Schulter an Schulter für den Frieden
Interreligiöse Andacht in Kall im Rahmen der Interkulturellen Woche im Kreis Euskirchen
Kall – Schulter an Schulter sitzen Menschen unterschiedlicher Religionen in den Kirchenbänken. „Die Interreligiöse Andacht, zu der wir uns versammelt haben, steht unter dem Leitwort Frieden, Shalom, Salam, Pax, Peace“, sagte der katholische Pfarrer Hans-Joachim Hellwig. Dann setzt indianische Flötenmusik ein.
Es ist „Interkulturelle Woche“ im Kreis Euskirchen – und Kall beteiligt sich auf Einladung der Flüchtlingshilfe gleich mit mehreren Konfessionen. In der katholischen Pfarrkirche St. Nikolaus sprechen neben Pfarrer Hellwig auch der evangelische Pfarrer Christoph Ude, Scheikh Hassan Dyck von der Osmanischen Herberge in Sötenich sowie Esther Lorrig von der Freien Christengemeinde Kall.
Wie kann man Frieden auf der Welt schaffen? Wie kann jeder seinen Teil dazu beitragen? Das waren die großen Fragen des Abends. „Wir haben uns als interreligiöse Gebetsgemeinschaft versammelt, um das Bewusstsein für Frieden zu vertiefen, um uns abzuwenden von allem, was dem Frieden schadet, und um uns zu öffnen für alles was dem Frieden dient“, so Pfarrer Hellwig. Er brachte das „Gebet der Vereinten Nationen“ ein. Das handelt davon, die Erde zu einem Planeten zu machen, auf dem die Menschen „nicht von Kriegen gepeinigt, nicht von Hunger und Furcht gequält und nicht zerrissen werden in sinnlose Trennung nach Rasse, Hautfarbe oder Weltanschauung“. Leicht – so Hellwig – sei das aber nicht.
Doch die Sehnsucht des Menschen, in Frieden leben zu können, sei groß, so der katholische Geistliche. „Frieden ist mehr als nur das Schweigen der Waffen“, so Hellwig. Frieden gebe es nur, wenn die Menschen ins Lot kommen – im Verhältnis zur Natur, zu den Nächsten, zu sich selber und nicht zuletzt zu Gott. Frieden sei Grundlage für eine gerechte und gute Zukunft. Jeder müsse Verantwortung übernehmen – ungeachtet seiner Kultur und Konfession.
Eine flammende Rede hielt auch Scheikh Hassan Dyck von der Osmanischen Herberge in Sötenich. Viel habe die Welt schon über den Frieden gesprochen, sagte er: „Aber was man geschaffen hat, ist Unfrieden. Es blüht der Krieg, es blüht der Hass, es blüht der Neid, es blüht die Ich-Sucht, es blüht der Geiz, es blüht die Angst“, rief er in das Rund der Kirche. Er fragte: „Wo fängt der Frieden an?
Barack Obama habe als US-Präsident den Friedensnobelpreis überreicht bekommen, gleichzeitig habe es aber noch nie so viele Kriege wie in dessen Amtszeit gegeben, stellte Hassan Dyck fest. Ob Muslime, Christen oder Juden: „Noch nie waren sie so weit voneinander entfernt wie heute“, so Dyck. Frieden fange letztlich bei jedem einzelnen, im Innern, im Herzen an. Ungeachtet der Hautfarbe, Religion oder Nationalität. „Wir sind alle Menschen“, so Scheikh Hassan Dyck.
Aus der Bergpredigt des Matthäus-Evangeliums zitierte der evangelische Pfarrer Christoph Ude. „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder sein“, sagte er. Friede erfordere ein Einmischen, dort wo Unfriede herrscht. Brücken müssten gerade da gebaut werden, wo wir fremd sind, oder bei denen, die uns irritieren oder Angst machen. Sich zu öffnen, sich infrage zu stellen oder gar auf Neues einzulassen, sei nicht immer einfach. „Aber Begegnungen verändern beide Seiten“, so Ude. Trotzdem müsste nun nicht alles gleich werden. Eine (Glaubens-)Vielfalt zu erhalten sei wertvoll und bereichernd.
Demut sei leider unpopulär geworden, so der evangelische Geistliche. „Demut, das heißt, bei aller Überzeugung für die eigene Glaubensrichtung, auch die eigenen Grenzen der Erkenntnis wahrzunehmen.“ Wer der „wahre“ Gott ist, was Mann und Frau zu glauben haben, dürfe niemand vorgeben. „Fundamentalisten sind auf dem Holzweg, wenn sie meinen, mit Gewalt und Terror ihre Überzeugung durchsetzen zu können und müssen“, so Ude weiter. Meist gehe es dabei ja auch gar nicht mehr um Glaubensfragen, sondern um Macht.
Esther Lorrig machte deutlich: „Frieden wollen fast alle haben, aber er kommt nicht immer freiwillig.“ Die innere Harmonie des Menschen sei bedeutsam. Jesus gebe inneren Frieden und damit die wichtige Ruhe der Seele. „Ich kann vor Gott treten, ohne dass zwischen uns etwas steht. Ich kann mich auf Gott verlassen.“ Wer das spüre, könne viel zum Frieden beitragen.
Melodiös und meditativ spinnt sich zwischendurch die Musik ein und strömt Ruhe aus. Scheikh Hassan Dyck, der in den 1960er-Jahren in Berlin Musik studiert hatte, spielte bei einigen Stücken das Harmonium. Begleitet wurde er mit einem Bendir, einer Rahmentrommel.
Später wartete im benachbarten Pfarrheim ein buntes interkulturelles Büffet auf die Gäste. Jeder hatte seine Lieblingsspeisen aus seiner Heimat mitgebracht. An den Tischen wurde miteinander und konfessionsübergreifend geplaudert. Die Speisen hatte Miguelina Draht koordiniert. Das Team vom Begegnungscafé hatte den Raum geschmückt und war für die Gäste am Buffet unermüdlich im Einsatz.
pp/Agentur ProfiPress