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Kessenicher Eisdiele ist museumsreif

Kessenicher Eisdiele ist museumsreif
Das Bonner Traditionsgeschäft der beiden Gelatieri Laura und Carlo Dall’Asta wird jetzt im LVR-Freilichtmuseum Kommern zu neuem Leben auf dem “Marktplatz Rheinland” erweckt – Alles muss mit: Vom Eisschaber bis zur Kunststoffjalousie
Kommern/Bonn. Noch einmal hat Carlo Dall’Asta seinen Gastro-Kaffeeautomaten angeworfen, der aber nicht so richtig funktionieren will. Also wird die Verblendung geöffnet und ein wenig gegen das Innenleben geklopft. Und siehe da, auf einmal zischt es, und heißer Espresso schäumt in die erste Tasse. Doch nicht für die Stammkundschaft seiner Eisdiele in der Burbacher Straße 173 in Bonn-Kessenich hat Dall’Asta seine alte Wega-Maschine wieder flott gemacht, sondern für einen Tross von Journalisten, die alles ablichten, was ihnen vor die Linse kommt. “Wenn es früher doch auch einmal so voll bei uns gewesen wäre”, lacht seine Frau Laura, die mit dem Schnippeln einer Salami beschäftigt ist, um den Gästen etwas anbieten zu können.
Denn die Bottiche, aus denen früher 17 verschiedene Sorten Eis verkauft wurden, sind alle leer, in der Eisküche ist es still, die Eismaschinen schweigen. Geblieben sind auf einer bunten Tafel nur die Namen der Eisspezialitäten von einst: Rio Negro Becher, Coppa Croccante, Spaghetti Eis und Bananen Split. Doch verkauft wird hier seit Oktober nichts mehr, denn die Eisdiele ist längst museumsreif.
Aus diesem Grund sind an diesem Morgen nicht nur Journalisten vor Ort, sondern auch Dr. Josef Mangold, der Leiter des LVR-Freilichtmuseums Kommern, sowie sein Stellvertreter Dr. Michael H. Faber.
“Wir sind stolz und froh darüber, dieses kleine Stückchen Kessenich erhalten zu können und es ins LVR-Freilichtmuseum in Kommern integrieren zu dürfen”, erklärt Mangold. Denn die Eisdiele verkörpere ein Stückchen Zeitgeschichte, das hervorragend in die neue Baugruppe “Marktplatz Rheinland” des Freilichtmuseums passe. Die komplette Einrichtung vom Eisschaber bis zum Eisbecher, von den Küchengeräten bis zur Toilettentür, von der Wandverkleidung über die gelben Kunststoffjalousien bis hin zu den Tischen und Stühlen werde daher nach Kommern verbracht. Mehr noch: Auch das Äußere der Einrichtung, die große bunte Eistüten-Reklame, das Schaufenster und die Eingangstür werden in Kommern wieder zu neuem Leben erweckt. Sogar die Fliesen, die den Außenbereich schmücken, sollen nachgebrannt werden.
“In unserer neuen Baugruppe zeigen wir den Übergang vom ländlichen in den kleinstädtischen Bereich”, berichtet Mangold, also die Zeit zwischen 1945 und 1980. Da passe die Eisdiele mit ihrer für die 1960er Jahre typischen Einrichtung wunderbar hinein.
Fast muss man Laura und Carlo Dall’Asta dann ein wenig zwingen, sich mit an den Tisch zu setzen und ein wenig aus ihrem Leben zu erzählen. Zu sehr haben sie die Rolle der Bedienenden verinnerlicht. Erst als Museumsleiter Mangold sich anbietet, hinter dem Tresen Kaffee zu “zapfen” setzen sie sich. Seit 1967, so erfährt man, gibt es die kleine Eisdiele in Kessenich schon. Laura, die Seele des Cafés, stammt aus einer der typischen Familien aus den “Tälern der Eismacher” hoch oben im kargen und bitterarmen Norden Venetiens, genauer aus dem Val di Cadore. Dort hatten sich genau wie im Val di Zoldo arme Bauern Mitte des 19. Jahrhunderts das Eismachen selbst angeeignet, um sich für eine bessere berufliche Zukunft zu wappnen.
1967 wurde die Eisdiele eröffnet
Doch was in Deutschland noch immer gern als Eismacherromantik verkauft wird, war in Wirklichkeit ein harter Broterwerb, der vor allem die Familien stark belastete. Denn Eis war und ist ein Saisongeschäft und trennt oft monatelang Eltern von ihren Kindern. Laura Dall’Astas Vater beispielsweise ließ sich 14 Jahre lang nicht bei seiner Tochter sehen. “Weil ich nur ein Mädchen war”, sagt sie leise lächelnd, “wenn ich ein Junge gewesen wäre, dann wäre er natürlich früher nach Hause gekommen.” Dennoch hat sie 1967 gemeinsam mit ihrem Vater und ihrer Schwester sowie deren Mann die Kessenicher Eisdiele eröffnet. Ihr Mann Carlo stieß erst 1978 dazu. “Ich wollte erst einmal warten bis alles läuft”, scherzt er. Eigentlich aber habe er in Deutschland einen ganz anderen Beruf ergreifen wollen. Aber dann sei sein Schwager schwer krank geworden. “Also bin ich ins Eisgeschäft eingestiegen”, sagt der gelernte Schreiner und lässt durchblicken, dass das nie sein Traumberuf war.
19 verschiedene Eisbecher, so berichtet Dall’Asta, habe es in der Blütezeit der Eisdiele gegeben. Ende der 60er Jahre habe eine Eiskugel zehn Pfennig gekostet, heute seien es 70 Cent. “Als die Bundesregierung dann nach Berlin zog fing unser Niedergang an”, erinnert er sich. Denn nicht nur die Politiker, auch der ganze Verwaltungsapparat vom Handwerker bis zum Fahrer sei aus Bonn abgezogen. Der Eisladen war viele Jahre für die Kessenicher auch eine Informationsbörse. Hier erhielt man die neusten Nachrichten. “Die wurden früher aber noch hinter blickdichten Gardinen ausgetauscht”, erinnert sich der Eismacher. Die Transparenz, wie man sie seit den 90er Jahren in Eiscafés erlebe, habe es früher nicht gegeben. “Da wollte nämlich nicht jeder beim Eisessen gesehen werden”, so Dall’Asta.
Dass die Eisdiele jetzt der Nachwelt erhalten bleibt, ist eher einem Zufall zu verdanken. Dr. Michael Faber, der zuvor schon ein Auge auf die Einrichtung geworfen hatte, hörte von Freunden davon, dass die Dall’Astas den Laden geschlossen hätten und zurück nach Italien gezogen seien, um dort ihren Ruhestand zu verleben. Er stellte darauf sofort den Kontakt her und bekundete das Interesse des Museums am Innenleben des Cafés. “Ich selbst habe früher in Poppelsdorf und in der Bonner Südstadt gewohnt und hier als Jugendlicher oft ein Eis gegessen”, erinnerte sich Faber. Schon damals sei ihm Laura Dall’Asta als besonders liebevolle Dame aufgefallen. Der Volkskundler hat sich sehr intensiv mit der Geschichte der Mosaik- und Terrazzoleger aber auch der Gelatieri befasst und über ihre Auswanderungsgeschichte geforscht und geschrieben. Er konnte den Journalisten daher auch erklären, woher eigentlich der Name “Eisdiele” stammt. Früher hätten die Eismacher ihr Produkt nämlich häufig aus dem Küchenfenster heraus an die Passanten verkauft. Damit diese aber ans Fenster heranreichten wurden “Dielen” davor gelegt, so ging man schließlich eines Tages zur “Eisdiele”.
“Selbstverständlich wird im Freilichtmuseum nicht nur die Eisdiele ausgestellt, sondern Laura und Carlo Dall’Asta werden auch zu ihrem Leben interviewt und man wird zahlreiche Hintergründe erfahren”, so Mangold. Vielleicht werde es sogar möglich sein, das Handwerk des Eismachens vor Ort zu zeigen und auch Eis für die Besucher anzubieten.
Bei einem Bummel über die Burbacher Straße gerieten Mangold und Faber bereits vor dem Pressetermin ins Schwärmen. “Eigentlich müsste man diese ganze Häuserzeile ins Museum schaffen”, meinte Mangold und verwies auf die vielen kleinen Läden aus den 60er Jahren, die hier noch immer existieren. Schräg gegenüber der Eisdiele, wo heute ein Mehrfamilienhaus steht, stand übrigens einst ein Fachwerkhaus aus dem 16. Jahrhundert. 1958 wurde es in Einzelteile zerlegt und abtransportiert. Wohin? Richtig, ins LVR-Freilichtmuseum Kommern.
Winteröffnungszeit des LVR-Freilichtmuseums Kommern:
täglich 10–16 Uhr (24. u. 31.12.: 10-14 Uhr; 25.12. u. 1.1.: 11-16 Uhr).
Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre haben freien Eintritt.
Museumsprogramm unter
www.kommern.lvr.de

Manfred Lang

30.11.2010