Mahnung für die Zukunft
Jugend von heute macht sich Gedanken über die Opfer von gestern – Mahnen, Erinnern, Zeichen setzen
Mechernich – Im nächsten Jahr sind es schon 20 Jahre, in denen Franz-Josef Kremer den jährlichen Pogrom-Gedenkgang gemeinsam mit den christlichen Gemeinden, weiterführenden Schulen der Stadt Mechernich und mittlerweile auch seinem Sohn Marius organisiert. In seiner Eröffnungsrede erinnerte Marius Kremer an die Geschehnisse der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 und mahnte gleichzeitig eindringlich, die Fehler von damals nicht zu wiederholen.
Die drei Stationen an diesem Abend sollten aufzeigen, wohin rechte Gesinnung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit führen können. „Obwohl wir in einer Zeit leben, in der rechtsradikales Denken und Nationalismus immer stärker werden und obwohl inzwischen in fast ganz Europa rechte Parteien einen Aufschwung erleben, der in vielen Ländern sogar zur Regierung führt, stehen wir heute Abend hier.“ Man dürfe sich die Erinnerung an diese Gräueltaten nicht verbieten lassen so Kremer. „Dafür setzen wir hier gemeinsam Zeichen.“
Die Heimat möchte niemand verlieren
Rund 80 Teilnehmer fanden sich im Foyer des Gymnasiums Am Turmhof zur ersten Station ein, die von Schülern zweier Religionskurse des Gymnasiums gestaltet wurde. Religionslehrerin Marita Lutsch hatte im Vorfeld mit den Schülern Texte zum Thema Heimat und Heimatverlust erarbeitet. Darin brachten die Jugendlichen nicht nur ihre eigenen Gedanken und Gefühle zum Ausdruck. Ergänzt wurden sie mit Erfahrungsberichten von Zeitzeugen, meist Großeltern der Schüler. Man konnte förmlich spüren, wie intensiv diese sich mit dem Thema befasst hatten. Symbolische Gegenstände wie ein Koffer, eine Puppe, ein Schutzengel und Familienfotos unterstrichen das Gesprochene. Der 13-jährige Jonathan Klein fand dazu eindringliche Worte: „Es geht nicht darum, Vergangenheit zu bewältigen, das kann man gar nicht, sie lässt sich ja nicht nachträglich ändern oder ungeschehen machen. Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.“
Erinnerung an Franz Oppenhoff
An der zweiten Station, vor der katholischen Pfarrkirche St. Johannes-Baptist erinnerte Marius Kremer an den 1902 in Aachen geborenen Juristen Franz Oppenhoff, der sich 1933 mit einer Kanzlei in Aachen niederließ. Oppenhoff galt als einer der wenigen politisch unbelasteten Juristen, habe sich als Verteidiger von Priestern und Ordensangehörigen engagiert und 1937 auch die anwaltliche Vertretung der Druckerei Wilhelm Metz, in der die Kirchenzeitung für das Bistum Aachen gedruckt wurde und deren Inhaber Jude war, übernommen. Marius Kremer erklärte: „Aachen war die erste deutsche Stadt, die von den Alliierten erobert wurde, und so wurde Oppenhoff am 31. Oktober 1944 von der US-Militärregierung als Oberbürgermeister eingesetzt. Der Jurist war sich darüber im Klaren, dass die Nationalsozialisten ihm nach dem Leben trachteten, diese Befürchtung bewahrheitete sich dann auch am Palmsonntag 1945, Franz Oppenhoff wurde vor seinem Haus von zwei getarnten Mitgliedern einer SS-Sondereinheit ermordet. Das jüngste Mitglied des Mordkommandos war ein 16-jähriger Hitlerjunge. Franz Oppenhoff wurde 42 Jahre alt.“
Kindersoldaten – auch heute noch ein Thema
Von der Kirche aus zogen die Teilnehmer weiter, zum Dietrich-Bonhoeffer-Haus, der dritten und letzten Station an diesem Abend. Hier hatten die Konfirmanden der evangelischen Kirchengemeinde Roggendorf zusammen mit Jugendleiter Martin Grevenstein einen Text- und Lichtbildvortrag über Alfred Czech vorbereitet, der 1932 in Goldenau, im heutigen Polen geboren wurde und somit im Jahr 1945 im gleichen Alter war, wie die Konfirmanden heute. „Diese Verbindung war ihnen besonders wichtig“, erklärte Grevenstein. „Aufgrund der Tatsache, dass Czech damals so alt war wie sie heute, konnten sie sich in die Situation hineindenken.“ Die vier Konfirmanden berichteten über Czechs Leben, seine Erlebnisse als Mitglied von Hitlers Jungvolk, seine Kriegsgefangenschaften und auch sein späteres Familienleben und setzen es in Bezug zur heutigen Zeit, in der weltweit immer noch ca. 250 000 Kinder als Kindersoldaten missbraucht werden. Fotos von damals und heute wurden dazu an die Wand projiziert. Abschließend fassten sie ihre Bedenken und auch Wünsche noch einmal zusammen und sprachen allen Teilnehmern des Gedenkgangs aus der Seele: „Themen wie Krieg, Unterdrückung und Verfolgung, Fremdenhass und Ausgrenzung sind heute aktueller denn je. Mit dem Erinnern an die Verbrechen der Nazis in der Vergangenheit und mit dem Bewusstmachen heutiger menschlicher Tragödien möchten wir Mitgefühl und Toleranz wecken, die sich in unseren Worten und auch in unserem Handeln wiederfinden.“
pp/Agentur ProfiPress