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Wasser in die Börde statt ins Meer

Das gereinigte Abwasser der Mechernicher Hochwald-Molkerei könnte helfen, Felder in der Zülpicher Börde zu bewässern – Kreis Euskirchen startet Machbarkeitsstudie mit Vorzeigecharakter in Nordrhein-Westfalen – Krewelshof-Bauer Theo Bieger und weitere Landwirte möchten Bewässerungsverband gründen

Kreis Euskirchen/Mechernich Obergartzem – „Wir brauchen Wasser, das bezahlbar ist“, appelliert Krewelshof-Bauer Theo Bieger mit Blick auf die trockenen Sommer der vergangenen Jahre. Seine Felder liegen zum Teil in, zum Teil angrenzend an die Zülpicher Börde, in deren Gebiet das Grundwasser inzwischen so in Anspruch genommen ist, dass für die Landwirtschaft keine neuen Brunnen mehr genehmigt (und häufig auch keine bestehenden Brunnen verlängert) werden können.

Aber: „Ohne Bewässerung geht es nicht“, weiß auch Achim Blindert, Allgemeiner Vertreter des Landrats im Kreis Euskirchen. In einer Machbarkeitsstudie mit Vorzeigecharakter für Nordrhein-Westfalen wird jetzt ein Verfahren geprüft, um Wasser aus industrieller Produktion in der Landwirtschaft wiederzuverwenden.

Die Idee: Das bei der Produktion der Hochwald-Molkerei in Mechernich-Obergartzem anfallende Wasser – derzeit rund 650.000 Kubikmeter pro Jahr – soll in Speicherbecken gesammelt und der umliegenden Landwirtschaft zur Bewässerung zur Verfügung gestellt werden. Seit rund drei Jahren beschäftigen sich die Kreisverwaltung und die Untere Wasserbehörde mit dem Projekt „Wasserwiederverwendung in der Zülpicher Börde“. Mitte April kam endlich der Förderbescheid des Landes über immerhin 80 Prozent der mit knapp 175.000 Euro zu Buche schlagenden Machbarkeitsstudie.

Das bei der Produktion der Hochwald-Molkerei (hinten im Bild) in Mechernich-Obergartzem anfallende Wasser soll in Speicherbecken gesammelt und der umliegenden Landwirtschaft zur Bewässerung zur Verfügung gestellt werden. Bauer Theo Bieger vom Krewelshof Eifel hofft damit auf bezahlbares Wasser für die Bewirtschaftung seiner Felder. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress
Das bei der Produktion der Hochwald-Molkerei (hinten im Bild) in Mechernich-Obergartzem anfallende Wasser soll in Speicherbecken gesammelt und der umliegenden Landwirtschaft zur Bewässerung zur Verfügung gestellt werden. Bauer Theo Bieger vom Krewelshof Eifel hofft damit auf bezahlbares Wasser für die Bewirtschaftung seiner Felder. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress

Leuchtturmprojekt

Es wäre ein echtes Leuchtturmprojekt. Der von den Landwirten im Projektgebiet gemeldete Bedarf liegt derzeit bei etwa 1,3 Millionen Kubikmetern Wasser pro Jahr. Könnte das Wasser aus der Molkerei-Produktion gespeichert und in der Vegetationsperiode zur Bewässerung genutzt werden, könnte damit voraussichtlich rund die Hälfte des Bedarfes abgedeckt werden. Bei der Umstellung der konventionellen Trommelbewässerung auf eine wassersparende Unterflurbewässerung (ähnlich der Tröpfchenbewässerung, aber tiefer unter der Erde) könnte sogar noch eine bessere Bilanz erzielt werden.

Ein System, von dem auch Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick viel hält. Als Landwirt weiß er um die Problematik des knappen Wassers. „Wir liegen im Regenschatten der Eifel, die Niederschlagsmengen werden immer geringer und daher der Wettbewerb um das Wasser immer größer“, so Dr. Hans-Peter Schick. Nicht zuletzt als Verbandsvorsitzender des Erftverbands unterstützt er daher das Projekt zur Wasserwiederverwendung.

Denn bislang wird das Wasser der Molkerei in den Bleibach eingeleitet und fließt von dort ungenutzt ins Meer. „Dafür ist unser Wasser zu wertvoll“, findet Bauer Theo Bieger, der die beiden Krewelshöfe in Obergartzem und Lohmar betreibt und schon lange auf Nachhaltigkeit im Anbau von Obst und Gemüse setzt. Gemeinsam mit anderen Landwirten möchte er einen Bewässerungsverband gründen, der die Speicherung, Überwachung und Verteilung des Wassers übernimmt.

Ein erster Projekttag mit allen Beteiligten fand Mitte Mai beim Erftverband in Bergheim statt, wo die derzeitige Grund- und Oberflächengewässersituation und die Inhalte der Studie vorgestellt wurden.  Foto:  Erftverband/pp/AgenturProfiPress
Ein erster Projekttag mit allen Beteiligten fand Mitte Mai beim Erftverband in Bergheim statt, wo die derzeitige Grund- und Oberflächengewässersituation und die Inhalte der Studie vorgestellt wurden. Foto:  Erftverband/pp/AgenturProfiPress

Auch die Hochwald Foods GmbH setzt auf ein nachhaltiges Wassermanagement: „Für uns schließt die Idee einen Kreislauf, der auf den Höfen unserer genossenschaftlichen Milchlieferanten beginnt. So führen wir das Wasser, das teilweise über die Landwirtschaft zu uns kommt, wieder zurück in die Natur“, erklärt Kathrin Lorenz, Leiterin der Unternehmenskommunikation. Als Genossenschaft habe Hochwald seit jeher eine effiziente Ressourcennutzung im Blick.

Lorenz: „In unseren Standorten setzen wir zahlreiche Maßnahmen um, die die wertvolle Ressource Wasser schonen. Wir nutzen zum Beispiel Brüdenwasser (das Wasser, das wir der Milch entzogen haben) als Brauchwasser (zum Beispiel für Kühlzwecke) und wir fangen das Nachspülwasser von Reinigungsprozessen auf und nutzen es als Vorspülwasser. Die Weiterverwendung von geklärtem Wasser in der Landwirtschaft wäre ein weitere, sehr sinnvolle Ergänzung für unser Ressourcenmanagement.“

Bisher wird das Wasser der Hochwald-Molkerei in den Bleibach eingeleitet und fließt von dort ungenutzt ins Meer. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress

Landwirte beteiligt

Bisher möchten sich etwa 15 Landwirte an dem Projekt der Euskirchener Kreisverwaltung beteiligen, welches vom Landesministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr auch unter Landesinteresse gestellt wurde. Weitere Landwirte haben bereits Interesse bekundet, weiß Klimawandelanpassungsmanagerin Saskia Gall-Röhrig vom Kreis Euskirchen. Sie betreut die Machbarkeitsstudie, die bis Ende des Jahres fertiggestellt werden soll.

Darin muss zunächst die Situation vor Ort betrachtet werden: Wie ist das Grundwasser aufgebaut? Welche Maßnahmen müssten getroffen werden, damit sich die Bedingungen des Einleitgewässers – also des Bleibachs – nicht verschlechtern? Eine wesentliche Fragestellung auch für Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick. Ebenso die Frage, welche Bewässerungsmethoden geeignet sind?

Ziel der Untersuchungen ist darüber hinaus sicherzustellen, dass durch die Ausbringung des gereinigten und zuvor industriell genutzten Wassers in keiner Weise die Trinkwasserqualität gefährdet wird. „Da es sich in diesem Fall um gereinigtes Abwasser aus der Lebensmittelproduktion handelt, ist das eine große Chance für uns“, sagt Achim Blindert mit Blick auf die Wasserqualität.

Die Hochwald Foods GmbH setzt auf ein nachhaltiges Wassermanagement: „Für uns schließt die Idee einen Kreislauf, der auf den Höfen unserer genossenschaftlichen Milchlieferanten beginnt. So führen wir das Wasser, das teilweise über die Landwirtschaft zu uns kommt, wieder zurück in die Natur“, erklärt Kathrin Lorenz, Leiterin der Unternehmenskommunikation. Foto: Hochwald Foods GmbH/Dirk Guldner/guldner.de

Grundlagenarbeit

Ähnliche Projekte wurden bereits in anderen deutschen Bundesländern umgesetzt. Etwa in Niedersachsen, wo das Prozesswasser einer Zuckerfabrik in Speicherbecken aufgefangen und für die landwirtschaftliche Bewässerung benutzt wird. Für Nordrhein-Westfalen wäre es das erste Projekt dieser Art. „Was wir hier jetzt leisten, ist Grundlagenarbeit, auf die man später auch bei der Betrachtung anderer Abwasserarten zurückgreifen kann“, betont Achim Blindert.

Zudem ist es ein wahres Großprojekt: zu den beteiligten Partnern gehören der Erftverband, die Landwirtschaftskammer, das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr und das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen, das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz, die Bezirksregierung Köln sowie verschiedene Universitäten und Ingenieurbüros. In die Prozesse eingebunden sind außerdem natürlich die Landwirte, die Stadt Mechernich und die Stadt Zülpich. Ein erster Projekttag mit allen Beteiligten fand Mitte Mai beim Erftverband in Bergheim statt, wo die derzeitige Grund- und Oberflächengewässersituation und die Inhalte der Studie vorgestellt wurden.

Sollte die Machbarkeitsstudie im Laufe des Jahres zu einem positiven Ergebnis kommen, muss zunächst ein Risikomanagementplan erstellt werden, um Verunreinigungen des Grundwassers auszuschließen. Danach können sich die Landwirte zu einem Verband zusammenschließen und ein entsprechendes Bewässerungssystem bauen: Das Wasser muss in Speicherbecken gesammelt und über Rohrleitungen im gesamten Projektgebiet verteilt werden. „Dazu haben wir auch mögliche Förderprogramme des Landes und der Europäischen Union im Blick“, so Saskia Gall-Röhrig. In der Folge muss der Verband dann die Verantwortung dafür übernehmen, dass die Wasserqualität sichergestellt ist.

Auf dem Krewelshof Eifel nutzt man die Tröpfchenbewässerung für die Erdbeeren. Im Vergleich zur konventionellen Trommelbewässerung (die der Machbarkeitsstudie zugrunde liegt) wird deutlich weniger Wasser verbraucht. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress
Auf dem Krewelshof Eifel nutzt man die Tröpfchenbewässerung für die Erdbeeren. Im Vergleich zur konventionellen Trommelbewässerung (die der Machbarkeitsstudie zugrunde liegt) wird deutlich weniger Wasser verbraucht. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress

Europäische Verordnung

Was im Kreis Euskirchen jetzt anhand der Machbarkeitsstudie getestet wird, kommt einer Verordnung des Europäischen Rates und des Parlaments zuvor, die ab dem kommenden Juni gilt. Darin heißt es: „Die Fähigkeit der Union, dem zunehmenden Druck auf die Wasserressourcen zu begegnen, könnte durch eine umfassendere Wiederverwendung von behandeltem Abwasser verbessert werden.“

„Dieses Projekt ist von großer Bedeutung für die regionalen Landwirte, die angesichts der Grundwasserreduktion und der klimatischen Veränderungen neue Optionen brauchen, um ihre Felder weiterhin wirtschaftlich tragbar bewässern zu können“, fasst Saskia Gall-Röhrig zusammen. Achim Blindert ergänzt: „Gleichzeitig hilft eine solche Wasserverwendung unserer Trinkwasserversorgung, denn sie bewirkt, dass das Grundwasser weniger in Anspruch genommen wird.“

pp/Agentur ProfiPress