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Ein Jubiläumsritt als Sankt Martin

Alois Jansen ist seit mehr als 30 Jahren Darsteller des Mantelteilers – 190 Wecken in Sistig verteilt – Sistigs Kinder staunten über großes Martinsfeuer

Kall-Sistig – Der dienstälteste St.-Martin-Darsteller im südlichen Kreis Euskirchen hatte in diesem Jahr Grund zum Feiern: Seit 30 Jahren ist Alois Jansen aus Mechernich für einen Abend in Sistig der historische römische Legionär aus der Mitte des vierten Jahrhunderts. Nicht als vermutlich 18-jähriger berittener römischer Soldat, der die Chlamys mit einem Bettler teilte, sondern als der später heiliggesprochene Bischof von Tours, der am 8. November 397 starb, ist er unterwegs.

Noch in Zivil: Alois Jansen an der Tür zur Sistiger Pfarrkirche vor dem Rollenwechsel zum Sankt Martin. Foto: Stefan Lieser/pp/Agentur ProfiPress

75 Jahre alt ist Jansen, pensionierter Lehrer aus Mechernich. In Sistig steigt er an diesem Abend auf sein mittlerweile drittes Pferd zum Martinsritt. „Lucky“ ist ein gutmütiger Belgier-Wallach aus Udenbreth, normalerweise im Holzrücke-Einsatz. An diesem Abend bleibt er bei seiner Premiere als Pferd des hl. Martin trotz des ungewohnten Trubels um ihn herum offenkundig unbeeindruckt. An die 100 Kinder mit LED-beleuchteten Laternen, Eltern, der Musikverein Sistig, die Feuerwehr – alle sind im „Zoch“ hinter dem „Heiligen“ auf dem Wallach zum Martinsfeuer oberhalb von Sistig unterwegs. „Lucky“ und sein routinierter Reiter nehmen es gelassen.

30 Jahre ist Alois Jansen in Sistig schon der Sankt-Martin-Darsteller, zuvor spielte er diese Rolle für zehn Jahre in Steinfelderheistert. Immer als der spätere Bischof, nicht als der 316 geborene Legionär. Die Kirchengemeinden hätten es immer so gewollt, meint Jansen. Vom Pferd gefallen sei er als heiliger Mann bisher jedenfalls noch nie. Wenn man wie er auf dem elterlichen Bauernhof aufgewachsen ist, wo Pferde dazugehörten, ist das kein Wunder. „Für mich kann Lucky gerne etwas mehr Temperament haben. Sonst wird einem unterwegs ja schnell langweilig“, meint der Sankt-Martin-Darsteller.

Alois Jansen als Sankt Martin, Bischof von Tours. Eingekleidet haben ihn in der Sakristei Küster Hans-Josef Dederichs (zweiter von rechts) und Lothar Gerhards von der Kirchengemeinde. Die Enkel Clara und Tom sind zu Jansens Martins-Jubiläum in Sistig als Messdiener dabei. Foto: Stefan Lieser/pp/Agentur ProfiPress

Bevor es zum Ritt zum Martinsfeuer kommt, hat Jansen als hl. Martin in Sistigs Pfarrkirche noch zu den Kindern und Eltern in einem Wortgottesdienst gesprochen. Auch das macht er seit Jahrzehnten so. Die Worte sucht er wie immer selbst, in diesem Jahr ist die Zeit, die Kinder und Eltern füreinander haben sollten, sein Thema. Er betont natürlich auch das christliche Gebot der Nächstenliebe, für das Sankt Martin wie sonst kaum jemand nach christlichem Selbstverständnis steht. Das ist definitiv zur Nachahmung empfohlen.

Wecken für jedes Kind

Vor allem aber verspricht er den anwesenden Kindern: „Am Ende gibt es für jeden von Euch einen Wecken!“ Auch für Jansens Enkelkinder Clara und Tom, die zum Martin-Jubiläum ihres Opas als Messdiener den Gottesdienst begleiten. In Kasel und Mitra (die Kopfbedeckung des Bischofs, hat er in der Tasche dabei) war Jansen zuvor in der Sakristei geschlüpft, assistiert von Sistigs Küster Hans-Josef Dederichs und Lothar Gerhards von der Kirchengemeinde.

Und dann geht der Martinszug nach dem Wortgottesdienst durch Sistig hinauf zur Wiese, wo die Löschgruppe ein kräftiges Martinsfeuer entfacht hat. Es regnet, ein böiger Wind geht – dennoch lodern die Flammen mehrere Meter hoch in die Dunkelheit. Sankt Martin auf Lucky steht am Rand und schaut sich das Spektakel in Ruhe an, immer wieder Kinder huldvoll und freundlich grüßend.

Spektakel oberhalb von Sistig: Das Martinsfeuer lodert. Foto: Stefan Lieser/pp/Agentur ProfiPress

Zügig geht es kurze Zeit später zurück zum Feuerwehrgerätehaus. 190 Wecken warten in Brotkörben auf die Verteilung an Groß und Klein. Sistigs Ortsvorsteher Karl Vermöhlen hat extra noch einmal nachgezählt: Es ist genug für alle da. Auch der Wecken ist ja ein Symbol der Nächstenliebe. Man habe im Kaller Gemeindehaushalt einen eigenen Posten für das Backen der Wecken, so Vermöhlen: „Der wurde in diesem Jahr auf Bitten der Bäcker sogar erhöht!“

Alois Jansen, der Sankt-Martin-Darsteller im Jubiläumsjahr, wirkt gerührt. Die kleine Geste des Schenkens, darauf kommt es an diesem Abend an. Wie in den insgesamt 40 Jahren zuvor mit ihm in der Rolle des Schenkenden. Die Kinder vor ihm wirken gerührt und dankbar.

Eineinhalb Stunden dauerte die Fortführung der Martinstradition in Sistig. Alois Jansen kleidet sich in der Sakristei der Pfarrkirche wieder um, die Mitra kommt zurück in die Tasche. Ehefrau Irmgard wird die dreieckige Kopfbedeckung bis zum nächsten Jahr nähen müssen: Sie ging unterwegs im Wind an den Spitzen auseinander. „Solange es die Gesundheit mitmacht, bin ich dabei“, meint Alois Jansen, der Rekordhalter. Er übernimmt das geistliche Amt des Mildtäters für 90 Minuten einfach gerne.

pp/Agentur ProfiPress