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Geschichte der Mechernicher Gasfabrik

Peter-Lorenz Könen hat die neueste Ausgabe seiner „Bergbaukundlichen Informationsblätter“ aufgelegt – Der wirtschaftliche Aufschwung „op Spandau“, wie das Bleibergwerk im Volksmund genannt wurde, erforderte Ende des 19. Jahrhunderts eine damals moderne Energieversorgung

Mechernich – Auf dem Höhepunkt des Mechernicher Bleibergbaus wurden weit über 4000 Menschen beschäftigt. Es wurde über- und unter Tage 24 Stunden durchgearbeitet. Das setzt eine ausreichend starke Beleuchtung in den Stollen, Abbaukammern, in den Tagebauen und auch in den zahlreichen Nebenbetrieben voraus. Der Mechernicher Regionalforscher Peter-Lorenz Könen ist der Frage nachgegangen, aus welchen Energiequellen diese Beleuchtung gespeist wurde.

Gaswerk 2, eine von zwei Anlagen zur Energieversorgung am Mechernicher Bleiberg und in der Gemeinde. Das Bild stammt von Anselm Schmitz und wurde 1886 aufgenommen. Repro: P.-L. Könen/pp/Agentur ProfiPress
Gaswerk 2, eine von zwei Anlagen zur Energieversorgung am Mechernicher Bleiberg und in der Gemeinde. Das Bild stammt von Anselm Schmitz und wurde 1886 aufgenommen. Repro: P.-L. Könen/pp/Agentur ProfiPress

In der jüngsten Ausgabe seiner „Bergbauhistorischen Informationsblätter“, die der pensionierte Ingenieur seit vielen Jahren herausgibt, hat Könen die Geschichte des Gaswerks auf dem Mechernicher Bleiberg dargestellt. Es wurde vom „Mechernicher Bergwerks-Aktienverein“ etabliert und ausgebaut.

Nachdem im Tagebau „Bachrevier“ der Konzession „von Meinerzhagen und Gebrüder Kreuser“ seit Ende 1851 auch nach Sonnenuntergang gearbeitet wurde, unternahm man 1859 erste Versuche mit elektrischem Strom und Batterien, so Könen: „Es bedurfte einer starken Lichtquelle, die den neuen Tagebau bis in alle Winkel ausleuchten konnte.“

Batteriestrom aus Paris

Die erste elektrische Anlage stammte aus Paris. „Auf der Höhe des Tagebaus war eine elektrische Batterie von 50 Elementen aufgestellt, von welcher die Drähte bis zu dem in der Grube selbst auf einer kleinen Erhöhung aufgestellten Brenner hinabgingen“, heißt es in den jüngsten „Informationsblättern“. Die Wirkung muss großartig gewesen sein, man konnte bis in die äußersten Winkel der ungeheuren Grube fast wie am Tage arbeiten.

Der pensionierte Ingenieur und Regionalhistoriker Peter-Lorenz Könen hat die neueste Auflage seiner „Bergbaukundlichen Informationsblätter“ der Geschichte der Mechernicher Gasfabrik gewidmet. Hier ist er mit der ebenfalls von ihm verfassten Chronik der örtlichen Barbarabruderschaft zu sehen. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Der pensionierte Ingenieur und Regionalhistoriker Peter-Lorenz Könen hat die neueste Auflage seiner „Bergbaukundlichen Informationsblätter“ der Geschichte der Mechernicher Gasfabrik gewidmet. Hier ist er mit der ebenfalls von ihm verfassten Chronik der örtlichen Barbarabruderschaft zu sehen. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Ob es der Batterien-Verschleiß war, die Kosten oder nachlassende Leuchtkraft, lässt sich im Nachhinein nicht rekonstruieren. Aber nach dem Eisenbahnbau 1865 wandten sich die Bergwerksbetreiber einer anderen Energie- und Lichtquelle zu, dem Gas. Dazu benötigte man aber wiederum riesige Mengen Kohle und Koks, die in einem speziellen Verfahren zu Gas umgewandelt wurden.

Die Eifelstrecke wurde am 27. Juni 1865, also vor nahezu 160 Jahren, eröffnet, im gleichen Jahr wurde die Lokomotivförderung im südlichen und westlichen Feldesteil der Konzession Meinerzhagener am Bleiberg eingeführt, während der unterirdische Betrieb dieser Grube zugleich schwunghaft zunahm. Man beschloss, Über- und Untertagebereich mit Gas zu beleuchten. „Die Arbeiten sind so weit vorgeschritten, dass man deren Vollendung bis zum 1.Oktober entgegensehen kann“, heißt es in einem Papier.

Aus den Akten des Mechernicher Bergwerks-Actien-Vereins: Lageplan des Gaswerks 1 in der Nachbarschaft des Königspochwerks, Europas einst größter Zerkleinerungsanlage für Erze vor der Einschmelzung. Repro: Anton Könen/Stadtarchiv Mechernich/pp/Agentur ProfiPress
Aus den Akten des Mechernicher Bergwerks-Actien-Vereins: Lageplan des Gaswerks 1 in der Nachbarschaft des Königspochwerks, Europas einst größter Zerkleinerungsanlage für Erze vor der Einschmelzung. Repro: Anton Könen/Stadtarchiv Mechernich/pp/Agentur ProfiPress

Ebenfalls noch 1865 ist in der Zeitung zu lesen: „Bekanntmachung: Der Mechernicher Bergwerks-Aktien-Verein, vertreten durch Generaldirektor F.W. Hupertz zu Mechernich, beabsichtigt, die Anlage einer Gasfabrik auf Grube Meinerzhagener, 110 Fuß von den nächsten Wohngebäuden des Bergwerks-Aktien-Vereins und wenigstens 50 Fuß vom Rande des Tagebaues, auszuführen. Indem ich dieses Vorhaben zur öffentlichen Kenntnis bringe, werden alle diejenigen, welche glauben, gegen diese Anlage Einsprüche machen zu müssen, aufgefordert, solche binnen der gewöhnlichen Frist bei dem Bürgermeister-Amt zu Mechernich, woselbst die Pläne und Beschreibungen zu Jedermanns Einsicht offen liegen, schriftlich oder mündlich vorzubringen…“

400 Flammen machen Nacht zum Tage

Die Bewilligungsurkunde wurde am 29. September von der Königlichen Regierung zu Aachen ausgestellt mit dem Hinweis: „Concessionair ist noch besonders darauf aufmerksam zu machen, dass die Bewilligungsurkunde nicht die polizeiliche Erlaubnis zur Anwendung des Gases für die Beleuchtung der Grube in sich schließe, sondern hierzu die Erlaubniß der Bergbehörde erforderlich sei“.

Das Konzessionsgesuch Nr. 20486 für den Bau des Gaswerks stammt aus dem Jahre 1865. Repro: P.-L. Könen/pp/Agentur ProfiPress
Das Konzessionsgesuch Nr. 20486 für den Bau des Gaswerks stammt aus dem Jahre 1865. Repro: P.-L. Könen/pp/Agentur ProfiPress

Es gab noch einen kleinen Nachtrag zur Erlaubnis: Der Gasometer musste nicht nur 50 sondern 60 Fuß (~19 m) vom nächsten Wohnhaus entfernt aufgestellt werden. 1866 wurde die Gasbeleuchtung angestellt. Auch die Hauptförderstrecken in der Burgfeyer- und in der Tiefbausohle auf 160 und 135 Lachter Länge (333 m/281 m) werden mit Gas erleuchtet. In der ersten Sohle brannten 24 und in letzterer Sohle 14 Flammen.

Das Gas wurde den Flammen bis zu 250 Fuß Teufe (78,5 m Tiefe) zugeführt. „Wird sich die Anlage bewähren, werden die restlichen Strecken ebenso mit Flammen ausgerüstet. Bei vollständiger Vollendung besteht die Anlage aus 400 Flammen“, hieß es.

Blick auf das Gaswerk 2, rechts die Steinfabrik, links im Hintergrund die Ortslage von Mechernich. Die winterliche Aufnahme stammt aus dem Nachlass von Karl Abel und befindet sich im Stadtarchiv des Mechernicher Rathauses. Repro: P.-L. Könen/pp/Agentur ProfiPress
Blick auf das Gaswerk 2, rechts die Steinfabrik, links im Hintergrund die Ortslage von Mechernich. Die winterliche Aufnahme stammt aus dem Nachlass von Karl Abel und befindet sich im Stadtarchiv des Mechernicher Rathauses. Repro: P.-L. Könen/pp/Agentur ProfiPress

Bis 1874 wurde die Mechernicher Gasfabrik mehrfach verbessert. Als man ab 1870 den neuen Tagebau Virginia in Angriff nahm, sollte das Gas über eine kostspielige Rohrleitung auch bis dorthin geleitet werden. Da zu der Zeit Petroleum sehr billig war, hat man vorläufig von der Gasrohrleitung Abstand genommen. Zwei Jahre später wurde auch Virginia mit Gas aus dem Gaswerk versorgt.

Tausend Scheffel Steinkohle

Der Energieverbrauch in den Mechernicher Bergwerksanlagen und im Hüttenbetrieb war enorm. Zur Deckung des Kohlen- und Koksbedarfs wurde jährlich mit verschiedenen Zechen verhandelt. Man orderte das schwarze Gold“ bei den Zechen „Königin Elisabeth“ aus Essen, Zeche „Prosper“ aus Bottrop, Zeche „Präsident“ aus Bochum und Zeche „Höngen“ aus Alsdorf. Pro Tag verbrauchte der Mechernicher Bergwerks-Actien-Verein 1000 Scheffel Steinkohle, nach heutigen Maßen zwischen 17,38 und 310,25 Litern, und 400 Zentner Koks.

Nach einem Sturm im März 1876 drohte der kleine Kamin der Gasfabrik umzustürzen. Um gefährliche Explosionen zu verhüten, wurde die Gasbereitung eingestellt bis der Schaden repariert war. Im September 1885 wurde eine neue Gasfabrik an anderer Stelle im Bergbaugebiet in Betrieb genommen. Das alte Gaswerk wurde abgebrochen. Es lieferte je nach Jahreszeit pro Tag zwischen 1400 und 1800 Kubikmeter Gas. Der Gasometer hatte einen Durchmesser von 12 und eine Höhe von 6 Metern.

Dieser Lageplan zeigt die Standorte der Gasgewinnungsanlagen 1 und 2 am Mechernicher Bleiberg. Sie mussten laut Verfügung der königlich-preußischen Regierung in Aachen wenigstens 60 Fuß (x 18,28 Meter) von den nächsten Wohngebäuden entfernt sein. Repro: P.-L. Könen/pp/Agentur ProfiPress
Dieser Lageplan zeigt die Standorte der Gasgewinnungsanlagen 1 und 2 am Mechernicher Bleiberg. Sie mussten laut Verfügung der königlich-preußischen Regierung in Aachen wenigstens 60 Fuß (x 18,28 Meter) von den nächsten Wohngebäuden entfernt sein. Repro: P.-L. Könen/pp/Agentur ProfiPress

Das neue Gaswerk wurde laut Betreiberbeschluss vom 12. Dezember 1883 in südlicher Richtung, 370 Meter entfernt vom ersten Gaswerk errichtet. Obwohl man zwischenzeitlich in den unterirdischen Abbauen die Gasbeleuchtung durch elektrisches Licht ersetzt hatte, stieg der Anteil der Gasmotoren und Gasöfen im Werk, während der Anteil an Gasbeleuchtung auf zehn Prozent des ursprünglich produzierten Gases sank.

1886 vermeldet der Bergwerks-Actien-Verein: „Die Anlage umfasst einen Flächenraum von 1990 Quadratmeter, die beiden Gasometer haben je 19 Meter Durchmesser und fassen je 2000 Cubikmeter Gas. Das Ganze wird auf eine Gasproduction von täglich 12.000 Cubikmeter eingerichtet, welche genügt, um neben ausgiebiger Beleuchtung der ober- und unterirdischen Räume über 400 Pferdekräfte der jetzt in Betrieb befindlichen Dampfmaschinen durch Gasmotoren zu ersetzen. Zehn derselben mit 220 Pferdekräfte sind bereits in Thätigkeit“.

Neben dem 1851 eröffneten Großtagebau wurde das „Königspochwerk“, ein mit Dampfmaschinen angetriebenes Pochstempelwerk zur Zerkleinerung des Bleierzes mit zunächst 120 Stempeln errichtet, das 1854 um 20 Stempel erweitert wurde und laut einem Bericht von Dietrich Graf Nesselrode 1874 mit 265 Pochstempeln das damals größte Pochwerk der Welt war. Repro: Anton Könen/Stadtarchiv Mechernich/pp/Agentur ProfiPress
Neben dem 1851 eröffneten Großtagebau wurde das „Königspochwerk“, ein mit Dampfmaschinen angetriebenes Pochstempelwerk zur Zerkleinerung des Bleierzes mit zunächst 120 Stempeln errichtet, das 1854 um 20 Stempel erweitert wurde und laut einem Bericht von Dietrich Graf Nesselrode 1874 mit 265 Pochstempeln das damals größte Pochwerk der Welt war. Repro: Anton Könen/Stadtarchiv Mechernich/pp/Agentur ProfiPress

Peter-Lorenz Könen schreibt: „Nach Fertigstellung des Werkes begann man 1885 die unterirdischen Strecken im Schachtfeld Virginia mit Gasbeleuchtung zu versehen. Es brannten daselbst, abgesehen von der elektrischen Beleuchtung der Abbaue, im Ganzen 110 bis 135 Gasflammen.“ Auch zivile Einrichtungen wie das Invaliden- und Waisenhaus „Kreuserstift“ wurden ans Gasnetz angeschlossen. Der Bezugspreis betrug sechs Pfennige pro Kubikmeter Gas.

Gemeinde baut eigenes Gaswerk

Der Bedarf stieg. Eine Erweiterung der Produktionsstätte war unumgänglich. 1890 erging ein Schreiben an den Königlichen Landrat in Schleiden mit dem Gesuch um Erteilung der Konzession zum Betrieb zweier Dampfkessel in der Gasfabrik. Es wurde verfügt, dass die Anlage über 240 bzw. 400 Meter von fremden Grundstücken entfernt stehen müsse. Die Genehmigung wurde 1890 erteilt.

Erst 1908 geriet der Betrieb in eine finanzielle Schieflage. In der Geschäftsleitung überlegte man, eine neue Gewerkschaft zu gründen oder den ganzen Bergbaubetrieb an interessierte Investoren zu verkaufen Im Oktober 1910 wurde die „Gewerkschaft Mechernicher Werke“ (GMW) aus der Taufe gehoben, die das wirtschaftliche Ruder aber nicht mehr herumreißen konnte.

1911 wurde die Magdalenen-Schmelzhütte geschlossen. Die von der Gewerkschaft Mechernicher Werke betriebene Gasfabrik, von der die Gemeinde Mechernich bis zum 15. Oktober 1913 Gas bezog, wurde wegen Unrentabilität eingestellt. 1912 beschloss der Gemeinderat die Errichtung einer eigenen Gasfabrik. Der Bau, einen Kilometer vom bisherigen Gaswerk 2 entfernt, wurde Mitte Dezember in Angriff genommen. Die Fabrik sollte Anfang Mai 1913 in Betrieb gehen.

Im alten Gaswerk wurde 1915 eine Gesenkschlagschmiede eingerichtet. Sie wurde 1927 stillgelegt. Könen: „Danach wurde das Gebäude zerlegt.“

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