Elfter Feldzug gegen die Motte
Seit 2008 bekämpfen die Wachendorfer Bürger jeden Herbst die Rosskastanienminiermotte – 40 Helfer am ersten Adventswochenende im Einsatz – Nach dreieinhalb Stunden war Laub auf der 600 Meter langen Allee zusammengefegt
Mechernich-Wachendorf – Was tut man nicht alles im Kampf gegen lästige Plagegeister? Das dürften sich einige der knapp 40 Helfer auch gefragt haben, die am ersten Adventswochenende am Samstagmorgen auf der rund 600 Meter langen Kastanienallee Laub zusammengekratzt haben. Besonders, wenn man eigentlich Schreibtischtäter ist und sich an die letzte körperliche Arbeit nur schwach erinnern kann, so wie der Autor dieser Zeilen.
Der wurde mit Muskelkater an Stellen, von denen er nicht wusste, dass es dort Muskeln gibt, und Blasen an den Händen, weil die Handschuhe irgendwann löchrig wurden, belohnt – und dem Gefühl, etwas Gutes getan zu haben, und das bei bestem Wetter an der frischen Luft.
Die jährliche Laubsammelaktion ist nämlich keine reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, auch kein Fitnessprogramm für Anwohner der Wachendorfer Kastanienallee. Sondern eine notwendige und konzertierte Aktion gegen die Cameraria ohridella, wie die faunistische Bezeichnung der Rosskastanien- oder Balkan-Miniermotte lautet. Letzterer Name stammt übrigens daher, dass die Rosskastanienminiermotte 1984 erstmals in Mazedonien entdeckt wurde und sich seitdem über ganz Europa ausdehnt.
Die im Durchschnitt 2,65 Millimeter langen und bei aufgespannten Flügeln 6,63 Millimeter langen Falter schädigen die Kastanien erheblich. Die Larven fressen sich Minen in die Blätter, die dadurch schon im Sommer welken und braun werden. Der Baum nimmt dadurch weniger Nährstoffe auf, wird schwächer und trägt kleinere Früchte.
In jeder der drei Alleeteile wird das Laub zu langen Bahnen zusammengekratzt. Eine ebenso schweißtreibende wie nötige Angelegenheit. Denn die Puppen der Motte befinden sich in den Blättern. Fallen die herab, verrotten zwar irgendwann die Blätter, die Motten aber überleben am Boden. Werden die Blätter nicht gesammelt und dann zur Kompostieranlage im Abfallwirtschaftszentrum gebracht, es sähe wohl im kommenden Jahr so aus, wie vor zehn und elf Jahren.
„Aktion Kastanienlaub“ seit 2008
2008 riefen der städtische Fachbereichsleiter Helmut Schmitz und Ortsvorsteher Theo Wolfgarten erstmals zur „Aktion Kastanienlaub“ auf. In dem Jahr und in dem darauffolgenden litten die Anwohner der Kastanienallee sehr unter den Motten. Die kleinen Viecher waren überall zu finden: in Häusern, auf Terrassen, an Zäunen. Sie waren eine echte Plage. „Die Grillsaison ist dieses Jahr ausgefallen“, sagte Wolfgarten 2009.
Die jährliche Aktion, zu der anfangs bis zu 80 Helfer kamen, zeigte aber ab 2010, dass sie erfolgreich ist. Die Stadt Mechernich stellt Rechen und Laubbesen sowie Getränke zur Verfügung. Dieses Jahr waren es 44 Rechen und 40 Laubbesen. Jeder Helfer schnappt sich das Gerät, mit dem er am besten klarkommt (die stärkeren Rechen sind besonders am Rand, wo man das Laub aus Büschen kratzen muss, empfehlenswerter), und dann geht’s los.
Eine der undankbarsten Aufgaben war jedes Jahr, das Laub aus dem Graben zwischen der Antweiler Straße und dem Schloss Wachendorf zu kratzen. Dieses Jahr war der Graben aber hilfreich. Denn die Stadt setzte, nach dem Testlauf im vergangenen Jahr, diesmal während der kompletten Aktion auf einen Laubsauger. Diesmal wurden die Helfer gebeten, das Laub in den Graben zu kratzen, weil der gut ausgesaugt werden konnte.
Das Laub wird direkt beim Aufsaugen gehäckselt, aufgefangen und anschließend in Container gebracht. Bislang hatten das die Dorfbewohner selbst gemacht. Mit Frontladern wurde das Laub gesammelt und dann in die Container gefahren. Diesmal mussten die Helfer also nur kratzen, nach dreieinhalb Stunden war die Allee blitzeblank. Die „Laubstraßen“ wurden in der darauffolgenden Woche vom Bauhof nach und nach aufgesammelt.
Für die Helfer, bestehend aus Anwohnern sowie Mitgliedern der Dorfvereine, ist die Aktion auch immer eine gute Gelegenheit, sich zu treffen und auszutauschen. Da treffen Alte Herren auf Junggesellen, man „klaavt“ am Pavillon, wo Gerlinde Thelen von Anfang an Reibekuchen brät, es gibt Kuchen und Süßigkeiten zur Stärkung. Einen Weihnachtsmarkt hat Wachendorf zwar nicht, dieses Jahr dadurch aber immerhin einen Adventsfrühschoppen.
Wie erfolgreich die Aktion war, zeigt sich im nächsten Sommer. Und im kommenden Herbst, wenn die braunen Blätter alle auf dem Boden liegen, dürften die Wachendorfer (und natürlich auch wieder Helfer aus Antweiler, Lessenich und anderen Ortschaften) wieder zu Rechen und Laubbesen greifen und die Motte bekämpfen. Bis dahin sind auch der Muskelkater des Autors verschwunden und neue Arbeitshandschuhe gekauft worden.
pp/Agentur ProfiPress