Zwillinge leben den Eishockey-Traum
Mangels Alternativen im Kreis Euskirchen spielen Finn und Florian Wolf beim „ESV Bergisch Gladbach“
Mechernich-Satzvey/Bergisch Gladbach – Samstagmorgen, 7.30 Uhr. Eigentlich sollte irgendwo in Satzvey jetzt ein Wecker schrillen. Doch das ist gar nicht nötig. Die Aufregung ist zu groß. Es ist schon gehörig Leben in der Bude. Zuerst geht es ins Bad, dann zurück in das Zimmer zum Anziehen und weiter zum Frühstückstisch. Doch der Kopf ist schon längst woanders. Beim Spieltag. Nicht in Mechernich beim Fußball, nicht in Kuchenheim beim Handball.

Die Autobahn-Odyssee geht über die A1, A553, A555, A4, A3 und noch einmal rauf auf die A4 bis zur Abfahrt Bergisch Gladbach-Frankenforst. Noch ein paar Kilometer durch die Stadt bis zur Eissporthalle, der Heimstätte des „Eissportvereins Bergisch Gladbach“. Im Auto chauffieren Julia und Rüdiger Wolf ihre Söhne Finn und Florian. Beide Jungs sind Spieler der U13-Mannschaft der „RealStars“, wie der Beiname der Bergisch Gladbacher heißt. Es geht gegen den „EHC Neuwied“ um wichtige Punkte in der Meisterschaft.

Das Ehepaar Wolf ist es gewohnt, die 62 Kilometer lange Strecke jeden Dienstag, jeden Freitag und dann auch am Wochenende entweder zum Spiel oder zum Individualtraining hin- und auch wieder zurückzufahren. Eine Stunde pro Fahrt, mal mehr, mal weniger – das hängt ganz davon ab, wie verstopft die Autobahnen sind.
Ein großer Traum
Die Unterstützung der Eltern ist den Zwillingen Finn und Florian gewiss. „Anders würde das gar nicht funktionieren“, sagt Julia Wolf. Sie und ihr Mann, aber auch die Großeltern von nebenan, sind es, die den Traum, der für das hiesige Kreisgebiet wegen fehlender Alternativen zum zwangsläufigen Pendeln führt, am Leben halten. Der Traum vom Eishockeyprofi.
So zumindest soll es laufen, wenn es um Finn, den zwei Minuten jüngeren der Zwillinge geht. Jetzt ist er elf, aber er denkt schon an später und hat ein klares Ziel vor Augen: Er möchte sich mit 13 Jahren zur Aufnahme in die „Red-Bull-Akademie“ in Salzburg bewerben. Sein Bruder Florian ist etwas unentschlossener und lässt das Ganze auf sich zukommen.

Aber wie kommt man ausgerechnet auf Eishockey? Wie so oft sind es die Eltern, die zum ausschlagebenen Faktor wurden. In diesem Fall Vater Rüdiger, der als treuer Fan der „Kölner Haie“ einfach mal den Vorstoß gewagt hatte, die Jungs in Köln in Richtung Eisfläche zu bringen. Mit fünf Jahren folgte die Anmeldung bei der Eislaufschule der Junghaie. Allerdings zunächst mit Hindernissen.
„Die Zwei haben immer wieder geweint und wollten partout nicht aufs Eis, sodass wir das dann auch zügig wieder beendet haben“, berichtet Julia Wolf, die sich heute sicher ist, dass ihre Söhne seinerzeit noch zu jung waren. Was allerdings blieb, waren die Inlineskates sowie das Tor zu Hause in Satzvey. Immer wieder ging es dort zur Sache, und so krachte auch schon mal eine Holzkugel in den Glastisch oder es erwischte den ein oder anderen Blumenkübel.

So ganz loslassen wollten die Jungs nicht. Mit acht Jahren folgte dann der zweite Versuch. Diesmal mit Erfolg. Die Laufschule hatte die zwei wieder, allerdings nicht in Köln, sondern wegen der extrem langen Warteliste in Bergisch Gladbach, neben Troisdorf ein Kooperationspartner der „Kölner Haie“.
Dort entwickelten sich die beiden Mechernicher Gesamtschüler so gut, dass sie bereits nach einem Dreivierteljahr in die U11 des Eishockeyvereins aufgenommen wurden. Neben den erlernten Techniken war vor allem der Spaß zurück, und so geht es fortan Woche für Woche mehrmals nach Bergisch Gladbach. Den Aufwand betreiben aber alle gerne.
Brüder ergänzen sich
Beiden Jungs gefällt die offensive Spielweise mehr als die Defensive, und so ist der Drang, Tore zu erzielen, recht hoch. Dennoch sind beide recht unterschiedlich, wie Vater Rüdiger berichtet. „Florian ist auf den Schlittschuhen schon recht gut unterwegs, während Finn vom Spielverständnis her Vorteile gegenüber seinem Bruder hat.“ Hinzu kommen die körperlichen Vorteile von Finn aufgrund seines etwas kräftigeren Körperbaus. Dafür kann Florian mit Flinkheit und Agilität punkten.

Diese Einschätzung stützt auch Assistenztrainer Andre Könitzer, der die beiden Nachwuchsspieler seit gut zwei Jahren kennt. „Beide vermitteln mir einen guten Eindruck in ihrer Entwicklung und zeigen sich im Training stets interessiert am Sport und stellen immer wieder Fragen“, sagt er. Anweisungen versuchen sie zügig auf dem Eis umzusetzen. Behilflich dabei ist auch das Taktikboard, das Finn sich zu Weihnachten gewünscht hatte.
Wo Stärken sind, da sind bekanntlich auch Schwächen, und auch die fallen unterschiedlich aus. „Florian ist unfassbar ehrgeizig und stellt hohe Ansprüche an sich selbst, blockiert dann aber schnell, wenn es mal nicht richtig läuft“, sagt Mutter Julia Wolf. „Finn hingegen könnte läuferisch noch einiges mehr zeigen“, ergänzt Trainer Andre Könitzer.
5:4 abgeräumt
Die Partie gegen Neuwied läuft gut, nach dem ersten Drittel führen die Bergisch Gladbacher mit 4:1. Sie sind ihrem Gegner klar überlegen. Die Wolf-Brüder sind mittendrin im Geschehen. Beide spielen in unterschiedlichen Reihen und bekommen viel Zeit auf dem Eis, weil die Mannschaft in Unterbrechungen immer alle fünf Spieler wechselt. Im zweiten Drittel ist die Partie ausgeglichener mit Vorteilen für Neuwied, die nach 40 gespielten Minuten auf 2:4 verkürzt haben.
Im Schlussdrittel überschlagen sich die Ereignisse. Während Florian Wolf wegen Beinstellens seine zweite Zeitstrafe absitzt, muss Finn Wolf in doppelter Unterzahl (eine Mitspielerin sitzt ebenfalls auf der Strafbank) viel Abwehrarbeit verrichten. Mit Erfolg, denn seinem Team gelingt das Unmögliche, der Treffer in doppelter Unterzahl zum 5:2. Großer Jubel brandet auf. Neuwied kann zwar durch zwei Einzelaktionen nochmal verkürzen. Zu mehr reicht es dann aber nicht. Bergisch Gladbach gewinnt die dramatische Partie mit 5:4 und die Wolf-Zwillinge bejubeln mit der Mannschaft den Erfolg. Die Rückfahrt ist, anders als nach Niederlagen, entspannt, die Stimmung ist gut.

Finn, der im Verein die Rückennummer 36 trägt, ist Fan des „EHC Red Bull München“ und steht auf Spieler wie Patrick Hager, Moritz Seider und Connor McDavid. Sein Bruder Florian läuft mit der Nummer 39 auf und hält für die „Kölner Haie“ und deren Spieler Maximilian Kammerer sowie den deutschen NHL-Star Leon Draisaitl.
Gesamtschüler sind begeistert
Dass es mal in diese Richtung gehen könnte, dessen sind sich die Wolfs durchaus bewusst. So nimmt man für die Trainingstage unter der Woche in Kauf, dass auch mal die Hausaufgaben im Auto gemacht werden müssen und man abends erst um 22.30 Uhr ins Bett kommt. „Die Jungs ziehen gut mit und stehen morgens auch gut auf, um den Bus um 6.30 Uhr in Richtung Schule zu nehmen“, sagt Rüdiger Wolf.

Apropos Schule. Da ist das etwas andere Hobby mittlerweile auch mehr als präsent, denn nicht selten fragen Schüler und Lehrer nach, wie es am Wochenende lief. „Es kam sogar schon vor, dass die Zwei mit ihren Trainingsanzügen zur Schule kommen sollten, um diese zu zeigen“, erinnert sich Julia Wolf, die hin und wieder auch einen Schulfreund mit zum Spiel nimmt.

Aktuell zahlen die Wolfs pro Kind im Jahr 780 Euro für die Mitgliedschaft in Bergisch Gladbach. Eishockeyausrüstungen mussten sie komplett selbst beschaffen. Alles in allem fallen dabei rund 1000 Euro für eine Erstausstattung an. Bedingt durch das natürliche Wachstum ist dies ein fortlaufender Prozess, der einen hohen finanziellen Aufwand mit sich bringt. Eine Zahnzusatzversicherung kommt dann noch obendrauf.
Dennoch: Familie Wolf lebt den Traum. Und die beiden jungen Kufenjäger realisieren immer mehr, welchen Rückhalt ihnen ihre Familie gibt.
www.real-stars.de
pp/Agentur ProfiPress