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Mehr als ein Strohhalm

Lit.Eifel-Lesung mit Ulrike Schwieren-Höger in Roetgen befasste sich mit Alternativen zur Schulmedizin – Publikum diskutierte lebhaft über Heiler und Spiritualität

Roetgen – Verzweiflung und Zuversicht, Schulmedizin und alternative Heilmethoden und letztlich der Mut, eingetretene Pfade zu verlassen und völlig unbekannte Wege zu beschreiten: Diese Gegensätze hat Ulrike Schwieren-Höger am eigenen Leib erfahren, als sie schwer erkrankte. Diese Erkrankung führte sie nicht nur in die Uniklinik, sondern in alternative Zentren, ließ sie in Kontakt treten zu Geistheilern und führte sie zu der Erkenntnis, dass Heilung nicht nur ein Prozess des Körpers ist, sondern im gleichen Maße auch Seele und Geist umfasst.

Ihre Erfahrungen hat Schwieren-Höger, die lange Zeit als Redakteurin für große Tagezeitungen gearbeitet sowie mehrere Reiseführer veröffentlicht hat, in ihrem ersten Roman verarbeitet. „Frau Kassel will Wunder“ – so der Titel des Debüts – fand bei der Lit.Eifel-Lesung im rustikalen Ambiente der Wanderstation in Roetgen mit knisterndem Kaminfeuer nicht nur großen Anklang beim Publikum, sondern wurde auch lebhaft diskutiert.

Ulrike Schwieren-Höger las bei der Lit.Eifel in der Wanderstation in Roetgen aus ihrem Buch „Frau Kassel will Wunder“. Das Thema, alternative Heilmethoden, wurde anschließend lebhaft diskutiert. Foto: Renate Hotse/pp/Agentur ProfiPress
Ulrike Schwieren-Höger las bei der Lit.Eifel in der Wanderstation in Roetgen aus ihrem Buch „Frau Kassel will Wunder“. Das Thema, alternative Heilmethoden, wurde anschließend lebhaft diskutiert. Foto: Renate Hotse/pp/Agentur ProfiPress

Roetgens Bürgermeister Jorma Klauss begrüßte die Zuhörer und die Autorin und verwies auf die autobiographischen Züge des Romans. Vieles habe sie tatsächlich so erlebt, bestätigte Schwieren-Höger, teils sei es aber auch reine Fiktion, was sie in ihrem Buch über die Protagonistin Charlotte Kassel beschreibe.

Den „kurzen Ritt durchs Buch“ eröffnete Ulrike Schwieren-Höger in Roetgen mit dem Krankenhaus-Koller, der Charlotte, eine 51-jährige krebskranke Rechtsanwältin, ereilt, nachdem sie bereits mehrere Wochen in der Klinik ist und eine Reihe von Therapien hinter sich gebracht hat. Im Nachthemd setzt sie sich auf die Kliniktreppe, wo ein Mann namens Paul sich ihrer annimmt und sie zu trösten versucht. Mit dem „komischen Typ“, so der Pfleger, der sie wieder hereinholt, führt sie von da an einen lebhaften E-Mail-Austausch. Ihm vertraut sie im elektronischen Briefverkehr ihre Gedanken, Gefühle, ihre Zweifel und Hoffnungen an. Paul ermutigt sie – auch zu ungewöhnlichen Schritten.

Fortan will sich nicht länger nur behandeln lassen. Sie will handeln und versucht alles, um wieder gesund zu werden. Das Publikum in Roetgen lauschte beispielsweise den Schilderungen eines Zeremoniells, zu dem Charlottes Schwester sie überredet: Ilona, von Beruf Psychologin, gehört einem Wicca-Zirkel an, einer Art modernem Hexen-Zirkel. Charlotte findet das zwar „hirnrissig“, macht aber trotzdem mit und besucht auch den Matronen-Tempel bei Nettersheim. Die Atmosphäre dort empfindet sie als wohltuend. „Ich kann alles versuchen. Ich kann mich über jede Konvention hinwegsetzen. Du wirst Dich noch wundern, Schwesterchen, was ich alles kann“, geht ihr dort durch den Kopf.

Als erstes wählt sie danach die Telefonnummer eines Geistheilers. „Glauben Sie, dass Fernheilung funktioniert“, fragte Ulrike Schwieren-Höger ins Publikum. Kaum jemand, der nicht etwas beisteuerte zu den unerklärbaren Dingen, die sich „zwischen Himmel und Erde“ befinden. Und kaum jemand, der nicht jemanden kennt, der sich schon einmal in die Hände eines „Heilers“ begeben hat, wie es sie auch in der Eifel gibt.

Vielen war auch Ryke Geerd Hamer ein Begriff, ein ehemaliger deutscher Arzt, der sich einer selbsterfundenen, sehr dubiosen Heilmethode verschrieben hat. Wegen fortgesetzten illegalen Praktizierens und Betrugs war er mehrfach in Deutschland und Frankreich in Haft, nach wie vor stehen mehrere Haftbefehle gegen ihn aus, denen er sich durch Flucht entzieht. „Unverantwortlich. Ein krebskranker Mensch klammert sich an jeden Strohhalm“, sagte eine Zuhörerin, deren Bekannte vor vielen Jahren zu Hamers Patienten gehörte.

So groß die allgemeine Empörung der Zuhörer über Hamers Machenschaften auch war: Niemand sprach dagegen, dass es Heilerfolge gibt, die sich aus schulmedizinischer Sicht nicht erklären lassen. Und einig war man sich auch darüber, dass Beten, die Kraft des positiven Denkens und die Anteilnahme der Menschen um einen herum förderlich für den Krankheitsverlauf sind. Laut Ulrike Schwieren-Höger gebe es sogar eine Studie, die belege, dass Menschen, die wissen, dass andere für sie beten, eher genesen.

Andere Länder, andere Sitten: Wie die Autorin zu berichten wusste, arbeiten Heiler und Schulmediziner in England Hand in Hand. „Dort haben Patienten sogar Anspruch darauf, einen Heiler hinzuzuziehen. Das wäre hier undenkbar.“

Ulrike Schwieren-Höger gibt keine Empfehlungen, erteilt keine Ratschläge. Vielmehr gibt sie einen Fingerzeig auf die Bedeutung der oftmals vernachlässigten Spiritualität in einer rational geprägten Umwelt.

pp/Agentur ProfiPress