Symbolträchtig Keramik zerschlagen
Ein ökumenischer Gottesdienst mit Signalwirkung – Katholiken und Protestanten beteten Hand in Hand
Mechernich – Es ist ein bewegender Moment. Katholiken und Protestanten stehen Hand in Hand in der Pfarrkirche St. Johannes Baptist und beten gemeinsam das „Vater unser“. Dieser Gottesdienst ist kein gewöhnlicher Gottesdienst, er hat besondere Symbolkraft und Signalwirkung.
Zum ersten Mal feierten die Gläubigen beider Konfessionen gemeinsam in Mechernich einen ökumenischen Gottesdienst. Anlass war der Gedenktag der Reformation, der sich 2017 zum 500. Mal jährt. Auch andernorts – in Hildesheim wie in Berlin – erinnerte man an diesen Tag mit gemeinsamen Feierlichkeiten. Umso bemerkenswerter, weil bisher mit Luthers Thesenanschlag eher das Trennende der beiden Kirchen als das Verbindende hervorgehoben worden ist.
Bei den Christen in Mechernich stieß die Einladung auf große Resonanz. Der Anblick der vollen Kirchenbänke erfreute die beiden Geistlichen, die katholische Gemeindereferentin Maria Jentgen wie auch den evangelischen Pfarrer Dr. Michael Stöhr.
„Ich bin hochbeglückt, so viele Gläubige in der Kirche zu sehen“, sagte Jentgen zu Beginn des Gottesdienstes. Zwischendurch wurde es allerdings ungewöhnlich laut in der Kirche, als Pfarrer Stöhr mit einem Hammer auf eine große Schale aus Ton einschlug. Einzelne Scherben brachen mit lautem Getöse heraus. Die Bruchstücke sollten zum alles überspannenden Symbol für diese Messe werden und damit auch Thema für eine emotionale und packende Predigt. Seite an Seite standen sie dabei am Ambo und führten einen Dialog über die Scherben, Risse und vermeintlich unüberbrückbaren Hindernisse der beiden Glaubensrichtungen.
Es gebe vieles, was vermeintlich zerbrochen ist, sagte die Gemeindereferentin. Sie brachte eine japanische Kunst ins Spiel. Dabei würden Scherben sorgfältig gesammelt und zusammengeklebt. „Und zwar mit goldenen Rändern“, erläuterte Jentgen. Das Stück werde so schöner und wertvoller, weil so viel Arbeit und Sorgfalt für das Flicken verwendet wurde. Das so geflickte Stück habe damit vor allem eine eigene Geschichte.
Die Flickstellen gehörten dazu, sagte auch Stöhr: „Wenn wir die Schäden und Risse in unseren Kirchen verdrängen, dann verleugnen wir unsere Geschichte.“ Doch Vergessen und Verdrängen führe in der Regel nur dazu, dass die gleichen Fehler noch einmal gemacht werden – nur mit einem neuen Design versehen würden. „Ich glaube, postfaktisch nennt man das heute“, so der Pfarrer.
Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede gehörten zur Ökumene. Warum also nicht aufeinander zugehen? „Wenn die einzelnen Teile, die einzelnen Scherben sich als Teil eines großen Ganzen begreifen, dann sind die goldenen Bereiche, die zusammengeklebt sind, das Resultat echter Versöhnung“, so Stöhr.
In Mechernich habe man schon mehrfach bewiesen, dass die beiden Konfessionen in der Ökumene sehr gut zusammenarbeiten können. So nutzten alle Schulformen das Angebot eines gemeinsamen Gottesdienstes. Aber auch bei Trauungen, der Sterbebegleitung oder Beerdigungen, wenn Menschen Hilfe benötigten, zum Beispiel bei der Flüchtlingsarbeit würde man konfessionsübergreifend arbeiten.
Im Hause Gottes gebe es schließlich viele Wohnungen, so Stöhr. „Wie soll aber ein Haus Freude und Herzlichkeit ausstrahlen, wenn in den Wohnungen oder zwischen den Bewohnern, Zwietracht oder sogar Krieg herrscht?“ Durch Zwist und Grabenkämpfe würde die Kraft des Evangeliums geschwächt oder eingeschränkt. Wichtiger sei es, gemeinsam Aufgaben anzupacken und für die Menschen da zu sein, als sich in Rechthaberei und Eigendünkeln zu verlieren, so der katholische Pfarrer: „Ökumene öffnet den Blick für die Unterschiedlichkeiten bei gleichzeitiger Verbundenheit auf der Suche nach Frieden aus dem Glauben heraus.“
Am Ende waren beide zufrieden. „Es war sehr feierlich“, so Jentgen. „Wenn man in die Gemeinde blickte, man hat sehr viel Freude gesehen.“ Das sei ein schönes Gefühl gewesen. Musikalisch gestaltet wurde der ökumenische Gottesdienst vom katholischen Kirchenchor unter der Leitung von Rainer Pütz.
Was allerdings an diesem Sonntagmorgen ausblieb, war das größte christliche Sakrament. „Ich kann mir durchaus eine Liturgie vorstellen, bei der katholische und evangelische Christen, das Mahl der Versöhnung, also die katholische Eucharistie und das evangelische Abendmahl, gemeinsam miteinander feiern“, sagte Stöhr. Aber genau an diesem Punkt seien bis zum heutigen Tag die Grenzen von Versöhnung sichtbar.
„Meine Hoffnung ist und bleibt groß“, so Stöhr. Schließlich sei schon ein großer Schritt damit gemeistert, den Gottesdienst in Mechernich unabhängig der Konfession miteinander zu feiern. Er sehe es als wertvolles Zeichen für die Welt, dass das Credo „et iss wie et iss“, überwunden werden kann.
pp/Agentur ProfiPress