Kämmerer an Goldzug interessiert
Dr. Michael Stöhr stellt sein Audioprojekt „Der Goldzug von Waldenburg in Mechernich“ der Öffentlichkeit vor – Fiktion und Wahrheit zu einer phantastischen Geschichte kombiniert – Dezernent Ralf Claßen lobt „Tausendsassa“, Vize-Bürgermeister Kramp findet den Pfarrer „gesellschaftlich und kulturpolitisch unentbehrlich“ – Landespfarrer Andrew Schäfer reklamiert scherzhaft 15 Millionen Finderlohn für die EKD
Mechernich – Der legendäre verschwundene Goldzug von Waldenburg mit Beutekunst und Raubgold der Nazis soll im Mechernicher Besucherbergwerk Grube Günnersdorf wieder aufgetaucht sein. Zwar nicht wirklich, aber so wirklichkeitsnah von Pfarrer Dr. Michael Stöhr auf YouTube als literarisches „Audioprojekt“ (Hörbuch) in Szene gesetzt, dass drei Dutzend Neugierige zur Vorstellung seiner „Mockumetary“ ins Museum kamen.
Darunter Vize-Bürgermeister Egbert Kramp und Stadtverwaltungsdezernent Ralf Claßen, der in seiner Eigenschaft als Kämmerer scherzhaft großes Interesse an dem Goldzug und seiner mindestens 15 Milliarden Euro wertvollen Ladung bekundete. Landespfarrer Andrew Schäfer von der Evangelischen Kirche im Rheinland, der zur Pressekonferenz und anschließenden Hörbuchpräsentation extra einen Spaten zum Ausgraben mitgebracht hatte, pochte ebenso zum Scherz auf dem gesetzlichen Finderlohn.
„Ich bin ein Pfarrer, der gerne erzählt und schreibt“, sagte Michael Stöhr, der unter anderem Seelsorger, promovierter evangelischer Theologe und Klinikpfarrer im Kreiskrankenhaus Mechernich ist, im Interview mit der Rheinischen Redaktionsgemeinschaft. Besonders interessiere ihn dabei der Spagat zwischen Glaubwürdigkeit und Fiktion: „Dem Thema Fake News liegt ja fast schon eine philosophische Fragestellung zugrunde“, sagte er dem Redakteur Thorsten Wirtz: „Was ist wahr – und was könnte alles möglich sein?“
Gleisanlagen existierten bis 1957
Wahr ist an seiner romanhaften Erzählung eine ganze Menge, das Stöhr allerdings mit künstlerischer Freiheit so miteinander kombiniert und ineinander verschachtelt hat, dass der legendäre Goldzug „op Spandau“ gelandet sein könnte, sogar die Gleisverbindung vom Bahnhof aufs Bergwerksgelände mit eigener Werkseisenbahn existierte bis 1957 in der Realität.
Tatsächlich gehört der „Goldzug von Waldenburg“ dennoch als Ganzes ins Reich der Legenden und Verschwörungstheorien und wurde auch im riesigen unterirdischen System seines angeblichen Ursprungsortes in Niederschlesien nie entdeckt. Vermutlich deshalb, weil es ihn nicht gibt – wie das angeblich wiederaufgefundene Bernsteinzimmer aus dem Petersburger Zarenpalast, die angeblich im Studio gedrehte erste Mondlandung oder die nachweislich gefälschten Hitlertagebücher, so Andrew Schäfer, der auch Referent für Weltanschauungsfragen und Sektenbeauftragter seiner Landeskirche ist.
Der mit dem 428-Seiten-Werk „Hiobs Trost“, einem ungewöhnlich gut lesbaren theologischen Buch, 2017 promovierte Dr. Michael Stöhr präsentierte mit seinem „Audio-Projekt“ Bilder, Gegenstände und Textfragmente rund um den Waldenburg-Zug. Dabei vermischte er geschickt Dichtung und Wahrheit zu einem für den Zuhörer nicht immer leicht zu entwirrenden Konglomerat.
Jeder Besucher des Vorstellungstermins im Bergbaumuseum, dessen Leiter Günter Nießen alle begrüße, bekam ein kostenloses „Handout“ zum Mitnehmen und „Nacharbeiten“ mit nach Hause und konnte Zeuge einer Premieren-Liveschaltung ins Internet werden. Im Anschluss an die Präsentation bestand die Gelegenheit zum Gespräch mit dem Autor, der für sein Hörbuch das Pseudonym Michel van den Berg benutzt.
Vater Franz-Hubert wuchs in Waldenburg auf
Die Idee, dass ein unter Tage versteckter Goldzug am Bleiberg plötzlich wieder auftauchen könnte, kam Dr. Franz Michael Stöhr, so sein vollständiger Name, während der Flutkatastrophe im Sommer 2021, als sich im Bergschadensgebiet um Mechernich Löcher in die „Unterwelt“ auftaten. Seine Phantasie publizierte der Autor dann erstmals am 1. April 2022 mit Hilfe der Agentur „ProfiPress“ als Scherz in den Medien.
„Es gab mehrere Aspekte, darunter auch Teile meiner eigenen Familiengeschichte, die ich in diesem Text miteinander verknüpft habe“, erzählte Stöhr: „Mein Großvater Franz war Polizist in Waldenburg, mein Vater Franz-Hubert ist dort aufgewachsen.“ In Satzvey habe er einen alten Eisenbahnwaggon entdeckt, fotografiert, und in seine fiktive Geschichte mit hineingenommen – wie viele andere Details, Bilder und Personen, die wiederum – jedes für sich – stimmen.
„Herausgekommen ist nun eine sogenannte Mockumentary, eine im Detail recherchierte Dokumentation, die den Hörer so anspricht, damit er die Fiktion des Hauptgeschehens innerlich zur Wahrheit wandelt“, schreibt Thorsten Wirtz im „Kölner Stadt-Anzeiger“ und in der „Kölnischen Rundschau“.
Und weiter: Dass Stöhr großen Spaß daran habe, seine Zuhörer in die Irre zu führen, merke man sofort, während er mit einer alten Brille herumspielt und behauptet, er sei mit dem Komponisten Franz Schubert verwandt und sagt, während er auf die Brille in seinen Händen deutet: „Das ist ein Erbstück!“
Während der Zuhörer folgert, dass es sich wohl um Schuberts Brille handeln muss, klärt Stöhr den Irrtum mit großer Freude auf: „Das ist keineswegs die Brille des Komponisten.“ Hatte er ja auch nicht behauptet…
Dr. Michael Stöhr hat die Geschichte selbst eingelesen und dazu in einem Video Fotos von Orten und Personen sowie Musik hinzugefügt. Mehr als vier Stunden Material sind zusammengekommen und können in sechs Teilen auf der Video-Plattform YouTube kostenlos abgerufen werden. https://www.youtube.com/watch?v=zT9hBVSEgn0
Die Videos sind dort mit der Warnung „Achtung Fake“ angekündigt. Man kann sie auch mit den Suchbegriffen „Goldzug+Stöhr“ googeln. Die Legende vom Goldzug aus Waldenburg kam erst in den 1970er Jahren in den Medien auf.
Es soll sich um einen gepanzerten, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vermissten Sonderzug handeln, der in einem Stollensystem in der Nähe des heute zu Polen gehörenden Waldenburgs (Walbrzych) versteckt sein könnte. Es gibt keinerlei Belege, Indizien oder Beweise für die Existenz eines solchen Zuges. Umfangreiche Suchmaßnahmen im Jahr 2015 brachten kein Resultat.
Erzählband in Vorbereitung
Dr. Michael Stöhr will neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Pfarrer und Klinikseelsorger weiter schriftstellerisch tätig bleiben. Seine 80seitige gleichnamige romanartige Erzählung vom „Goldzug aus Waldenburg in Mechernich“ soll Teil eines Buches mit mehreren Erzählungen werden, das er in ein, zwei Jahren herausgeben will. Darunter eine romanhafte Erzählung „Schneiders letzte Reise“ um einen verschwundenen katholischen Priester und „Die Wunder von Wachendorf“ um die Bruder-Klaus-Kapelle.
Dezernent Ralf Claßen, der Vertreter der Stadtverwaltung, pries Stöhr, der auch an Claßens Seite im Vorstand der Mechernich-Stiftung sitzt, als „Tausendsassa“. Vize-Bürgermeister Egbert Kramp, der mit seiner Frau vor 25 Jahren von Pfarrer Stöhr getraut worden war, sagte, Michael Stöhr sei aus der Stadt Mechernich nicht wegzudenken – weder kirchlich, noch gesellschaftlich und kulturpolitisch.
pp/Agentur ProfiPress