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Sankt Martin sommerlich

Sankt Martin sommerlich
1500 Teilnehmer beim historischen Martinszug durch das LVR-Freilichtmuseum Kommern – Winterbrauch in “lauer Sommernacht”: Menschen labten sich unter freiem Himmel an Punsch, Suppe und Kakao
Mechernich-Kommern – Es war wie Sankt Martin im Sommer. Bei lauen Lüften, in angenehmer Dämmerung und später bei Mondlicht zogen Sonntag spätnachmittags 1500 Kinder und Erwachsene mit und ohne Fackeln hinter dem Wallach “Nelson” durchs LVR-Freilichtmuseum Kommern.
Auf dem stämmigen Kaltblut-Fuchs hatte einmal mehr Museumslandwirt Karl-Heinz Hucklenbroich als römischer Reitersoldat Martin Platz genommen, um den Historischen Fackelzug durch die Museumsbaugruppen Westerwald, Eifel und Niederrhein anzuführen.
Das vom Landschaftsverband Rheinland betriebene wahrscheinlich schönste Museum der Republik inszenierte erstmals im Jahre 2002 einen derartigen Martinszug.
Damals nahmen 260 Kinder und Erwachsene teil. Rasch stieg die Zahl auf über 1000, 2007 waren es dann genau 2060 Menschen, die sich hinter Museumslandwirt Karl-Heinz Hucklenbroich in der Rolle des Martin von Tours mit Mond- Knollen- und Pechfackeln sowie allen anderen denkbaren phantasievoll selbst gebastelten Leuchten durchs abenddunkle Museum auf den Weg machten. 2008 sprengten dann 3500 Zugteilnehmer alles logistisch Beherrschbare. Seither wirbt Dr. Michael H. Faber, der das Veranstaltungsprogramm des LVR-Freilichtmuseums Kommern managt, so dezent, dass sich jeweils um die 1500 Teilnehmer einfinden.
900 “Kloosmänn” aus Hefeteig waren gebacken worden, 500 waren vorbestellt. Bei einem Workshop zum Herstellen handgeschnitzter Rübenfackeln waren bereits am Freitag sensationelle 90 Teilnehmer gezählt worden.
Die Mechernicher Bergkapelle, Musikvereine aus Urft, Keldenich und Eschweiler über Feld sowie die historischen Feuerwehren Mechernich-Obergartzem und Schleiden-Bronsfeld unterstützten die Museumsmannschaft bei der Begleitung und Abwicklung des historischen Martinszuges, der wieder mit der sagenhaften Mantelteilung am Martinsfeuer seinen Höhepunkt fand.
Das Ende freilich fand im Pingsdorfer Tanzsaal statt, wo Sankt Martin alias Karl-Heinz Hucklenbroich die Weckmänner verteilte. Dort konnten die Menschenmassen sich auch mit Kinderpunsch, Kakao, Erbsensuppe und Glühwein bewirten lassen. Es war so mild, dass selbst die Tische vor dem Tanzsaal dicht mit Menschen besetzt waren.
Eigentlich ist der “Elfte im Elften” der eigentliche Festtag des Heiligen Martin. Am 11. November des Jahres 401 wurde Bischof Martin von Tours nämlich zu Grabe getragen. Der Ehrentag des ersten Schutzheiligen im Frankenreich feierte man besonders im Rheinland, speziell im Köln-Trierer Raum auf ganz eigene Art und Weise.
“Am Martinstag endete nämlich das Feldjahr”, so der Volkskundler Dr. Michael Faber: “Man ließ es sich gut gehen und kostete ausgiebig von dem, womit man Scheune und Keller während der Ernte gefüllt hatte.”
Vorbild war die Wohltätigkeit Martins, der als römischer Reitersoldat nach einem nächtlichen Gelage vor den Toren der Stadt Amiens mit einem Bettler seinen Mantel geteilt hatte, den er für Jesus Christus hielt. So wurde Martin Christ, später Bischof von Tours, und Vorbild für die christliche Nächstenliebe schlechthin. Getreu dem Wort des Evangeliums, in dem Christus verheißt: “Was Ihr einem der geringsten meiner Brüder getan habt, das habt Ihr mir getan!”
Kinder unternahmen deshalb am Martinsabend schon früh so genannte “Heischegänge”, um, von Tür zu Tür “köttend” (bettelnd), die ungewohnte Freigebigkeit ihrer Zeitgenossen gebührend auszunutzen. Aus den Martinsgelagen hat sich das Wecken-Verteilen erhalten, so Faber. Die Heischegänge sind im Lauf der Jahrhunderte zu den besonders im Rheinland stark verbreiteten Martinszügen geworden.
So alt der Martinsbrauch im Rheinland und in der Eifel auch ist, seine heutige Form mit Martinszug, Martinsfeuer und Martinsweck erhielt das Fest erst nach dem Ersten Weltkrieg. 1920 zog in Euskirchen erstmals ein Fackelzug vor die Tore der Stadt, wo ein Martinsfeuer abgebrannt wurde.
Bevor sich die Klimaerwärmung auch hierzulande bemerkbar machte, musste man in der Eifel nach dem Martinsfest mit Schnee rechnen. Dr. Faber zitiert dazu Sprichwörter: “St. Martin kommt auf einem Schimmel geritten”. Und: “No Martin spaass de Wöngte nett!”

Manfred Lang

10.11.2011