„Wow, was für ein Text!“
Lit.Eifel-Schreibworkshop für Menschen mit Handicap hatte begeisterte Teilnehmer – Mitarbeiter des „New Job“-Fachdienstes lobten den Kurs mit der Münstereifeler Journalistin Claudia Hoffmann
Mechernich – „Normalerweise fällt es mir nicht leicht zu sprechen, wenn viele Menschen um mich herum sind. Aber jetzt sitze ich hier, lese Ihnen den Anfang meiner Geschichte vor und Sie sagen: „Wow, was für ein Text!“ Vielleicht kann ja auch ich etwas. Vielleicht muss ich nur ein wenig selbstbewusster sein. Vielleicht kann ich ja wirklich schreiben?“, strahlte Denise Körber am Dienstagmittag, als sich die Lit.Eifel-Schreibwerkstatt im Seminarraum der Stadtbücherei Mechernich mit einem kleinen gemeinsamen Fazit ihrem Ende zuneigte.
Zwei Vormittage lang hatten sich die sieben Beschäftigten der Nordeifel-Werkstätten-Tochterfirma „New Job“ unter der Leitung der Bad Münstereifeler Journalistin Claudia Hoffmann sehr intensiv mit dem Thema „Schreiben“ auseinandergesetzt. Sie alle verband die Liebe zum Lesen und der Wunsch, ihre Gedanken und Ideen in Worte zu fassen, möglicherweise sogar eines Tages ein Buch zu schreiben.
Doch wie gelingt es, das geradezu Unwahrscheinliche zu schaffen, nämlich sich durchzusetzen inmitten von Millionen gedruckter Wörter und der Milliarden, die täglich gemailt, gebloggt, gesimst und getwittert werden? Denn gelesen zu werden, günstigstenfalls sogar bis zum Ende, ist in Zeiten schnelllebiger Informationsaufnahme schon längst nicht mehr selbstverständlich.
„Einfach drauflos schreiben macht da wenig Sinn“, riet Hoffmann. Zumal auch den Großen der Weltliteratur die Zeilen nicht mal eben so mühelos aus der Feder geflossen seien. Denn ob nun Goethe, Heine oder Brecht: Sie haben gefeilt an ihren Werken und sie haben gezeigt, was ein guter Satz ist. Und das hat sich in tausend Jahren nicht geändert. Das gilt für den Roman und den Blog, den Zeitungsartikel und den Werbetext, lernten die Teilnehmer im ersten Seminarabschnitt und wurden dort zunächst mit den Merkmalen und der Analyse verschiedener Textsorten vertraut gemacht.
Der „Sog“ muss früh einsetzen, denn im Durchschnitt ist das Maß des Gelangweiltseins eines Lesers nach spätestens 20 Sekunden voll, haben Studien gezeigt. „Wer einen ersten Eindruck machen will, bekommt keine zweite Chance“ („You never get a second chance to make a first impression“), heißt ein Schlagwort unter Berufsschreibern in den USA. Es braucht also für einen jeden Text einen kraftvollen ersten Satz. Den zu suchen und möglichst viele Assoziationen zum Thema „Traum“ zu notieren und miteinander in Beziehung zu setzen – das war die Aufgabe, die die Teilnehmer über das Wochenende mit nach Hause nahmen.
Was innerhalb der kommenden drei Tage in den privaten Schreibstuben geschah, übertraf am nächsten Seminartag die Erwartungen aller Anwesenden – der beiden „New-Job“-Arbeitsbegleiter Tanja Adolf und Thorsten Baur inklusive. Die Teilnehmer sprudelten nur so vor Kreativität. „Ich bin sogar nachts aufgestanden, um meine Gedanken aufzuschreiben“, erzählte Brigitta Christmann.
Traummann, Traumreise, zerbrochene Träume und Träume, die vielleicht besser niemals wahr geworden wären, das waren die Themen der zum Teil sehr bewegenden Essays und Geschichten. Michael Thomas Bauer bestach mit einem sehr ausgefeilten Entwurf.
Über viele Stunden entwickelte sich ein überaus lebendiger Dialog zwischen den Teilnehmern, die am Ende des Seminars Email-Adressen austauschten, um an der Entwicklung der Texte ihrer Kollegen weiter teilzuhaben.
„Jetzt habe ich das Gefühl, beim Schreiben nicht mehr so allein zu sein“, freute sich Bauer. Bernhard Schmalenbach will seine philosophischen Blogbeiträge künftig noch „viel stärker überarbeiten, strukturieren und nicht mehr so undurchsichtig sein“. Der Anspruch an seine Texte ist gewachsen. „Es war rund, knackig und inspirierend. Und das mit einer ungeheuren Bandbreite“, waren die New Job-Arbeitsbegleiter von der zweitägigen Lit.Eifel-Veranstaltung begeistert und hoffen ebenso wie die Teilnehmer, dass die Schreibwerkstatt im kommenden Jahr eine Fortsetzung finden wird.
„Es war für mich eine spannende Zeit, selbst zu schreiben und ich möchte versuchen, weiter dranbleiben“, ist das feste Ziel der 26-jährigen Bibliotheks-Praktikantin Sylvia Schneider, die mit Hilfe ihrer langjährigen Tagebuchaufzeichnungen irgendwann ein Buch schreiben will. „Ein Buch, das Mut machen soll. Ein Buch, das Menschen mit und ohne körperlichen Einschränkungen zeigen soll, dass man niemals aufgeben darf. Auch wenn es Momente gegeben hat, die einen komplett aus der Bahn geworfen haben und das Leben die Karten nicht immer gut gemischt hat.“
„New Job“ ist ein Fachdienst im Kreis Euskirchen für die Beratung, Begleitung und Vermittlung von Menschen mit einer Behinderung auf den Arbeitsmarkt. Die New-Job Mitarbeiter bieten individuelles Job-Coaching an und bereiten die Beschäftigten der Nordeifel-Werkstätten durch Training und Kurse auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vor.
pp/Agentur ProfiPress