Ehrenamtler als Eltern-Ersatz
Am Berufskolleg Eifel in Kall will die Awo das Projekt Pides ausweiten – Menschen der Generation 50+, die benachteiligte Jugendliche unterstützen wollen, werden gesucht
Kall – Im Bild, das man von einer perfekten Familie hat, kümmern sich die Eltern in allen Belangen um ihre Kinder. Sie pauken mit ihnen Mathe, bereiten sie auf Bewerbungen vor und sind Ratgeber in allen Lebenslagen. Doch leider gibt es auch Kinder, die dieses Glück nicht haben. Aus verschiedensten Gründen sind die Eltern nicht in der Lage, sich so um ihre Kinder zu kümmern, wie sie es benötigen.
Seit 15 Jahren verfolgt die Arbeiterwohlfahrt (Awo) das mehrfach ausgezeichnete Projekt Pides, ein Generationenprojekt für benachteiligte Jugendliche, die am Übergang von Schule zum Beruf stehen und nicht von ihren Eltern gefördert oder unterstützt werden können. Stattdessen helfen Ehrenamtler, die sich vorzugsweise im Ruhestand befinden. „Wir wollen die Fähigkeiten der Älteren nutzen, die sich für Menschen einbringen, die es nicht ganz so gut haben“, erklärte Helga Kühn-Mengel, Vorsitzende des Awo-Regionalverbandes bei einem Pressetermin im Berufskolleg Eifel in Kall.
Ehrenamtler und Schüler bilden ein Tandem. Pides-Projektleiterin Ute Bauer-Peil und Evelyn Drach, Schulsozialarbeiterin am Berufskolleg, versuchen, das perfekte Gespann zu finden. Geduld, Zuversicht und Lebenserfahrung sind gefragt, wenn man mitmachen will bei Pides. Alle sechs Wochen findet ein Erfahrungsaustausch statt. Wichtig ist: Die Verantwortlichen und die Ehrenamtler agieren stets auf Augenhöhe. „Wir lassen die Helfer nicht alleine und schicken sie unter anderem auf Fortbildungen“, erklärte Bauer-Peil. Im gesamten Kreis Euskirchen gibt es 20 Ehrenamtler. In Kall, wo eine größere Gruppe sich im Aufbau befindet, sind momentan fünf davon im Einsatz.
„Die Ehrenamtler erleichtern unsere praktische Arbeit enorm“, sagt Evelyn Drach, die seit 2018 als Schulsozialarbeiterin am Berufskolleg Eifel tätig ist. Sie unterstützen da, wo die Kapazitäten der Schulsozialarbeit eingeschränkt sind, etwa bei Behördengängen, wenn es um Leistungen oder Bafög geht. Außerdem halten die Ehrenamtler Kontakt zu Betrieben, denn oftmals suchen die Schüler auch ein Praktikum.
„Diese Herzarbeit tut gut“
Wie geholfen wird, ist unterschiedlich. Angela Gasber aus Pesch ist ehemalige Pflegedienstleiterin und hilft einem jungen Mann ohne Eltern. „Er hat mich mittlerweile angenommen wie eine Mama“, erzählt sie. Der Grund, warum sie hilft, ist einfach. „Ich will der Gesellschaft etwas zurückgeben. Und diese Herzarbeit tut gut“, sagt die Mutter von erwachsenen Kindern. Einmal pro Woche trifft sie sich mit „ihrem“ Schüler, der derzeit ein Praktikum absolviert und einen gezielten Berufswunsch geäußert hat.
Bruno Liebaug aus Kall macht da weiter, wo er beruflich als Gymnasiallehrer aufgehört hat: Er unterrichtet Mathe und Physik in einer internationalen Förderklasse, die aus drei bis sieben Schülern besteht. Als Mitglied der Flüchtlingshilfe Kall kümmert er sich auch um Geflüchtete. „Ich bin schon von einer Tochter einer Geflüchteten liebevoll als Opa bezeichnet worden“, erzählt er lachend.
Mathematik unterrichtet auch Georg Wingartz aus Schleiden. Der frühere Bauingenieur sieht Vorteile, das als Ehrenamtler zu tun. „Es ist ungezwungener, lockerer. Ich suche den Kontakt zu den Jugendlichen und sehe mich in ihnen auch wieder“, erzählt er. Bereits während des Kosovo-Krieges hatte er sich in Krefeld um Geflüchtete gekümmert. In der Eifel betreut er auch einen jungen Afghanen, der Pflasterer werden will. „Ich helfe ihm bei der Vorbereitung zur Gesellenprüfung. Ich finde, die Mitarbeit am Projekt ist eine tolle Aufgabe“, sagt Wingartz.
Die Arbeiterwohlfahrt und das Berufskolleg Eifel suchen derzeit weitere Unterstützer aus der Generation 50+ für das Projekt Pides, die jungen Menschen helfen wollen, ihren Weg in Richtung Ausbildung und Beruf zu gehen. Erreichbar ist Projektleiterin Ute Bauer-Peil unter 02445/850530 oder per Mail u.bauer-peil@awo-bm-eu.de.
pp/Agentur ProfiPress