Eine Perlenkette an Maßnahmen
Laut Experten sind Hochwasserschutzprojekt entlang des Veybachs nur im Verbund wirklich sinnvoll – Großes Interesse an Bürgerinfoveranstaltung von Stadt, Erftverband und Ingenieurbüro Okeanos in der Vussemer Turnhalle
Mechernich-Vussem – Er ist 22,9 Kilometer lang. Seine Quelle liegt bei Kallmuth, von da an sucht er sich seinen Weg durch Vollem, Eiserfey, Vussem, Breitenbenden, Katzvey, vorbei an den Katzensteinen, durch Satzvey, Wisskirchen, Euenheim, um schließlich in Euskirchen in die Erft zu münden. In normalen Zeiten ist der Veybach ein angenehmer Nachbar für die Anrainer, doch das kann sich schnell ändern.
„Schon bei einem Starkregenindex von 7 oder bei Hochwassern, die im Schnitt alle fünf bis zehn Jahre auftreten können, gibt es in den Orten erste Betroffenheiten“, stellte Benjamin Freudenberg die Gefahren heraus, die von dem Gewässer ausgehen können. Der Ingenieur der Firma Okeanos gehörte zu den Experten, die bei einer von der Stadt organisierten Infoveranstaltung in der Vussemer Turnhalle den Bürgerinnen und Bürgern Rede und Antwort zu geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen standen.
Und dabei stellt der Veybach wahrlich eine Besonderheit dar. „Von den rund 100 Maßnahmenvorschlägen auf Mechernicher Stadtgebiet entfallen rund die Hälfte auf dieses Einzugsgebiet“, so Benjamin Freudenberg, der mit seiner Kollegin Charlotte Rau nach Vussem gereist war. Für die Ingenieure stellen Topographie und externe Faktoren eine große Herausforderung dar, um geeignete Schutzmaßnahmen zu entwickeln. „In der Regel würde man anfangen, Rückhaltemaßnahmen auszubauen oder das Gewässer in die Fläche zu bringen“, erläuterte der Experte. Aber all das gehe entlang des Veybachs nicht.
49 Maßnahmenvorschläge
Denn der ist häufig sehr tief in die Landschaft eingeschnitten, so dass er nur sehr schwer zurückzuhalten ist. Zudem gehe die Bebauung oft sehr nah an den Bach heran. Ein weiteres Problem: Er wird auf einer enorm langen Strecke von der Bahntrasse begleitet. „Wir können also keine Rückhaltebecken bauen, die den Bahndamm statisch gefährden oder die Trasse vollständig überspülen würden“, stellte Freudenberg die Schwierigkeiten heraus.
Die Lösung laut Ingenieur: „Wir müssen mit einer Kombination an Maßnahmen arbeiten, die wie eine Perlenkette entlang des Veybachs aufgereiht werden.“ Daher auch die hohe Anzahl von rund 49 Maßnahmenvorschlägen, die sich die zahlreich erschienenen Bürgerinnen und Bürger auch auf einer Karte anschauen konnten.
Sie alle befinden sich noch in einer frühen Phase der Planungen. „Wir haben Bedarfsanalysen gerechnet, mit denen wir zeigen können, dass die Maßnahmen ein gewisses Schutz-Potenzial entfalten“, so der Okeanos-Mitarbeiter. Damit ist aber zum Beispiel die Frage von Flächenverfügbarkeiten noch nicht geklärt.
Im Vorgriff auf die ein oder andere Maßnahme ist die Stadt Mechernich allerdings schon tätig geworden. „Wir haben Grunderwerb für rund 600.000 Euro getätigt“, berichtet Mario Dittmann. Das betreffe Kallmuth, Vussem, Eiserfey, Obergartzem, Kommern oder Antweiler, so der städtische Fachbereichsleiter. Was die spätere Finanzierung von Maßnahmen anging, hatte er allerdings keine guten Nachrichten für die rund 150 Anwesenden. „Für Starkregenmaßnahmen gibt es überhaupt keine Fördergelder und der Topf für Hochwasserschutzmaßnahme ist stark überzeichnet“, so Dittmann.
Zuschuss-Kulisse sieht mau aus
Da hilft nun leider auch der Wiederaufbauplan nicht weiter. War zu Beginn noch die Hoffnung groß, dass das Land die rund 30 Millionen Euro an Schäden in Mechernich mitfinanziert, ist seit Oktober vergangenen Jahres klar: Es gibt noch lediglich zehn Prozent, also nur rund drei Millionen Euro an Zuschüssen. „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Mario Dittmann, der sekundiert wurde von Dr. Hans-Peter Schick. „Von der anfänglichen Wiederaufbau-Euphorie ist in Land und Bund leider nicht mehr viel übriggeblieben“, so der Mechernicher Bürgermeister, der am Ende die Diskussionsrunde mit den Bürgerinnen und Bürgern moderierte und auch selbst immer wieder fundiert Stellung bezog.
Nichtsdestotrotz hat die Stadt gemeinsam mit dem Ingenieurbüro Okeanos weitergeplant. Zahlreiche Bürgereingaben wurden geprüft und in Teilen in die Pläne übernommen. Nach einer ersten Infoveranstaltung in Kommern für den Verlauf des Bleibachs, war nun der Veybach an der Reihe.
Von den rund neun Millionen Euro, die die Stadt seit der Flut in Wiederaufbau und erste Maßnahmen investiert, ist ein Teil auch dort verbaut worden oder bereits in Arbeit. So entsteht aktuell ein Hochwasserrückhaltebecken in Kallmuth. Denn die Logik der Planer ist auch hier so einfach wie logisch. „Alles, was wir in den Kopfgebieten an Wasser abfangen, kommt auch nicht mehr bei den Unterliegern an“, so Benjamin Freudenberg, der zwar nicht alle 49 Maßnahmen entlang des Veybachs präsentierte, sondern einige Projekte exemplarisch nannte.
Neben dem Kallmuther Rückhaltebecken waren das etwa ein geplantes Bassin im Weyerer Wald bei Urfey. Zudem werde am Vussemer Sportplatz das Rückhaltebecken wieder ertüchtigt und erweitert. Bei Breitenbenden könnte ein Becken unterhalb der Autobahn entstehen. Auch in Rißdorf gibt es Überlegungen für eine Rückhaltung, ebenso wie in Lessenich, wo eine Wasserableitung in eine ehemalige Tongrube denkbar wäre. Entlang der Bahntrasse vor Katzvey werde es dann schon wegen der genannten Problematik mit dem Bahndamm schwieriger, das Wasser aufzustauen. „Und trotzdem haben wir auch hier Vorhaben mitgeplant“, so der Okeanos-Mitarbeiter auf Nachfrage.
Maßnahmen online einsehbar
Zuvor hatte Dr. Daniel Bittner vom Erftverband herausgearbeitet, dass alle diese kommunalen Maßnahmen in ein interkommunales Konzept eingearbeitet wurden. Der Erftverband selbst plant zudem diverse größere Maßnahmen wie am Zülpicher See oder am Mühlensee. Allerdings: Ein größeres Becken in Vussem sei „aktuell wegen technischer und rechtlicher Rahmenbedingen nicht machbar“. „Das bedeutet aber nicht, dass wir an dieser Stelle aufgeben, sondern wir überlegen, wie die Probleme möglicherweise beseitigt werden können“, so Dr. Daniel Bittner.
Der verwiese ebenso wie die Kollegen darauf, dass es im Fall von Hochwasser- oder Starkregenereignissen in der Region leider nur sehr kurze bis gar keine Vorwarnzeiten gebe. Auf informellem Weg unterstützt der Erftverband mit seinen Gewässerdaten aber Kommunen und Kreise bei möglichen Gefahren. Im vergangenen Jahr habe das an der Swist bereits sehr gut funktioniert, berichtete Dr. Daniel Bittner, der sich im Anschluss an die Vorträge ebenso wie Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, Fachbereichsleiter Mario Dittmann und Okeanos-Mitarbeiter Benjamin Freudenberg den Fragen der Bürgerinnen und Bürger stellte. Insgesamt rund drei Stunden nahmen sich alle Beteiligten Zeit, um in den Austausch zu gehen.
Zudem gab es diverse Informationen für die Anwohnerinnen und Anwohner. So gibt es etwa diverse Hilfestellungen dafür, wie sich Menschen gegen Hochwasserereignisse selbst schützen können und wie sie sich bestmöglich auf Katastrophen vorbereiten können. Benjamin Freudenberg nannte zum Beispiel die Hochwasserschutzfibel des Bundes (https://www.fib-bund.de/inhalt/themen/hochwasser/) oder das Infoangebot des HochwasserKompetenzCentrums (www.hkc-online.de/). Auch das NRW-Umweltministerium hat unter www.flussgebiete.nrw.de diverse Hilfestellungen veröffentlicht.
Der Erftverband bietet über seine Homepage zudem einen Überblick über die geplanten der „Interkommunalen Hochwasserschutzkoopertion Erft“ an. Wer die Seite www.erftverband.de besucht, findet auf der Start-Seite einen Link zum sogenannten WebGIS-Portal, auf dem die geplanten Vorhaben detailliert und interaktiv dargestellt sind.
pp/Agentur ProfiPress