Der verlorene Sohn und der Knast
Beim 39. Gründungsgedenktag der Communio in Christo stand das Thema „Schuld und Sühne“ im Mittelpunkt – Nach einer feierlichen Messe in St. Johann Baptist referierte NRW-Justizminister Dr. Benjamin Limbach im Mechernicher Johanneshaus über einen Strafvollzug, der vor allem in die Zukunft gerichtet ist
Mechernich – Das Evangelium an diesem Tag stammt vom Evangelisten Lukas. Es ist das Gleichnis vom verlorenen Sohn und eine sehr bewusste Wahl für die feierliche Messe in der Mechernicher Pfarrkirche St. Johann Baptist. Schließlich steht beim 39. Gründungsgedenktag der Communio in Christo das Thema „Schuld und Sühne“ im Zentrum der Betrachtung – und mit dem Gleichnis wird eine Brücke geschlagen zum Vortrag von NRW-Justizminister Dr. Benjamin Limbach.
Denn der wird später von einem gnädigen Staat sprechen. So wie es der Vater im Gleichnis ist. Er wird über eine Gesellschaft reden, die bereit sein muss, den Straftäter nach erfolgter Sühne wieder in seiner Mitte aufzunehmen. So wie es der ältere Sohn später tut. Und er wird darüber referieren, dass der Häftling im heutigen, deutlich mehr in die Zukunft gerichteten Strafvollzug einen erheblichen Teil an Mitwirkung leisten muss, damit die Resozialisierung gelingen kann. Schließlich hat auch der verlorene Sohn den ersten Schritt getan und Reue gezeigt.
Aber zunächst war es an dem stellvertretenden Generalsuperior und Diakon Manfred Lang, die Gläubigen im Namen von Generalsuperior Jaison Thazhathil sehr herzlich zur Eucharistiefeier zu begrüßen. Beispielhaft nannte er Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick und den Gemeindepfarrer und GdG-Leiter Erik Pühringer.
Verhältnismäßigkeit der Mittel
Als Konzelebranten am Altar wirkten zudem mit dem ehemaligen Salvatorianer-Superior Hermann Preussner von Steinfeld, Pater Rudolf Ammann, Pfarrer Patrick Mwanguhya, Pfarrer Jaimson Mathew, Pater Josef Juros SDS und Pater Elex Normil. Für eine wunderbare musikalische Untermalung sorgte der Mechernicher Kirchenchor St. Cäcilia unter der Leitung von Erik Arndt mit der Deuxieme Messe solennelle von Charles Gounod.
In seinen Begrüßungsworten widmete sich Diakon Manfred Lang ebenfalls dem Thema „Schuld und Sühne“. Er ordnete den biblischen Rechtssatz „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ ein. Dieser sei keineswegs ein Synonym für Rache. Vielmehr sei es der älteste bekannte juristische Grundsatz für die Verhältnismäßigkeit der Mittel, ein Plädoyer für die Abkehr von Blutrache und Fememorden.
„Jesus setzt den alten Rechtsgrundsatz fort, er entwickelt ihn weiter. Wenn Dich einer auf die eine Wange schlägt, so halte ihm auch die andere hin“, führte Diakon Manfred Lang weiter aus. Das sei schwer, überhaupt nicht zurückschlagen. „Aber Jesus meint das ernst. Wir sollen nicht permanent nachkarten. Druck erzeugt Gegendruck, Gewalt macht neue Gewalt, Rache bekommt augenblicklich Junge.“
Auch Generalsuperior Jaison Thazhathil widmete sich in seiner Predigt dem Kernthema des 39. Gründungsgedenktages. Er zitierte dafür eine klare Botschaft von Mutter Marie Therese: „Ich kann es wohl in die Welt hinausschreien: Habt keine Angst. Gott ist kein Richter. Gott ist kein strafender Gott.“
Grenzenlose Vergebung
Für den Generalsuperior steht der Vater im Gleichnis für die grenzenlose Vergebung Gottes. Der verlorene Sohn stehe für eine Person, die diese überwältigende, befreiende und heilende Vergebung tatsächlich erfahren habe. Aber was ist mit dem älteren Sohn? Jaison Thazhathil ordnete dessen Wandlung für die Gläubigen ein. Sie geschieht als der Vater ihn umarmt und sagt: „Mein Sohn, du bist immer bei mir, und alles, was ich habe, gehört dir. Aber wir müssen feiern und uns freuen, denn dieser dein Bruder; er war verloren und ist gefunden.“
In diesem Moment sei das Herz des älteren Sohnes weich geworden. Er habe erkannt, dass die Liebe seines Vaters grenzenlos war und durch die Rückkehr des verlorenen Sohnes nicht geschmälert wurde. „Die begrenzte Vergebung des ältesten Sohnes wurde durch die grenzenlose Vergebung des Vaters verwandelt. Da beginnt eine Feier in der Familie“, so der Generalsuperior des Ordo Communionis in Christo, der im Anschluss an die Messe zu einem Empfang ins Johanneshaus eingeladen hatte.
Dort gab es zunächst eine Stärkung mit köstlicher Erbsensuppe des Mechernicher DRK-Ortsvereins sowie mit Kaffee und Kuchen. Anschließend hieß Norbert Arnold alle Gäste in seiner Funktion als Geschäftsführer des Sozialwerkes der Communio herzlich willkommen:
„Besonders freue ich mich, unseren Minister der Justiz in NRW, Herrn Dr. Benjamin Limbach, begrüßen zu können.“
Zu den Gründungsgedenktagen seien bereits Bischöfe, Professoren, Journalisten und Philosophen zu Gast gewesen und hätten interessante Vorträge gehalten. „Einen Minister durften wir bislang noch nicht unter uns willkommen heißen. Sie, Herr Dr. Limbach, sind heute der Erste. Vielen Dank für Ihr Kommen und die Bereitschaft einen Impulsvortrag zu übernehmen“, begrüßte Norbert Arnold seinen Studienfreund.
Verbundenheit mit der Stadt
Doch bevor der seine Ausführungen beginnen konnte, betonte Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick die Verbundenheit der Stadt mit der Communio in Christo. Sie sei inzwischen nicht mehr aus Mechernich wegzudenken. „Was in Pflegeeinrichtung und Hospiz für aufopferungsvolle und wertvolle Arbeit geleistet wird, strahlt weit über die Grenzen der Stadt Mechernich hinaus“, betonte Dr. Hans-Peter Schick, der anschließend das Mikrofon weiterreichen konnte an Justizminister Benjamin Limbach.
Der weitete in seinem Vortrag das Thema „Schuld und Sühne“ dahingehend aus, dass er die Zuhörer mitnahm in den Alltag von Häftlingen im Strafvollzug. Eine seiner Kernbotschaften lautete: „Das Strafrecht beruht auf dem Prinzip von Schuld und Sühne. Der moderne Strafvollzug blickt aber in erster Linie in die Zukunft und nicht allein zurück auf die Straftat.“
Denn die Gefangenen von heute seien eben nun mal die Nachbarn von morgen. „Resozialisierung ist einerseits soziale Pflicht gegenüber dem Täter und zugleich Einsatz im Interesse der Allgemeinheit, der durch Rückfälligkeit neue Straftaten drohen“, betonte Benjamin Limbach. Somit ziele der Strafvollzug heute deutlich mehr auf die Resozialisierung ab.
Gleichzeitig seien auch die Opfer intensiver in den Fokus gerückt worden. „Ihnen wird eine Stimme verliehen, sie sind nicht mehr nur das Beweismittel im Prozess“, so der NRW-Justizminister, der betonte, dass die Straftäter ganz gezielt mit dem konfrontiert werden, was sie anderen angetan haben.
Die Sünde überwinden
Zudem habe der Strafvollzug heute auch eine familiensensible Komponente. Denn die Inhaftierung eines nahestehenden Menschen bedeutet für die Angehörigen regelmäßig eine große Belastung. „Besonders minderjährige Kinder leiden unter der Inhaftierung eines Elternteils oft noch mehr als Erwachsene“, sagte Dr. Benjamin Limbach, der im Verlauf seines Vortrags die zahlreichen Aspekte des Strafvollzugs beleuchtet.
Er sprach etwa über die Behandlungsmethoden im Vollzug, über das Erlernen sozialer Kompetenzen, über die Möglichkeiten der schulischen und beruflichen Bildung, über die positiven Aspekte von sinnstiftender Arbeit, über Sozialtherapie, über den Umgang mit suchtmittelabhängigen Gefangenen oder über den offenen Vollzug – so wie er zum Beispiel in Euskirchen geschieht – als die beste Vorbereitung für ein straffreies Leben in Freiheit.
Schließlich lautete ein Teil seines Fazits: „Der Justizvollzug hat oft das nachzuholen, was unsere Gesellschaft versäumt hat. Gleichwohl gehen alle unsere Bemühungen um Resozialisierung ins Leere, wenn die Gesellschaft nicht bereit ist, den entlassenen Gefangenen in ihrer Mitte aufzunehmen. Der Abscheu vor der Tat darf nicht zum Abwenden von dem Täter führen.“ Bei der Gründerin der Communio in Christo klingt das ähnlich. „Mutter Marie Therese hat immer sehr strikt die Sünde vom Sünder getrennt“, betonte Diakon Manfred Lang als Moderator einer abschließend Diskussionsrunde: „Denn nur so wird es möglich, dass der Sünder die Sünde überwinden kann.“
pp/Agentur ProfiPress