Aktuelles

ProfiPress

Agentur für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, journalistische und redaktionelle Dienstleistungen.

Nachrichten

“Betreten der Baustelle ausdrücklich erlaubt!”

“Betreten der Baustelle ausdrücklich erlaubt!”
Lehmbauseminar im Freilichtmuseum Kommern bietet Architekturstudenten seltene Gelegenheit zum Lernen – Erfahrene Fachleute aus dem Museum leiten die künftigen “Häuslebauer” an
Mechernich-Kommern – Die nackten Füße der vier Architektur-Studenten versacken bis zu den Knöcheln im Lehm. Ständig sind die jungen Leute in Bewegung, am Anfang werden noch Scherze gemacht, doch dann ist nur noch schweres Atmen zu hören. “Die werden morgen alle Muskelkater haben”, sagt Johannes Zingsheim, Maurer im Rheinischen Frei-lichtmuseum Kommern, lachend und streut noch einige Strohhalme in das klebrige Gemisch.
Den insgesamt sechs Studenten der Technischen Hochschule Aachen macht das Lehmbau-seminar im Kommerner Freilichtmuseum trotz der körperlichen Anstrengung bei knapp 30 Grad im Schatten sichtlich Spaß. “Früher haben wir regelmäßig Lehmbauseminare veran-staltet, diese Tradition wollen wir wieder aufleben lassen”, erklärt Dr. Josef Mangold, der Direktor des Freilichtmuseums in Trägerschaft des Landschaftsverbandes Rheinland.
Jahrelange Erfahrung und Versuche sind grundlegend wichtig, denn die Anleitungen für das fachgerechte Arbeiten mit Lehm im historischen Hausbau findet man in keinem Lehrbuch, wie der Museumsleiter erklärt. Die Geheimnisse über den natürlichen Werkstoff seien immer mündlich weitergegeben worden. “Dabei gibt es viele Dinge zu beachten, die nur durch Er-fahrung gelernt werden können”, berichtet Josef Mangold.
Im Freilichtmuseum haben die Studenten um den Professor Manfred Speidel nicht nur die seltene Gelegenheit, an historischen Gebäuden arbeiten zu dürfen, sondern können dies auch unter bester Anleitung tun. “Theo Zander ist ein alter Meister seines Faches, ich habe ihn für dieses Seminar gefragt, und er hat sofort zugesagt”, sagt der begeisterte Direktor.
Der 70-jährige Maurermeister Theo Zander arbeitete von 1972 bis zu seinem Ruhestand 1995 im Freilichtmuseum und hat dabei oft Studentengruppen angeleitet. “Ich mache das gerne”, sagt Zander, dreht sich um und hilft der Studentin Anna Schulz (26), eine so genann-te Staake in ein Gefache der “Scheune Opherten” gleich neben der Bockwindmühle einzu-setzen.
Die Staaken sind die senkrecht eingebauten Holzbretter, um die herum dann wie beim We-ben Haselnussruten geflochten werden und so das Grundgerüst für die Lehmschichten bil-den. Gemacht werden die Staaken in Handarbeit: Aus Eichenstämmen spaltet Museums-zimmermann Werner Engel kleine Pfähle, die von den Studenten mit dem Handbeil auf Maß gebracht werden: “Sieben Zentimeter breit, zweieinhalb Zentimeter dick und an einer Seite angespitzt”, wie Theo Zander erklärt.
Ist das Flechtwerk fertig, wird die erste Lehmschicht mit 15 bis 20 Zentimeter langen Stroh-almen aufgebracht. “Das Stroh ist zur Wärmedämmung und Armierung, es legt sich um das Flechtwerk und sorgt so für die notwendige Stabilität”, erklärt der Maurermeister. Die zweite, später sichtbare Lehmschicht, beinhaltet nur fünf bis zehn Zentimeter lange Halme, wodurch eine ansehnlichere Oberfläche entsteht.
“Früher war die ganze Straße im Hof zum Lehmstampfen versammelt”, berichtet Zander über den historischen Fachwerkbau in der Eifel. Johannes Zingsheim ergänzt: “Wenn die Kinder ihre Hausaufgaben fertig hatten, stiegen sie auch in den Lehm.”
Auch wenn die Arbeit für die Studenten anstrengend ist, freuen sie sich sehr über die Mög-lichkeiten im Freilichtmuseum. “Bei diesem Seminar wollte ich unbedingt dabei sein und die-se praktische Seite erleben”, konstatiert die gebürtige Bulgarin Konstantina Dachlva (27). Die alte Bauweise sei von der optischen Seite her “einfach toll”.
Auch Anna Schulz ist begeistert: “Sonst sitzen wir immer vor dem Rechner und machen ei-nen Entwurf nach dem anderen, es ist toll, hier praktisch zu arbeiten, wir lernen sehr viel und haben hier sehr nette Fachleute, die uns anleiten!” Wiebke Kolbmüller (28) freut sich auch über die sozialen Aspekte: “Wir arbeiten alle zusammen, das geht gar nicht allein. Und man sieht, was man schafft, wie man vorwärts kommt.”
Bei ihrer Arbeit lassen sich die Studenten von den Museumsbesuchern gerne über die Schulter schauen, auch die Museumsfachleute erklären Interessierten bereitwillig die Tech-niken des Lehmbaus. “Bei uns ist das Betreten der Baustelle ausdrücklich erlaubt!”, sagt Museumsdirektor Mangold schmunzelnd.
Bis Freitag, 8. August, dürfen die Studenten noch im Freilichtmuseum lernen und wohnen. “Das ist auch toll, dass wir hier im Freilichtmuseum untergebracht sind”, freut sich David Mül-ler (29). Im Mannesmannhaus hätten die Studenten sogar am Abend zuvor auf dem histori-schen Holzofen gekocht, wie sein Kommilitone André Müller ergänzt. Und Konstantina Dachlva schwärmt: “Gerade abends ist es so wunderschön ruhig hier inmitten der alten Häu-ser, es ist wie eine eigenen Welt.”
Rheinisches Freilichtmuseum Kommern, Auf dem Kahlenbusch, 53894 Mechernich-Kommern
www.kommern.lvr.de
/ Info- u. Service-Telefon: 02234 99 21 555

Manfred Lang

03.09.2008