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“Glauben lernt man im Leben”

“Glauben lernt man im Leben”
Für Pfarrer Gregor Stepkes ist Gott die Mitte – Ruf zum Priesteramt entstand in der Nazizeit: “Ich wollte einen Beruf haben, der auch dann noch Bestand hat, wenn sie mich nackt ausziehen und in den Gasofen jagen.”
“Mein ganzes Leben ist nur zu verstehen, wenn man dankbar gegenüber Gott ist. Denn er hat dieses Leben so geschenkt”, sagt Pfarrer Gregor Stepkes, der im Juni seinen 80sten Geburtstag feierte. “Ich bin in meinem Gottvertrauen nie enttäuscht worden”, konstatiert der Priester. Er ist überzeugt, dass man den festen Glauben eigentlich nur in der Not lernt: “Weil in der Not nichts übrig bleibt als Gottvertrauen. Glauben lernt man nicht theoretisch, sondern im Leben!”
Dazu hatte der in Krefeld geborene Gregor Stepkes genug Gelegenheiten. “In der Nazi-Zeit gab es keinen Religionsunterricht in der Schule”, berichtet der Geistliche. Im Geheimen habe er sich deshalb zusammen mit gleich gesinnten Freunden mit seinem Religionslehrer, Rudolf Besuw, getroffen. Die Eltern einer dieser Freunde stellten für die verbotenen Treffen ihr Wochenendhaus zur Verfügung. “Da konnten wir abends ungestört zusammen kommen”, berichtet Gregor Stepkes.
Eines Abends kam der junge Stepkes spät nach Hause – zu spät. Seine Mutter Christine drohte: “Morgen wird Dir der Vater was erzählen!” “Da dachte ich, das einzige, was mich jetzt noch retten kann, ist ein Fliegeralarm”, so der Pfarrer. Eine halbe Stunde später heulten die Sirenen.
“Es war ein großer Angriff auf Krefeld, brennender Phosphor fiel vom Himmel – ein schaurig-schönes Bild”, erinnert sich der Gottesmann. Das Dach des Elternhauses fing an zu brennen. Zusammen mit seinem Vater versuchte er, der Flammen Herr zu werden, doch der Brand des Daches war nicht zu löschen. “Aber wir hatten Glück, die Betondecke im Treppenhaus hat das Feuer gebremst”, sagt der Seelsorger.
Oft habe er in dieser Zeit im Luftschutzbunker gesessen und zusammen mit seinen Eltern den Rosenkranz gebetet. Stepkes: “In der Nazizeit lernte ich von meinen Eltern Gottvertrauen.”
In den Bombennächten habe er tiefe, persönliche Erfahrungen mit dem Sakrament der Beichte gemacht. “Die Beichte war der Ort, an dem ich immer auf den Tod vorbereitet war. Der Glaube war für uns nicht von außen gelernt, sondern ein tiefes Lebensgefühl”, sagt Pfarrer Gregor Stepkes.
Sein Vater Johannes Stepkes habe sich geweigert, in die Nationalsozialistische Partei einzutreten. “Deshalb wurde er als Beamter entlassen”, sagt Pfarrer Stepkes. Auch eine neue Wohnung musste die Familie mit fünf Kindern suchen. “In dieser Situation haben meine Eltern bewusst und geplant ihr sechstes Kind gezeugt, als Zeichen des Vertrauens auf Gott”, so der Priester.
Wieder hatte die Familie Stepkes Glück: Sie fand nicht nur eine neue Wohnung, sondern der Vater wurde sogar Kompagnon in einer Rechtsanwaltskanzlei. Dennoch spürte Gregor Stepkes die ständige mögliche Bedrohung durch die Nazis. “Was am Tisch gesprochen wurde, durfte die eigenen vier Wände nicht verlassen”, berichtet der Pfarrer.
Johannes Stepkes habe den Hitlergruß nicht ernst genommen. Auf dem täglichen Weg zur Heiligen Messe kam Familie Stepkes an einem Gefängnis vorbei, vor dem immer ein Beamter stand. “Wenn mein Vater dann den Arm zum Hitlergruß hob, sagte er »Guten Morgen«. Der Beamte antwortete dann auch immer mit »Guten Morgen«”, erinnert sich Gregor Stepkes. Auch über die vorgeschriebene Begrüßung “Heil Hitler, mein Führer”, wenn man Hitler einmal persönlich begegnen sollte, habe sich Johannes Stepkes lustig gemacht.
“Er ordnete dann im Spaß an, dass wir Kinder ihn mit »Heil Stepkes, mein Vater« anreden sollten”, berichtet Pfarrer Stepkes schmunzelnd. Aus den Erfahrungen in der Nazizeit heraus sei er Priester geworden. Stepkes: “Ich wollte einen Beruf haben, der auch dann noch Bestand hat, wenn sie mich nackt ausziehen und in den Gasofen jagen.”
Und so besuchte Gregor Stepkes das Priesterseminar in Aachen und wurde 1953 zum Priester geweiht. Als Kaplan kam er nach Viersen in die Gemeinde St. Peter zu Pfarrer Andreas Gilles, der für Stepkes ein väterlicher Freund und geistlicher Führer wurde. Pastor Stepkes: “Schon meine Mutter hatte Probleme mit meinem dicken Kopf. Ich musste immer lachen, wenn Pfarrer Gilles schimpfte, er sagte dann: “Der griemelt, und macht dann doch, was er will!”
Zwei seiner Brüder sind ebenfalls der geistlichen Berufung gefolgt: Einer wurde ständiger Diakon, der älteste Bruder ebenfalls Priester. Die jüngste Tochter Maria hat die Eltern bis 1985 versorgt, danach ist sie zu Gregor Stepkes gezogen. “Sie hat ihr Leben in den Dienst der Familie gestellt”, so der Priester.
Wegen der Pensionierung von Pfarrer Andreas Gilles trat Gregor Stepkes seine zweite Stelle als Kaplan in Reit in der Herz-Jesu-Gemeinde an. Dort wurde er unter anderem für sechs Jahre Seelsorger der Christlichen Arbeiter Jugend (CAJ). Stepkes: “Das war als Seelsorger die kostbarste Zeit für mich”, sagt der Pastor. Mit den jungen Christen wurden unter anderem verschiedene Aktionen mit Aufklebern gestartet. Und so prangten bald auf vielen Maschinen in der nahe gelegenen Spinnerei Aufkleber mit der Bitte: “Seid nett zu mir, ich bin neu hier”, wenn Lehrlinge angestellt wurden.
Gregor Stepkes erinnert sich an ein Erlebnis aus dieser Zeit mit einem überzeugten Kommunisten, an dessen Sterbebett er gerufen wurde. “Ich bin seit 50 Jahren Kommunist, Sie glauben doch nicht, dass ich noch einmal die Kurve kriege”, sagte der zu dem Priester. Stepkes antwortete: “Ach, im Angesicht des Todes soll man nicht eitel sein, sondern tun, was man für richtig hält.” Pfarrer Stepkes versprach, später wiederzukommen und machte sich auf den Weg zu weiteren Krankenbesuchen.
“Die weiteren Kranken habe ich alle gebeten, für den Mann zu beten”, sagt der Priester. Als er den Kommunisten wieder besuchte, sagte der Arbeiter: “Joot, wir machen das Geschäft!” Der Mann habe gebeichtet und die Kommunion empfangen. Der Geistliche meint: “Zwischen der Arbeiterschaft und der Kirche gibt es nur eine Einbahnstraße. Die Kirche muss zu den Arbeitern gehen.”
1968 wurde Stepkes dann Pfarrer in der großen Pfarrei St. Joseph in Viersen. “Der Himmel hat mich wieder beschützt und geführt”, sagt der Gottesmann über die Pfarrstelle. Es war die Zeit der 68er Generation, der Zeit nach dem II. vatikanischen Konzil. “In der Kirche herrschte Aufbruchstimmung”, berichtet der Priester.
Die Seelsorge habe neue Strukturen bekommen, ganz nach der Essenz des Konzils “Als Volk Gottes unterwegs”. Pfarrgemeinderäte und zahlreiche Arbeitskreise zu Themen wie Jugend, Mission, Entwicklung und Frieden, aber auch zu Schule, Bau oder Finanzen wurden gebildet – geleitet von Laien. “Die Laien wurden in ganz neuer Weise in der Aufgabe Kirche ernst genommen”, berichtet der Pastor.
Vieles sei in dieser Zeit entstanden – unter anderem eine Partnerschaft mit einer Gemeinde in Tansania, ein Pfarrbrief, der noch heute herausgegeben wird und sogar so etwas wie eine Gemeinschaft der Gemeinden – denn die Gemeinden St. Konrad und Papst Johannes arbeiteten nun enger mit der Gemeinde St. Joseph zusammen.
Eine Zeit lang standen Stepkes zwei engagierte Kaplane zur Seite: Franz Schleiermacher sowie Karl Reger, der heute Weihbischof ist. 25 Jahre war Stepkes in der Gemeinde tätig, bis er kurz vor seinem 65. Geburtstag seinen Bischof um den Ruhestand bat.
Eigentlich wollte der Pastor seinen Ruhestand in Krefeld, der Heimat seiner Familie, verbringen. “Aber dort fand ich keine Wohnung. Als ich den Personalchef fragte, bot er mir an, in die Eifel zu gehen – dorthin würde keiner wollen”, berichtet Gregor Stepkes.
“Ich habe immer das Gottvertrauen gehabt, ohne Absicherung alles auf eine Karte zusetzen – und hatte immer Glück”, konstatiert der Gottesmann. Und so sei er, ohne auch vorher nur zu wissen, wo das überhaupt liegt, in die Eifel nach Alendorf in der Gemeinde Blankenheim gekommen. Im Pfarrverbund St. Matthias mit seinen zehn Dörfern liest er als Subsidiar seitdem täglich die Messe.
Dort wohnt er auch in der weiteren Nachbarschaft des “Haus Effata”, ein von Mutter Marie Therese gegründetes Seniorenheim. “Generalsuperior Karl-Heinz Haus und Pfarrer Hermann Walch kenne ich schon seit den 60ern, Mutter Marie Therese habe ich in den 70er kennen gelernt”, sagt Gregor Stepkes.
Mutter Marie Therese habe durch Gott einen Weitblick gehabt, der sich heute noch bestätige. “Mutter Marie Therese hat mir sehr viel geholfen”, sagt der Priester. Er habe ein großes Vertrauensverhältnis zu der Ordensgründerin gehabt. “Ich lebe auch von ihren Schriften”, sagt der Seelsorger.
Nun, wo er in seinem Alter das Leben im Pfarrhaus auf Dauer nicht mehr bewältigen könne, müsse er den nächsten Schritt tun. “Die Communio in Christo hat mir und meiner Schwester angeboten, eine Wohnung im Haus Effata für betreutes Wohnen zu bekommen”, berichtet der Seelsorger. Dort könne er immer Hilfe bekommen – so viel wie eben nötig sei.
“Von dort kann ich auch alle meine Dienste als Subsidiar weiter versehen”, freut sich Stepkes. Bereits im Herbst will er in das Haus Effata umziehen. Auch diesem neuen Lebensabschnitt tritt Pastor Gregor Stepkes wieder mit vollem Gottvertrauen entgegen: “Seine Liebe kennt keine Grenzen!”

Manfred Lang

03.07.2008