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Nicht nur ein Hobby für Jungs

Die Gemeindefeuerwehr in Kall wirbt um mehr weibliche Einsatzkräfte – Kerstin Brandhoff und Julia Lang aus Wahlen berichten über ihre Erfahrungen als Feuerwehrfrau

Kall – Die erste Person, die Kerstin Brandhoff „gerettet“ hat, war ihre fünf Jahre jüngere Schwester. „Ich habe ihr ein Seil um den Bauch gebunden und sie dann vom Hochbett abgeseilt“, erzählt sie lachend. Während dieses kindlichen Spiels trug sie die Jugendfeuerwehruniform ihres knapp anderthalb Jahre älteren Bruders.

Das ist mittlerweile rund 25 Jahre her. Heute weiß Kerstin Brandhoff, dass ein um den Bauch geknotetes Seil alles andere als eine ordentliche Methode ist, um jemanden abzuseilen. Denn seit 20 Jahren ist Kerstin Brandhoff Mitglied der Feuerwehr in ihrem Heimatort Wahlen. Mit Julia Lang und Katharina Leisen gehören noch zwei weitere Frauen zum Kreis der 28 aktiven Löschgruppenmitglieder.

Julia Lang (l.) und Kerstin Brandhoff sind mit Leib und Seele Feuerwehrfrauen und verstärken die Löschgruppe Wahlen. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Kerstin Brandhoffs Ansinnen als Kind ähnelt dem Ausruf des Drachen Grisu, der immer verkündete, dass er Feuerwehrmann werde. Doch wie für ein Feuer speiendes Fabelwesen war die Feuerwehr Mitte der 90er-Jahre in Kall für ein junges Mädchen unerreichbar. Im Gegensatz zu Heute durften nur Jungs in die Jugendfeuerwehr eintreten. Erst 1999 wurde das per Beschluss des Gemeinderates geändert. Die dann 15-jährige Kerstin Brandhoff trat sofort der Jugendfeuerwehr bei. Die Ironie dabei: Heute ist die Frau aus Wahlen, die vor 25 Jahren noch nicht einmal Mitglied der Jugendfeuerwehr werden durfte, als Kreisjugendfeuerwehrwartin Vorsitzende der Jugendfeuerwehr im gesamten Kreis Euskirchen.

Der 23-jährigen Julia Lang wurden die Feuerwehrgene mit in die Wiege gelegt. „Bei mir war die ganze Familie in der Feuerwehr: Vater, Onkels, Opa“, zählt sie auf. Direkt mit zehn Jahren trat sie der Jugendfeuerwehr Wahlen bei. Mittlerweile ist die Feuerwehr für sie mehr als nur ein Hobby, sondern Beruf: Sie gehört zu den hauptamtlichen Kräften in Erftstadt.

Wenn es nach Bürgermeister Hermann-Josef Esser und Wehrleiter Harald Heinen geht, soll sich die Zahl der Feuerwehrfrauen in Kall deutlich erhöhen. Derzeit sind unter den 100 Aktiven in Kall nur fünf weiblich. Von den 27 Mitgliedern der Jugendfeuerwehr sind neun Mädchen oder junge Frauen. „Ich freue mich sehr darüber, dass besonders junge Frauen den Weg in die Feuerwehr finden. Der hohe Mädchenanteil in der Jugendfeuerwehr zeigt, dass es auch technikbegeisterte junge Damen gibt“, sagt Harald Heinen und findet: „Frauen in der Feuerwehr sind eine Bereicherung.“

„Den ersten Schritt einfach machen“

Mit Vorurteilen, die auch gerne als Ausreden genutzt werden, räumen Kerstin Brandhoff und Julia Lang sofort auf. So wird oft vorgeschoben, dass es in den Gerätehäusern keinen getrennten Umkleidebereich für Männer und Frauen gibt. Die beiden Feuerwehrfrauen haben damit aber überhaupt kein Problem. „Vor einem Einsatz hat man keine Zeit, den anderen beim Umziehen zuzuschauen“, sagt Julia Lang. Harald Heinen stimmt dem zu.

Wenn Kerstin Brandhoff und Julia Lang im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis Werbung für die Berufung machen, werden sie mit Angst vor „blöden Sprüchen“ und Abschreckung konfrontiert. „Dabei sollte man den ersten Schritt einfach machen“, ist sich Kerstin Brandhoff sicher. Denn beide Frauen schätzen den Zusammenhalt unter den Kameraden, egal ob männlich oder weiblich. „Bei der Feuerwehr erledigt man Aufgaben, die nur im Team schaffbar sind“, erzählt sie. Man müsse auch kein Muskelprotz sein, um in der Feuerwehr zu bestehen. „Jeder bringt etwas mit, das er einsetzen kann“, sagt Brandhoff.

Im Falle von Kerstin Brandhoff, die hauptberuflich beim Deutschen Roten Kreuz im Kreis Euskirchen tätig ist, ist das neben ihrer Affinität zur Jugendfeuerwehr besonders ihre Ausbildung zur Notfallsanitäterin. „Diese Rettungsdienst-Kenntnisse sind für die Feuerwehr bestimmt ein Mehrwert“, sagt sie. Sie weiß aber auch, dass sie bei einem Feuer nicht an vorderster Front im Einsatz sein wird – im Gegensatz zu Julia Lang, die besonders die Abwechslung im Feuerwehralltag liebt. „Monoton ist es auf jeden Fall nicht“, sagt sie.

An ihren ersten Einsatz erinnern sie sich beide noch sehr gut – und an die dabei verspürte Nervosität. Dabei war es bei Kerstin Brandhoff nur eine unterspülte Böschung. Geröll und Dreck waren auf eine Straße geraten und mussten weggekehrt werden. Bei Julia Lang war es immerhin ein echtes Feuer: Sie musste zu einem Heckenbrand.

„Mitglied bei der Feuerwehr zu sein ist kein alltägliches Hobby – und definitiv nicht nur etwas für Jungs“, sagt sie und ergänzt: „Jeder kann Spaß an der Feuerwehr haben.“ Die Frauen wollen auch keine Extrawürste. Gleiche Behandlung, gleiche Arbeit, keine Rücksicht – so lautet ihr Credo. Dafür, da sind sich die beiden sicher, bringen sie mehr Kreativität mit und setzen auf mehr Kooperation. Auch sie würden es begrüßen, wenn es bald noch mehr Frauen in der Kaller Feuerwehr gibt. Schließlich trägt das auch zum Wohl der Allgemeinheit bei, wenn die Wehr schlagkräftiger wird. Besonders tagsüber ist es für viele Löschgruppen ein Problem, weil zu wenige Kräfte verfügbar sind. Da kommt jedes neue Mitglied recht – egal ob männlich oder weiblich.

pp/Agentur ProfiPress