Chorchronik für die Nachwelt
Abordnung des Mechernicher Männergesangvereins hat Objekte aus dem Sangesleben und diverse Unterlagen ans städtische Archiv übergeben
Mechernich – Ein Beitragsbuch von 1948 liegt auf dem Tisch im Ratssaal. Daneben eine Fahne, Stempel, Aktenordner und diverse Bücher. Es sind Objekte und Unterlagen aus dem Vereinsleben des Mechernicher Männergesangvereins von 1863, der sich im Jubiläumsjahr 2023 aufgelöst hatte. Eine siebenköpfige Abordnung der einstigen Sangesschar ist an diesem Juni-Morgen ins Rathaus gekommen, damit all diese Dinge der Nachwelt erhalten bleiben. Denn sie wandern nun ins Archiv der Stadt Mechernich und sind dann für Jedermann zugänglich.
Auch wenn es eigentlich ein trauriger Anlass ist, ist die Laune recht gut im Rathaus. Das Schwelgen in schönen Erinnerungen überwiegt. Zu Hochzeiten hatte der Verein mitunter 120 Sänger. „Die waren aber nie gleichzeitig bei der Probe“, erzählt Toni Salmon lächelnd. Der 90-Jährige nennt auch den Grund: „Viele Sänger waren Bergleute, arbeiteten in drei Schichten und so musste zu unterschiedlichen Zeiten geprobt werden.“
Als der MGV im Jahre 1863 gegründet wurde, hatte Mechernich gerade mal 450 Einwohner, dann expandierten Bleierzabbau und Bevölkerung gleichermaßen. Das kulturelle Angebot wuchs mit, der MGV wurde gegründet und hatte Erfolg. Drei Kriege hat der Chor überstanden, war zuletzt der älteste Verein der Stadt. Doch der schleichende Mitgliederschwund ließ sich auf Dauer nicht aufhalten.

Vereinsvermögen für einen guten Zweck
Die Liquidatoren Michael Sander und Werner Zeyen übergaben nun mit ihren Sangesbrüdern Toni Salmon, Walter W. Wolfgarten, Werner Beck, Hubert Weiermann und Günter Werner die historischen Dokumente und Gegenstände an das Stadtarchiv. Zuvor hatten sie bereits das verbliebene Vereinsvermögen gespendet. „Gemäß unserer Satzung wurde das Geld an die Mechernich-Stiftung gespendet“, erläuterte Michael Sander, der daran erinnerte, dass die erste Satzung im Gründungsbuch fein säuberlich mit der Hand aufgeschrieben wurde.
Während er im Vorfeld der Übergabe in den Unterlagen gestöbert habe, sei ein Name immer wieder aufgetaucht: der des in diesem Jahr verstorbenen Sangesbruders Friedrich Hunsicker. „Was dieser Mann für den Verein geleistet hat, ist wirklich beeindruckend“, sagt Michael Sander. Hunsicker war nicht nur Soldat und Kommunalpolitiker, sondern auch engagierter Vorstand im MGV, im Bergbaumuseum und in anderen Vereinen.
So hat er auch an einem Buch mitgewirkt, das einen weiteren Sangesbruder ehrt. Denn der Männergesangverein hat mit seinen gesammelten Werken Heinrich Heidenthal, einem langjährigen Mitglied ein bleibendes Denkmal gesetzt. „Tief in seiner Heimat verwurzelt beschrieb er die Schönheit der Eifel und insbesondere seines Heimatortes Mechernich oder glossierte – oft mit hintergründigem Humor – das Geschehen in seiner Umwelt, vielfach auch in Mundart“, heißt es im Vorwort des Werks, das nun auch ins Archiv der Stadt wandert. Über 50 Jahre habe Heinrich Heidenthal als aktiver Sänger in unseren Reihen tatkräftig mitgewirkt und dabei auch die Geschicke des Vereins in wesentlichen Dingen mitgeprägt, ließt man dort.

Geprägt wurde das Vereinsleben auch durch die ein oder andere Konzertreise, die die Sänger bis nach Wien führte, wo sie im Stephansdom eine Deutsche Messe sangen, sowie nach Salzburg, wo eine besonders schöne Erinnerung entstand: „Nach der Messe kam ein österreichischer Priester zu mir und sagte, er habe noch nie einen deutschen Chor die Katschtaler Messe so toll singen hören“, berichtet Toni Salmon.
Walter W. Wolfgarten erinnert sich an den Abend nach dem Konzert in Wien, als sie in eine Kneipe einkehrten: „Dort erzählten Leute an einem Nachbartisch, dass sie gerade ein wundervolles Konzert im Stephansdom gehört hätten – von einem deutschen Chor. Das war schon ein besonderer Moment.“
Lebendige Erinnerungskultur
Archivar Stephan Meyer, der die Übergabe ebenso begleitete wie Manuela Holtmeier, Teamleiterin Bürgermeisterbüro und Politik, freut sich, dass das Kapitel des MGV nun im Stadtarchiv weiterlebt. Auch Kämmerer und Dezernent Ralf Claßen hat einen ganz persönlichen Bezug zum Verein: „Mein früherer Chef Horst Müller war aktives Mitglied im Männergesangverein – und viele Themen, die bei den Chorproben besprochen wurden, fanden später ihren Weg ins Rathaus. Der MGV war somit nicht nur musikalisch, sondern auch gesellschaftlich ein wichtiger Akteur in Mechernich.“
Und obwohl der offizielle Chorbetrieb eingestellt ist, bleibt die Gemeinschaft bestehen: Die ehemaligen Sänger treffen sich weiterhin freitags zum Stammtisch im Rathaus-Bistro. „Wir sind vielleicht nicht mehr laut zu hören – aber immer noch da“, sagen sie mit einem Lächeln. Die Chorgeschichte bleibt – im Archiv und im Herzen der Stadt.
pp/Agentur ProfiPress