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“Sind Sie echt oder von hier?”

“Sind Sie echt oder von hier?”
Clara Fey begegnet den Besuchern – Die Aachenerin Liesel Retetzki verkörpert die berühmte Ordensschwester im LVR-Freilichtmuseum Kommern – In der Baugruppe Eifel tritt sie auf
Mechernich/Kommern – Die “Gespielte Geschichte” im LVR-Freilichtmuseum Kommern, mit der den Besuchern frühere Lebensverhältnisse in der “Ersten Person” nahe gebracht werden, ist um eine historische Person reicher: Seit April können die Museumsgäste der berühmten Schulordensschwester Clara Fey begegnen.

Clara Fey, die als Tochter eines Aachener Tuchfabrikanten am 14. April 1815 geboren wurde, lernte bereits als Jugendliche die miserablen Lebensumstände der Kinder armer Eltern in der Nordeifel kennen. Während die Eltern gezwungen waren, sich in Zeiten der Industrialisierung Arbeit in der Stadt zu suchen, blieben die Kinder in den Dörfern oftmals sich selbst überlassen. Genau hier setzte Clara Fey an: 1837 gründete sie mit eigenen Mitteln eine Betreuungseinrichtung, in der arme Kinder betreut und unterrichtet wurden. Sieben Jahre später, 1844, konstituierte sie die Ordensgemeinschaft der “Schwestern vom armen Kinde Jesus”. Die Glaubenskongegration, deren Schwestern heute weltweit in Kindergärten und
–heimen oder Schulen arbeiten, hat sich den Dienst an hilfsbedürftigen Kindern und Jugendlichen auf die Fahnen geschrieben.
Wie stark sich der Orden der Gründerin verpflichtet fühlt, zeigte sich jetzt bei der offiziellen Präsentation von Liesel Retetzki alias Clara Fey. Eine fast 20-köpfige Delegation von Ordensschwestern war extra aus Aachen und aus dem niederländischen Simpelveld, wo das Mutterhaus des Ordens steht, angereist. Darunter waren auch die stellvertretende Generaloberin Schwester Angelika und die Oberin der europäischen Provinz, Schwester Antonia. Liesel Retetzki wiederum ist im LVR-Freilichtmuseum längst keine Unbekannte mehr: Die gelernte Grundschullehrerin, die zurzeit in Aachen ausländische Analphabeten unterrichtet, engagiert sich bereits seit langem im Förderverein des Museums. Auf der Museumsveranstaltung “Nach der Ernte” war sie bereits als Ziegenhüterin aufgetreten. Die Idee, jetzt Clara Fey darzustellen, kam ihr zusammen mit Dr. Michael H. Faber, dem stellvertretenden Leiter des LVR-Freilichtmuseums. “Wir haben einen Bezug zu Clara Fey durch unsere Ausstellung “WirRheinländer‘”, sagt Faber.
Als Liesel Retetzki bei den “Schwestern vom armen Kinde Jesus” mit ihrer Idee vorsprach, rannte sie dort offene Türen ein. Die Schwestern halfen nicht nur bei der Vorbereitung auf die Rolle, sondern stellten auch diverse Utensilien. “Der Orden hat mir ein Originalmedaillon, einen Originalrosenkranz und die Kordel mit den Gelübdeknoten zur Verfügung gestellt”, sagt Liesel Retetzki. Die damalige Tracht, ein schwarzer Habit mit dem darüber liegenden weißen Skapulier, hat allerdings die Museumsschneiderin angefertigt – der Orden trägt heute eine wesentlich bequemere Tracht.
“Sind sie echt oder von hier?”, war die meistgestellte Frage an Liesel Retetzki an ihrem ersten Arbeitstag. Schön sei, dass vor allem Kinder keine Berührungsängste hätten. “Die kommen auf einen zu und fragen: Was machst du?” Ihren Trick, Kinder in “ihre” Geschichte hineinzuziehen, verriet Liesel Retetzki auch: “Ich sage ihnen, dass sie schöne Schuhe hätten und dass es die in meiner Zeit nicht gegeben hätte. Da sieht man richtig, wie sie neugierig werden.” Dann könne sie die im Freilichtbereich gezeigten bäuerlichen Lebensverhältnisse mit denen der Arbeiterschaft in der Zeit der Industrialisierung vergleichen. Im Gegensatz zu “Living History” andernorts sieht das von Faber entwickelte Konzept der “Gespielten Geschichte” den Wechsel zwischen Auftritten in der Ersten und der Dritten Person vor. Das Rollenspiel müsse nicht auf Biegen und Brechen in der Ich-Form umgesetzt werden, so Faber. “Man kann die Rolle auch verlassen, etwa um größere geschichtliche Zusammenhänge zu erklären. In allererster Linie soll ein Gespräch stattfinden.” Ganz bewusst allerdings sei Liesel Retetzki in der Baugruppe Eifel im Museum anzutreffen. Schließlich begann das Wirken der echten Clara Fey in eben dieser Landschaft.
Ihre Aufgabe nimmt Liesel Retetzki ernst. “Um 12 Uhr läute ich auch die Glocke in der kleinen Kapelle”, sagt die 52jährige. Und Marienlieder singe sie dann auch. Anfangs wackelte die Intonation noch etwas. “Ein alter Herr beschied mir streng ‚Das müssen Sie aber noch üben! ‘” Mittlerweile aber kämen Leute vorbei, die sich erst wundern – und dann ins Singen mit einfallen würden.
Wenn Clara Fey im Museum auftritt, ist im Online-Terminkalender des Museum nachzulesen unter
www.kommern.lvr.de.

Manfred Lang

11.04.2011