Land unter!
Stadtmitte und einige Außenorte wurden am Donnerstag von Unwetter heimgesucht – Mehr als 600 Feuerwehreinsätze – Überschwemmungen und Erdrutsche
Mechernich – Zum dritten Mal in diesem Sommer sind große Teile des Mechernicher Stadtgebietes nach unwetterartigen Regenfällen und Hagel überschwemmt worden. Diesmal wurden Mechernich selbst, Kommern, Strempt und Roggendorf, Satzvey, Firmenich/Obergartzem und der sogenannte „Wilde Westen“ der Stadt mit Bleibuir und Lückerath besonders stark in Mitleidenschaft gezogen.
Bleibach, Veybach, Schoßbach und Schliebach traten über die Ufer, allesamt Wasserläufe mit Rieseneinzugsgebieten, die besonders stark anschwellen, wenn örtliche starke Platzregen niedergehen.
Das Unwetter am Donnerstagnachmittag, 21. Juli tobte im ganzen Kreisgebiet, aber diesmal erwischte es die Mechernicher Kernstadt und zahlreiche Außenorte besonders schlimm. Von den insgesamt 584 Einsätzen, die von 16.15 bis 23.30 Uhr über den Notruf 112 registriert wurden, waren 557 im Stadtgebiet Mechernich, meldete die Leitstelle des Kreises Euskirchen, wo ein Führungsstab zur Koordination der Einsätze gebildet wurde. Bis Freitagmittag hatte sich die Zahl der Einsätze auf mehr als 600 erhöht.
Gegen 16.15 Uhr setzte ein Sturzregen ein, der im Nu zahlreiche Keller unter Wasser setzte und mehrere Straßen überflutete. Diesmal blieb auch das Kreiskrankenhaus Mechernich nicht verschont, dort trat Wasser in die EDV- und Telefonzentrale sowie in die Zentralküche ein. Nur neue Patienten, deren Zustand lebensbedrohlich war, wurden aufgenommen. Alle weiteren ambulanten Notfälle wurden nach Euskirchen geschickt.
Auch viele Geschäftshäuser waren betroffen. Komplett unter Wasser standen nach einer Stunde Dauerregen der Rewe-Markt samt Tiefgarage in der Innenstadt, die Produktionshallen der Firma Mechatronics und die im Umbau befindliche Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Unteroffiziersheim an der Friedrich-Wilhelm-Straße (Casino). Im Rewe-Markt in der Marienau drang Wasser durch die Decke ein.
Schlimme Zustände herrschten auch im historischen Ortskern von Kommern, wo das Wasser bis zu anderthalb Metern hoch in den Straßen stand. Selbst das Feuerwehrgerätehaus blieb nicht verschont. Einen bettlägerigen 82-jährigen Mann, dessen Haus einen Meter hoch überflutet war, rettete die Feuerwehr mit einem Schlauchboot. Das für das Wochenende geplante Hardrock-Festival im Mühlenpark wurde ersatzlos gestrichen, weil das Gelände, auf dem auch schon einige Besucher zelteten, unter Wasser stand.
Elf Löschzüge waren im Einsatz, darunter sechs Löschzüge der Mechernicher Feuerwehr sowie weitere Löschzüge aus Bad Münstereifel, Euskirchen Nettersheim, Schleiden und Zülpich sowie Einheiten des THW. Ein Feuerwehrmann in Zülpich und eine Einsatzkraft des Technischen Hilfswerks in Mechernich wurden leicht verletzt und ins Krankenhaus gebracht.
Auf der Bundesstraße 266 bei Kommern stürzte ein Baum auf einen mit Personen besetzten Pkw. Dabei wurde ein Mensch stark eingeklemmt, erlitt mehrere schwere Verletzungen und musste, nachdem die Feuerwehr ihn befreit hatte, ins Krankenhaus gebracht werden. Zwischen Hostel und Glehn rutschte ein Hang ab, eine Eiche stürzte um und fiel auf die Kreisstraße 25. Auch ein rund 20 Zentimeter breiter Asphaltstreifen von der Fahrbahn rutschte ab. Direkt neben der Kreisstraße 25 geht es momentan vier bis fünf Meter steil in die Tiefe. Ein Bodengutachter muss sich den entstandenen Schaden ansehen und wird dann entscheiden, wann und ob die K 25 wieder freigegeben werden kann. Bei einer weiteren Unterwetterlage besteht die Gefahr, dass die komplette Straße abrutscht. Vermutlich bleibt die Verbindungsstraße zwischen Glehn und Hostel für mindestens eine Woche gesperrt.
Unter anderem hatten sich in Roggendorf und in Kommern mehrere Heizöltanks aus ihrer Verankerung gelöst und schwammen auf, dabei trat teilweise Heizöl aus. In Schaven wurde eine Brücke unterspült, dadurch wurde eine Verteilereinheit des RWE aus der Verankerung gerissen. In ganz Obergartzem fiel daraufhin der Strom aus. Das Technische Hilfswerk war im Raum Mechernich im Einsatz. Obergartzem war ohne Strom und musste von den Freiwilligen mittels Aggregaten mit Elektrizität versorgt werden. Das THW half außerdem mit 1400 Sandsäcken aus.
Unrat und Hochwasser-Sperrmüll gebührenfrei zur Strempter Deponie
Noch am nächsten Morgen waren die Einsatzkräfte an mehr als hundert Stellen im Stadtgebiet Mechernich damit beschäftigt, die Folgen des Unwetters zu beseitigen. Das Kreisbrandschutzzentrum stellte eine erhebliche Anzahl von Tauchpumpen zur Verfügung.
Zwei Einsatzeinheiten des Rotkreuz-Kreisverbandes verpflegten die Einsatzkräfte im Stadtgebiet Mechernich, darüber hinaus sicherten speziell ausgebildete Rotkreuzler die soziale Betreuung Betroffener. Auch am Freitag blieb die Leitstelle doppelt besetzt. Das Einsatzende war offen, nach einer arbeitsintensiven Nacht ging es ans Abarbeiten der noch offenen Einsätze geringerer Priorität, in den meisten Fällen mussten Keller leer gepumpt werden.
Die Stadtverwaltung Mechernich teilte mit, dass vom Hochwasser Betroffene Sperrmüll und Unrat kostenlos an der Mülldeponie in Strempt abgeben können. Außerdem stellte die Stadt alle verfügbaren Müllcontainer auf. Der ehemalige städtische Mitarbeiter Heinz Reuter aus Kommern sagte: „Ich war 47 Jahre bei der Stadt, aber sowas wie hier habe ich noch nicht erlebt.“
pp/Agentur ProfiPress