Aktuelles

ProfiPress

Agentur für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, journalistische und redaktionelle Dienstleistungen.

AllgemeinCommunio in ChristoStadt Mechernich

Vom Papst in die Wüste geschickt

Die Communio in Christo erinnert an Bischof Jean Jacques Gaillot (1935-2023), amtsenthoben und später ein Stück weit rehabilitiert – Er wäre am 11. September 2025 90 Jahre alt geworden – Im Jahre 2004 war er bereits mit Zustimmung von Bischof Heinrich Mussinghoff und mit Wissen von Kardinal Lehmann zum 20. Gründungsgedenktag der Communio nach Mechernich eingeladen, als Kardinal Meisner intervenierte

Mechernich – Die Communio in Christo feierte 2004 ihr 20-jähriges Bestehen in Mechernich. Für diese Feier hatte sie Bischof Jean Jacques Gaillot eingeladen – einen progressiv denkenden französischen Geistlichen, der von der Vatikanbehörde abgesetzt und an den virtuellen Titularsitz von Partenia versetzt worden war. Die Einladung war offiziell abgestimmt: Zustimmung vom Bischof von Aachen war eingeholt, ebenfalls wurde Kardinal Lehmann (Mainz), das Oberhaupt der Deutschen Bischofskonferenz, informiert.

Kurz vor der Veranstaltung intervenierte Kardinal Joachim Meisner, Erzbischof von Köln. Er rief beim zuständigen Bischof in Aachen an, um gegen die Einladung zu protestieren. Er argumentierte, Gaillot dürfe nicht die Messe feiern – offiziell mit dem Argument, die Communio in Christo sei noch kein anerkannter Orden. Gaillot hatte bereits sein Flugticket in der Hand, als er von dieser Entscheidung erfuhr. Er sagte seine Reise daraufhin ab.

„Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt.
Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“: Jean Jacques Gaillot zitierte diesen Passus aus dem Lukasevangelium häufig. Foto: René Peetermanns/Wikipedia
„Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt.
Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“: Jean Jacques Gaillot zitierte diesen Passus aus dem Lukasevangelium häufig. Foto: René Peetermanns/Wikipedia

Am 11. September 2025 wäre Bischof Gaillot 90 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass macht Pater Rudolf Ammann ISch, der Spiritual des inzwischen kirchlich anerkannten Ordo Communionis in Christo, auf eine Publikation des Autors Christian Feldmann aufmerksam. Er schreibt: „Der 1. Generalsuperior der internationalen Communio in Christo, Karl-Heinz Haus (1933-2022), hat den französischen Bischof Jean Jacques Gaillot, der von Papst Johannes Paul II. seines Bischofsamtes enthoben worden war, als Referent und Hauptzelebrant zum 20. Gründungsgedenktag der Communio 2004 nach Mechernich eingeladen. Doch der damalige Erzbischof von Köln, Kardinal Joachim Meisner, hat den Bischof von Aachen, Heinrich Mussinghoff, bewogen, Bischof Gaillot zu untersagen, mit der Communio in Christo die Eucharistie zu feiern. Danach hat der Bischof aus Frankreich seine Zusage, nach Mechernich zu kommen, zurückgezogen.

Geschwister im Geiste

Dabei waren Bischof Gaillot und Mutter Marie Therese, obwohl sie sich nicht kannten, Geschwister im Geiste. Wie ihr war ihm die Liebe und Zuneigung zu den Ausgegrenzten und Ärmsten ein Herzensanliegen. Beiden war der alle Gesetze überstrahlende Auftrag Jesu, allen Menschen Liebe zu schenken, die tiefste Motivation ihres Handels.

Der mit Gaillot befreundete Augustinerbruder Peter Reinl OSA aus Würzburg, also ein Mitbruder des jetzigen Papstes Leo XVIV., beschrieb den Bischof so: »Er war einer, der viel mit Menschen am Rande der Gesellschaft unterwegs war. Da haben wir mit Gaillot einfach jemanden gehabt, der unerschrocken mit den Leuten empathisch mitgelitten hat und andererseits sich dann auch unerschrocken eingesetzt hat für sie und ihre Interessen.«

Und Mutter Marie Therese hat aus Liebe zu den Menschen ein großes Sozialwerk gegründet, das bis heute beeindruckend erfolgreich arbeitet.

Bischof Aleksander Kaszkiewicz aus Belarus vertrat schließlich den praktisch von Kardinal Meissner ausgeladenen Bischof Jean Jacquens Gaillot beim Gründungsgedenktag der Communio 2004 in Mechernich. Foto: Edo Dijkstra/pp/Agentur ProfiPress
Bischof Aleksander Kaszkiewicz aus Belarus vertrat schließlich den praktisch von Kardinal Meissner ausgeladenen Bischof Jean Jacquens Gaillot beim Gründungsgedenktag der Communio 2004 in Mechernich. Foto: Edo Dijkstra/pp/Agentur ProfiPress

Der Biograph vieler origineller Größen, Christian Feldmann, portraitiert Jean Gaillot so:

„Évreux in der Normandie, ist am 22. Januar 1995 eine Stadt im Ausnahmezustand: In der gotischen Kathedrale Notre-Dame und auf dem Platz davor drängen sich 5000 Menschen, die in 300 Bussen und drei Sonderzügen angereist sind, auch aus Belgien und Deutschland. Ist der Papst zu Besuch, ist die Madonna erschienen? Es handelt sich lediglich um den Abschiedsgottesdienst eines Bischofs, der überall in Frankreich Anhänger hat, als „Enfant terrible“ der Bischofskonferenz und Symbol einer zukunftsgewandten, minderheitenfreundlichen Kirche gilt und nach jahrelangen Konflikten von Papst Johannes Paul II. ins Exil geschickt worden ist.

Das heißt, auch dieses Exil ist eine symbolische Geschichte. Der Papst hat den 59-jährigen Jacques Gaillot zwar von seinem Amt in Évreux abgelöst, nach dreizehn Bischofsjahren und nach einem Verhör durch drei Kardinäle in Rom (Gaillot: „Es war ein Prozess ohne Verteidiger, nach einer halben Stunde war alles zu Ende“) als Titularbischof in das algerische Partenia versetzt. Die im fünften Jahrhundert im Sand der Sahara untergegangene Wüstendiözese existiert freilich nur noch auf dem Papier.

Als Bischof emeritus will Gaillot aber nicht in der Normandie versauern. Kurzentschlossen gründet er ein Internetbistum Partenia, eine „Diözese ohne Grenzen“, der Arme und Ausgestoßene aus der ganzen Welt angehören können. Nach einem Versöhnungstreffen mit dem spirituell ziemlich gleichgesinnten Papst Franziskus stirbt Jacques Gaillot 2023 im Alter von 87 Jahren an Krebs.

„Unser Herz ist nicht für den Hass gemacht“

Der kleine, schmächtige Priester mit den leuchtenden Augen und der Metallbrille hat bei seiner Abschiedsmesse nicht zum Glaubenskrieg geblasen. Nur vor einer „Kirche des Ausschließens“ hat er gewarnt und ermutigt: „Geben wir ihr eine Zukunft – jeder auf seine Weise.“ Gaillot: „Unser Herz ist nicht für den Hass gemacht. In Tschetschenien zerfleischen sich die Menschen, junge Arbeitslose irren durch die fahlen Vorstädte. Das ist schon genug Not für Gott. Kein Christ, keine Gemeinschaft, keine Kirche hat eine Chance, als Träger der Frohen Botschaft gehört zu werden, wenn er oder sie nicht auf die Not der Menschen zugeht und den Weg zum Herzen des anderen findet.“

Jacques Gaillot kam am 11. September 1935 in der südlichen Champagne in einer Familie von Weinhändlern zur Welt. Der Ministrantendienst in der Morgenmesse begeisterte ihn genauso wie die Wildwestfilme, wo immer die Guten siegten. Militärdienst und Offiziersschule in Algerien, wo das Abendland angeblich gegen den Kommunismus verteidigt wurde, machten ihn zum kompromisslosen Pazifisten und bescherten ihm Freundschaften mit Untergrundkämpfern, die sein Leben lang hielten.

Theologie studierte Gaillot unter anderem in Rom und Paris, und er lehrte an verschiedenen französischen Seminarien, war an der Priesterausbildung in Paris beteiligt – alles in der hoffnungsfrohen Umbruchszeit des Zweiten Vatikanischen Konzils – und wurde 1982 zum Bischof von Évreux ernannt.

Der neue Oberhirte fiel durch seine sehr persönlichen – und sehr spirituellen – Predigten auf, durch sein waches Interesse an sozialen Schieflagen und gesellschaftlichen Problemen, durch seine unkomplizierten Besuche bei Arbeiterfamilien und kirchlichen Initiativen. Zu Mittag aß er in der Regel mit einem Dutzend Priestern aus der Stadt.

Bischof Aleksander Kaszkiewicz (m.) 2004 bei der Eucharistiefeier in der Gründungskapelle der Communio in Mechernich, links und rechts flankiert von Spiritual Pfarrer Hermann Walch und Generalsuperior Karl-Heinz Haus. Foto: Edo Dijkstra/pp/Agentur ProfiPress
Bischof Aleksander Kaszkiewicz (m.) 2004 bei der Eucharistiefeier in der Gründungskapelle der Communio in Mechernich, links und rechts flankiert von Spiritual Pfarrer Hermann Walch und Generalsuperior Karl-Heinz Haus. Foto: Edo Dijkstra/pp/Agentur ProfiPress

Wie konnte es sein, dass dieser sanfte, umgängliche, menschenfreundliche Bischof immer mehr wütende Briefe an „Mohammed Gaillot“, an den „marxistischen Bischof von Évreux“, an „Monseigneur Arafat“, an den „Aids-Bischof“ erhielt, Vorwürfe, Schmähungen, Beleidigungen, Drohungen? Er sei eben ein Mensch, versuchte er zu erklären, „der redet, sich engagiert, sich exponiert, seinen Glauben bekennt, sich auch von Ungläubigen zum Essen einladen lässt.“

Nun ja, vielleicht hätte er nicht im Gerichtssaal in Évreux erscheinen sollen, um einem jungen Wehrdienstverweigerer Rückendeckung zu geben. Vielleicht hätte er nicht an einer UNO-Sitzung zum Thema Abrüstung teilnehmen, gegen einen Text seiner Bischofskollegen zugunsten der nuklearen Abschreckung stimmen und Verständnis für den Aufstand von Palästinensern in den von Israel besetzten Gebieten äußern sollen.

Vielleicht hätte er nicht für die Priesterweihe verheirateter Männer und für die Nutzung von Kondomen im Kampf gegen AIDS eintreten sollen -Gaillot war wohl der erste katholische Bischof, der ein schwules, im Endstadium an AIDS erkranktes Paar im Altarraum segnete. Sexuelle Minderheiten seien keine Menschen zweiter Klasse, gab er zu bedenken, ja möglicherweise „werden uns Schwule und Lesben im Himmel vorausgehen“.

Vielleicht hätte Gaillot nicht auf dem Greenpeace-Schiff „Rainbow Warrior“ nach Französisch-Polynesien fahren sollen, um dort den Stopp der Atombombenversuche zu verlangen. Vielleicht hätte er kein Buch gegen die scharfen Einwanderungsgesetze des Innenministers und unbarmherzigen Hardliners Charles Pasqua schreiben sollen; dass ihm dieses Buch letztlich den Hals brach, ließ sogar der diskrete Vatikan erkennen.

Ein Lächeln von Papst Franziskus

Nach seiner Absetzung durch den Wojtyła-Papst veröffentlichte Jacques Gaillot unverdrossen weitere Bücher („Was für mich zählt, ist der Mensch“, „Ihr seid das Volk“, „Folgt seiner Liebe. Kreuzweg und Auferstehung“, „Machtlos, aber frei“), engagierte sich in Paris jahrelang für junge Arbeitslose, obdachlose Familien und Ausländer ohne gültige Aufenthaltspapiere, organisierte dort Kirchenasyl für afrikanische Migranten, besuchte regelmäßig Häftlinge. Ein Jahr lang wohnte er in einem besetzten Haus in Paris.

Es gab französische Bischöfe, die ihn unter der Hand unterstützten – während der knochenharte Kölner Erzbischof Joachim Meisner („Brüder im Nebel“) zweimal ein Auftrittsverbot für Gaillot erließ. Das dieser 2012 mit einem Vortrag im Schnütgen-Museum unterlief, auf Einladung der renommierten Kölner Karl-Rahner-Akademie.

„Liebe Freunde ín Partenia, Christen, Moslems, Juden und Nicht-Gläubige, ich komme, um die Brüderlichkeit zu leben“, hatte sich Gaillot damals nach der Amtsenthebung auf seiner Website vorgestellt. „Für Euch und mit Euch werde ich ganz einfach ‚Jacques‘ sein. Ich will nicht, dass mein Amt unser Gespräch behindert. Ich werde versuchen, ohne Hintergedanken unter Euch zu sein, ohne diese Maske des Prälaten, der es ihm erlaubt, sich jederzeit hinter dem offiziellen Wort der Institution in Schutz zu bringen.“

„Mutter Marie Therese hat mit ihrer erneuerten Liebesbotschaft an die Kirche und die Welt ›die Herzmitte des Konzils‹ getroffen. Sie hat mit großer Klarheit erkannt, was die Seele aller Bemühungen sein muss, um das Konzil zu verwirklichen und die Kirche zu erneuern“: In diesem Satz fasste Theologieprofessor Dr. Hermann-Josef Pottmeyer beim Gründunggedenktag 2004 kraftvoll zusammen, was Mutter Marie-Therese so bedeutend machte: Ihre Vision einer Kirche, die nicht nur nach Vorgaben handelt, sondern durch Liebe erneuert – und damit das eigentliche Leitmotiv des Zweiten Vatikanischen Konzils getroffen hat. Foto: Edo Dijkstra/pp/Agentur ProfiPress
„Mutter Marie Therese hat mit ihrer erneuerten Liebesbotschaft an die Kirche und die Welt ›die Herzmitte des Konzils‹ getroffen. Sie hat mit großer Klarheit erkannt, was die Seele aller Bemühungen sein muss, um das Konzil zu verwirklichen und die Kirche zu erneuern“: In diesem Satz fasste Theologieprofessor Dr. Hermann-Josef Pottmeyer beim Gründunggedenktag 2004 kraftvoll zusammen, was Mutter Marie-Therese so bedeutend machte: Ihre Vision einer Kirche, die nicht nur nach Vorgaben handelt, sondern durch Liebe erneuert – und damit das eigentliche Leitmotiv des Zweiten Vatikanischen Konzils getroffen hat. Foto: Edo Dijkstra/pp/Agentur ProfiPress

2015 lud Papst Franziskus, der mit seiner Parteinahme für Flüchtlinge und Ausgestoßene und mit seiner deutlichen Priorisierung christlichen Handelns gegenüber engen Dogmensystemen ähnlich aneckte wie der Franzose, den amtsenthobenen „Bischof ohne festen Wohnsitz“ zu einer Privataudienz ein. Das 45-minütige Treffen wurde in Rom und Frankreich als inoffizielle Rehabilitation des Bischofs gewertet. Als die beiden auf die umstrittenen Segnungen für homosexuelle Paare oder wiederverheiratete Geschiedene zu sprechen kamen, so erinnert sich ein Vertrauter Gaillots, habe der Papst gelächelt und gesagt: „Der Segen Gottes ist für alle da.“ Und die Migranten, die seien immer schon „das Fleisch der Kirche“ gewesen.

Nach Jacques Gaillots Tod acht Jahre später erklärte die französische Bischofskonferenz diplomatisch, aber deutlich: „Auch wenn er mit manchen Meinungen Anstoß erregte, bleibt er für uns jemand, der sich immer um die Armen und die Ausgestoßenen gekümmert hat.“

Inserts

„Lieber Jacques Gaillot, wir sind eine kleine Katechismusgruppe. Wir haben miteinander über die Propheten gesprochen und haben uns gesagt, dass Sie auch einer sind, und wir schreiben Ihnen, um Ihnen mitzuteilen, dass wir auf Ihrer Seite stehen. Bleiben Sie also ein Prophet, damit wir später selbst einmal Propheten werden. Herzlichen Dank.“

                   Brief einer Schülergruppe aus Thibouville

„Wir haben etwas, das uns verbindet. Wie wir bist Du nun ausgeschlossen, natürlich nicht aus denselben Gründen. Dein Verbrechen besteht darin, dass Du auf der Seite der Schwächsten warst, auf der Seite der Ausgeschlossenen. Du hast das Evangelium im Alltag leben wollen. Du hast an den Gewissen gerüttelt, hast sie geknackt. Es ist so schwierig, denjenigen, die leiden, auf gute Art zu dienen. Du bist stolz auf das, was Du getan hast, nicht auf das, was Du bist. Du bist auch nicht besser als andere Menschen, aber das, was Du getan hast, ist besser als wir. Das ewige Leben ist nicht etwas Zukünftiges, es ereignet sich heute. Dass Du heute bei uns bist, zeigt, wie bescheiden Du bist. Du ehrst uns, Du bist unser Freund, unser Bruder. Wir werden mit Dir das Kreuz tragen. Ein Prophet richtet die Gegenwart und sieht die Zukunft im Licht Gottes. Gott kennt die Seinen.“

                          Brief von Häftlingen aus Évreux

„Der Geist des Herrn ruht auf mir;

denn der Herr hat mich gesalbt.

Er hat mich gesandt,

damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe;

damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde

und den Blinden das Augenlicht;

damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze

und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“

                       Lukasevangelium 4,18 f., von Gaillot oft zitiert

pp/Agentur ProfiPress