen Gruppierungen mit – hier von der „identitären Bewegung“. Hinter deren Aufklebern hätten sich auch im Kreis Euskirchen schon Rasierklingen versteckt. Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress

Auch Rechtsrockfestivals, Kampfwettbewerbe, rechte Musiklabels und – für Willems mitunter am Gefährlichsten – rechte Burschenschaften an Universitäten waren Thema. „Dies sind oftmals Multiplikatoren für faschistische Weltanschauungen.“ Rechte Kleiderlabels wie „Thor Steinar“ oder selbst unscheinbare Tattoos wie ein Adler, der einen Fisch fängt (Nationalsozialismus sei dem Christentum überlegen), enthielten verborgene Aussagen. Dasselbe gelte leider auch für Wahlplakate von Parteien wie der „AfD“ oder des „Dritten Weges“, die unterschwellig rassistisch-völkisches Gedankengut verbreiteten. Hierzu zeigte er diverse Beispiele.

„Was will ich meinen Kindern hinterlassen?“

Eine weitere, teils gefährliche Gruppierung, sind die „Reichsbürger“. Sie definieren sich dadurch, dass Deutschland für sie kein eigenständiger Staat ist. Dies fußt darauf, dass es nach dem zweiten Weltkrieg keinen Friedensvertrag gegeben habe. „Das stimmt zwar“, so der Referent, „doch lag dies an der absoluten Kapitulation des Nazi-Regimes.“ Stattdessen habe es einen formellen Friedensvertrag („Zwei-plus-vier-Vertrag“) der Besatzungsmächte gegeben. Einige Jahre später folgte der „Einigungsvertrag“ zwischen DDR und dem Westen – und die vereinte, heutige Bundesrepublik Deutschland war geboren.

Seit 2016 werden die „Reichsbürger“ vom Verfassungsschutz beobachtet. Wie viele es in Deutschland sind ist unklar. Allein im Kreis Euskirchen sollen es 60 bis 80 sein. Grund sei dabei eine oftmals gegebene Waffenaffinität, die die Vergangenheit in traurigen wie verstörenden Beispielen gezeigt habe, verbunden mit einer grundlegend ablehnenden Haltung gegenüber der Bundesrepublik und ihrer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Eben dies mache sie anfällig für noch extremeres, antidemokratisches Gedankengut – und Unterwanderung durch gut organisierte, rechtsextreme Strukturen.

Eine führende Gruppierung der „Reichsbürger“ fand den Höhepunkt der Eskalation bei ihrem „Putschversuch“ Ende des vergangenen Jahres. Sie planten die „Stunde X“ – eine verharmlosende Floskel für den gewaltsamen Umsturz der Regierung. Von der Bundeswehr gestohlene Munition und Sprengstoff wird teils noch in den Händen dieser Organisationen vermutet. Mit dabei waren Soldaten, Polizisten und sogar eine Richterin, die aktives Mitglied in der AfD war – alles unter einem Prinzen, der die Macht als „neuer König“ ergreifen sollte.

Und was ist jetzt wichtig? Kritisches Betrachten und Austausch. Thomas Willems betonte dazu: „Wichtig ist aufmerksam zu bleiben und sich immer die Frage zu stellen: In welcher Welt will ich leben? Was will ich meinen Kindern, bzw. Enkelkindern hinterlassen? Einen toleranten, offenen Staat oder eingeschränkt, ohne freie Meinungsäußerung und Demokratie?“

pp/Agentur ProfiPress