Aktuelles

ProfiPress

Agentur für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, journalistische und redaktionelle Dienstleistungen.

Nachrichten

“Lasst die Alten im Dorf”

“Lasst die Alten im Dorf”
Mechernicher Stadtplaner Thomas Schiefer (51) entwickelt ein städtebauliches Konzept, mit dem die unfreiwillige Landflucht ins Altersheim bekämpft werden soll – Applaus im Ausschuss, Lob von Zeitungsredakteuren – Vorstellung am 14. März in einer Bürgerversammlung in Strempt
Mechernich – Als “ersten wichtigen Schritt” bezeichnet der “Kölner Stadt-Anzeiger” ein von dem Mechernicher Stadtplaner Thomas Schiefer entwickeltes Konzept für barrierefreies Wohnen im Dorf. Im Stadtentwicklungsausschuss, wo Schiefer das Seniorenwohnkonzept vorstellte, habe es sogar Applaus gegeben, schreibt die “Kölnische Rundschau”.
Das Konzept soll es alten Menschen ermöglichen, auch nach Auslaufen der Mehrgenerationenfamilie länger oder sogar lebenslang auf dem Dorf zu bleiben. Gleichzeitig will der Mechernicher Stadtplaner damit bereits um sich greifende Wohnungsleerstände auf dem Land bekämpfen.
Natürlich kann Thomas Schiefer den soziologischen Umbruch der über Jahrhunderte gebliebenen Dorfstrukturen nicht verhindern. Aber immerhin versucht er, dem Phänomen einer neuen, mehr oder weniger unfreiwilligen Landflucht älterer und gebrechlicher Menschen mit städtebaulichen Mitteln entgegen zu wirken.
Reger Informationsaustausch
mit der RWTH in Aachen
Thomas Schiefer, der laut Presseberichten einen regen Informations- und Meinungsaustausch mit der RWTH in Aachen unterhält, will die Häuser zur Straßenseite hin erhalten, die das Dorfbild entscheidend prägen, aber eben oft mehrstöckig und wenig alters- und behindertengerecht sind. Im rückwärtigen Teil der Grundstücke will Schiefer baurechtliche Voraussetzungen zum Bau von barrierefreien Pavillons oder Appartements schaffen.
Schiefer sagte dem von Heinz “Addy” Sechtem geführten Stadtenwicklungsausschuss, er könne sich gut vorstellen, dass die Menschen, die die alten Leute betreuen, in den vorderen Häusern zur Straße hin einziehen, während die Alten die rückwärtigen altersgerechten und ebenerdigen Neubauwohnungen bewohnen.
“Das sind überschaubare Investitionen für Dritte, die daraus auch eine Rendite durch Mieterlöse erwarten können”, sagt Schiefer der “Kölnischen Rundschau”. Wenn die Altenwohnungen irgendwann wieder leer stehen und nicht mehr als solche gebraucht werden, könnten sie als Ferienhäuser vermietet werden.
Mit dem von Schiefer erwogenen Konzept könnten die Fassaden an der Straße und Altimmobilien fürs Ortsbild erhalten werden – und gleichzeitig im rückwärtigen Bereich großer Grundstücke Baurecht geschaffen werden. Der “Kölner Stadt-Anzeiger” beurteilt diese Pläne Schiefers, der auch Ansprechpartner für Demografie-Fragen innerhalb der Mechernicher Stadtverwaltung ist, positiv.
Bürgervereine und Ortskartelle
können Pflege mit organisieren
Kommentator Bernhard Romanowski schreibt: “Sein Papier enthält viele kreative und praxisorientierte Ansätze.” Zur Umsetzung seien jetzt “Investoren und Betreiber gefragt”. Beim “Organisieren der Betreuung von unten heraus” seien Bürgervereine und Ortskartelle gefragt.
Die Initialzündung hatte Schiefer (51) laut “Kölnische Rundschau”, als er einem 30 Jahre älteren Bekannten beim Umzug ins Altersheim behilflich war. “Der hatte mich angerufen, weil er körperlich nicht mehr klar kam und ins Heim musste”, sagte Schiefer dem Redakteur Klaus Pesch. Da habe er sich gefragt, ob man das Problem nicht anders in den Griff bekommen könnte.
Die “Seniorenappartements” sollen nach Thomas Schiefers Auffassung eine “ortsprägende Struktur” bekommen, sich also in Stil und Aufmachung den Dörfern anpassen. Er will darüber regionale Architekten und Handwerker miteinander ins Gespräch bringen und auch das Holzkompetenzzentrum Rheinland in Nettersheim einschalten. Schiefer steht außerdem mit einer entsprechenden Projektgruppe an der RWTH Aachen in Verbindung.
Grundstückseigentümer wie die Kirche könnten Land oder Gebäude gegen Pacht einem Betreiberverein zur Verfügung stellen, der wiederum Investoren sucht, die ein Seniorenappartement bauen. Bernhard Romanowski: “Auch für Privatleute, die über Altimmobilien im Dorf verfügen, sei dies eine rentierliche Investition und zugleich eine gute Altersversorgung.”
Unverzichtbare Bestandteile von Schiefers Konzept sind eine medizinische Grundversorgung im Dorf und natürlich Betreuungsmöglichkeiten. Der Stadtplaner denkt hier laut Presseberichten an Pflegepersonen aus Osteuropa, die über das Kreiskrankenhaus Mechernich vermittelt werden.
Stopp dem “Eigentumsverzehr”
um Heimaufenthalt zu bezahlen
Selbstverständlich könnten die Familien und/oder Dorfgemeinschaften aber auch mit eigenen Leuten Pflegesysteme aufbauen. Die Finanzierung wäre über die Pflegeversicherung der Bewohner möglich. Der “Kölner Stadt-Anzeiger” schreibt: “Den Senioren bliebe so ein drohender »Eigentumsverzehr«, also der Verkauf des eigenen Grund und Bodens zur Finanzierung eines Heimaufenthalts erspart, und dem Staat würden keine Kosten via Sozialhilfe entstehen.”
Wie früher in der Mehrgenerationenfamilie üblich, könnten sich rüstige Rentner in Schiefers Konzept auch im Alter nützlich machen, indem sie beispielsweise im Haushalt oder im Garten mit anpacken. Das nehme ihnen das Gefühl, ein “Versorgungsfall” zu sein, steigere das Selbstwertgefühl und die Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz auch bei schwindender Leistungsfähigkeit. Außerdem könnten sich rüstige Alte so im Dorf noch was dazuverdienen.
Schiefer stellt sein Konzept am Montag, 14. März, ab 19 Uhr in der Gaststätte “Mythos”, St. Rochusplatz, in Strempt vor. In der gleichen Versammlung will Ortsvorsteher Wulf-Dietrich Simon auch den geplanten Unterführungsbau der Bahn in Strempt erörtern.
pp/Agentur ProfiPress

Manfred Lang

21.02.2011