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Atmosphäre des Aufbruchs


Geschichten zum 50jährigen Stadtjubiläum von Mechernich aus dem Sonderheft des WochenSpiegel: Auftakt mit Marga Neuhaus, die sich an ihre Ankunft am Bleiberg in den frühen 1970er-Jahren und den Weg von der Gemeinde zur Stadt erinnert

Mechernich – Als Marga Neuhaus 1970 mit ihrer Familie nach Mechernich zog, kam sie aus der Großstadt. Zehn Jahre hatte sie mit ihrem Mann Dr. Josef Neuhaus, dem späteren Ärztlichen Direktor des Mechernicher Krankenhauses und den drei Kindern in Krefeld gelebt, bis ihr Mann die Leitung der Innere Abteilung dieser Klinik übernahm. So tauschte die Familie ihr bisheriges Leben, welches durch die Anonymität der Großstadt geprägt war, in ein Leben innerhalb einer ländlichen, aufstrebenden Gemeinde.

„Es war, als würde sich das Leben plötzlich entschleunigen“, erinnert sich Marga Neuhaus heute. „In Krefeld mussten unsere Kinder mit dem Fahrrad über belebte Straßen zur Schule fahren, hier gingen sie einfach zu Fuß.“ Alles war näher, greifbarer, einfacher. Es sei alles so wunderbar überschaubar gewesen mit der Bahnstraße als Mittelpunkt des Ortes: „Dort ging ich zur Sparkasse, direkt daneben war der Bäcker, das Lebensmittelgeschäft, ein Damenausstatter, ein Herrenkonfektionsgeschäft, der Schuster – alles auf einer Straße! Ich habe so viel Zeit gespart und überall sah ich die gleichen freundlichen Gesichter wieder.“

„Wir haben alles richtig gemacht.“ Marga Neuhaus hat den Schritt, 1970 mit ihrem Mann Dr. Josef Neuhaus nach Mechernich zu gehen, nie bereut. Die heutige Stadt ist ihr liebgewonnene Heimat geworden. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress
„Wir haben alles richtig gemacht.“ Marga Neuhaus hat den Schritt, 1970 mit ihrem Mann Dr. Josef Neuhaus nach Mechernich zu gehen, nie bereut. Die heutige Stadt ist ihr liebgewonnene Heimat geworden. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress

Die Familie wohnte zunächst in einer Dienstwohnung direkt gegenüber dem Krankenhaus. Praktisch, wie sie sagt. „Und sonntags in der Kirche trafen wir dann die gleichen Menschen, die ich unter der Woche beim Einkaufen gesprochen hatte. Das war etwas, was wir aus der Großstadt gar nicht kannten – diese Selbstverständlichkeit des Miteinanders.“

Eigentlich hatten die Söhne zunächst nach einer Hockeymannschaft gesucht, doch als es die nicht gab, traten alle fünf Familienmitglieder in den örtlichen Tennisverein ein. Dort trafen wir die Lehrer der Schule, Kolleginnen und Kollegen aus dem Krankenhaus und Vertreter der Stadtverwaltung. Mit dem Gemeindedirektor Helmut Rosen entwickelte sich eine enge Freundschaft. „Und die Gespräche mit ihm drehten sich immer um das Wohl der Gemeinde – oder das des Krankenhauses.“

Was die Gemeinde und die spätere Stadt Mechernich noch ausmachte, war die gelebte Städtepartnerschaft mit Nyons. „Wir hatten eigentlich jeden Sommer französische Gäste zu Besuch“, erinnert sich Marga Neuhaus. Der mittlere Sohn habe bei einem der vielen Besuche in Frankreich seine spätere Ehefrau kennengelernt.

Aus der Zeit der Stadtwerdung: Marga Neuhaus (M.) mit Marie-Luise Traufetter, ihrer Mitstreiterin aus der freiwilligen Krankenhaushilfe, und Stadtdirektor Helmut Rosen. Repro: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress
Aus der Zeit der Stadtwerdung: Marga Neuhaus (M.) mit Marie-Luise Traufetter, ihrer Mitstreiterin aus der freiwilligen Krankenhaushilfe, und Stadtdirektor Helmut Rosen. Repro: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress

Des weiteren berichtet Marga Neuhaus von dem besonderen Engagement der Bundeswehr zugehörigen Bewohner Mechernichs.  „Viele von ihnen lebten mit ihren Familien hier und hatten Einfamilienhäuser gebaut. Und was ich erlebt habe, war eine beispiellose Hilfsbereitschaft.“ Ob bei der Organisation des Martinszugs, der Pflege des Kirchenschmucks oder als helfende Hand bei Veranstaltungen. Einer von ihnen war Bernd Käppeler, ein Offizier, der ehrenamtlich in der Kirche tätig war, bei der Liturgie aushalf, schmückte, reparierte und organisierte. „Ein Mann mit großem Herzen und unermüdlichem Einsatz ohne viele Worte“, so die 93-Jährige.

Marga Neuhaus engagierte sich auch selbst, etwa im Kirchenvorstand, als Betreuerin des Kindergartens, später als Mitgründerin der Freiwilligen Krankenhaushilfe. Auch der Förderverein des Krankenhauses entstand unter ihrer Mitwirkung, in den sich Oberst Erich Heizmann, ein weiterer Bundeswehr-Angehöriger, intensiv einbrachte.

„Mein Mann wollte optimale medizinische Versorgung für die ländliche Region rund um Mechernich ermöglichen. Sein Ziel war eine Medizin der kurzen Wege“, erinnert sich die 93-Jährige, die ihren Mann im Juni im Alter von 96 Jahren gehen lassen musste. Auf seinem Totenzettel heißt es: „Das kleine Landkrankenhaus entwickelte sich zum Schwerpunktkrankenhaus und 1978 zum Lehrkrankenhaus der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Damals erhielt die Abteilung für Innere Medizin eine Auszeichnung als eine der beliebtesten Lehrstätten für die Ärztliche Ausbildung.“

Stadtfahne wird in Ehren gehalten

All das fiel in eine Zeit des Aufbruchs und in die Jahre, in denen Mechernich Stadt wurde. 1975 war es so weit. „Wir erlebten das Stadtfest ganz bewusst mit“, erzählt Marga Neuhaus. „Mein Mann hat eine große Stadtfahne gekauft, wir hissten sie damals an unserem Balkon.“ Jahrzehnte später, bei einem Besuch der Optikerin Perta Himmrich, kam das Gespräch auf eben diese Fahne – und Marga Neuhaus entschied, sie der Stadt zu überlassen. „Sie war noch so gut erhalten, es ist schön zu sehen, dass sie in Ehren gehalten wird“, sagt die überzeugte Mechernicherin. Heute steht die Fahne im Ratssaal der Stadt und ist ein Symbol für den Geist von damals.

Inmitten der Säulen der freiwilligen Krankenhaus-Hilfe steht Marga Neuhaus (2.v.r.). Repro: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress
Inmitten der Säulen der freiwilligen Krankenhaus-Hilfe steht Marga Neuhaus (2.v.r.). Repro: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress

„Die Menschen wollten etwas bewegen. Frieden, Aufbruch, gemeinsames Gestalten – das war unser Lebensmotto nach dem Krieg.“ Als Lehrerin unterrichtete sie später noch viele Jahre an der Schwesternschule des Krankenhauses. „Ich habe gemerkt, wie viel Sinn es stiftet, sich einzubringen. Und wie sehr diese Stadt das ermöglicht hat.“

Heute, mit 93 Jahren, blickt sie dankbar auf diese Zeit zurück. „Was mein Mann und ich hier erlebt haben, war ein Geschenk. Das war kein Rückschritt aus der Großstadt – das war ein echter Aufstieg: menschlich, beruflich, gesellschaftlich.“ Und dann schmunzelt sie: „Meine Eltern waren damals entsetzt. Eifel? Mechernich? Da gäbe es nur Steine und die Füchse würden sich gute Nacht sagen. Sie erkannten bald, dass es eine gute Entscheidung für uns war und heute kann ich rückblickend feststellen: Wir haben alles richtig gemacht.“

pp/Agentur ProfiPress