Mittsommer unter Eierkronen
Ramersdorfer Junggesellen feierten im Juni Maifest im Freilichtmuseum Kommern – Seit 1987 auf dem Kahlenbusch inszeniertes Zeremoniell wurde durch Corona unterbrochen
Mechernich-Kommern – Ein Maikönigspaar mitten im Juni? Was andernorts für Stirnrunzeln oder ein Tippen mit dem Zeigefinger an dieselbe sorgen könnte, passt im LVR-Freilichtmuseum Kommern perfekt ins Konzept. Dort, wo die Uhren ohnehin auf Vergangenheit stehen geblieben sind, spielt lebendige Brauchtumspflege eine besondere Rolle.

„Es geht nicht nur um historische Häuser, sondern auch darum, sie mit Leben zu füllen“, betonte Museumsdirektor Dr. Carsten Vorwig jetzt im Gespräch mit dem Autor Stephan Everling. Am Wochenende wurde ein Stück gelebter Tradition aus dem Bonner Ortsteil Ramersdorf in die Eifel geholt: die berühmte Eierkrone, ein rund vier Meter hoher Baldachin aus etwa 4000 kunstvoll verzierten, ausgeblasenen Eierschalen.

Alljährlich entsteht dieses filigrane Werk in Ramersdorf und wird dort traditionell am dritten Maiwochenende auf dem zentralen Platz „An de Löng“ feierlich errichtet – samt Krönung des Maikönigspaars. In Kommern wurde diese Zeremonie originalgetreu nachgestellt, begleitet vom Musikverein Kreuzweingarten/Rheder und einem Festzug durch das Museumsgelände.
„Kurze Hose geht gar nicht“
Den Brauch am Leben erhält der Junggesellenverein „Mythos“ aus Ramersdorf bei Bonn. Rund 30 aktive Mitglieder zählt der Verein, der im Jahr 1912 gegründet wurde – zu einer Zeit, als Zylinder und schwarzer Anzug zur Festtagskleidung gehörten. Diese Tradition wird bis heute gepflegt. „Die Ramersdorfer Junggesellen nehmen es mit der Kleiderordnung sehr genau“, schmunzelt Vorwig. So wurde beim Eröffnungstanz unter der Eierkrone ein Helfer freundlich, aber bestimmt zurückgewiesen – er hatte es gewagt, bei hochsommerlicher Hitze in kurzer Hose zu erscheinen.

Die Ramersdorfer Zeremonie hat eine lange Geschichte – und klare Regeln. In der Mainacht wird durch eine Versteigerung ermittelt, wer als Maikönig antreten darf. „Nicht die Maikönigin wird versteigert, sondern das Recht, König zu sein“, stellt Karl-Heinz Richarz, Ehrenvorsitzender des JGV, klar. Der Sieger wählt dann seine Königin. Hinzu kommen weitere Rollen wie der Herold, der Doktor für das Wohl des Paares und der Polizist als Regelwächter – alle ebenfalls mit weiblicher Begleitung.

„Wir können es nur empfehlen“, sagen Karoline Werner und Florian Quantius rückblickend auf ihre Königszeit, die nun zum zweiten Mal endete. In diesem Jahr wurden Joshua Nolden und Jana Kahn als neues Königspaar gefeiert. Dass man kein Liebespaar sein muss, beweisen Werner und Quantius: „Wir sind Maikönige – aber kein Paar“, sagt er. „Mein Partner kann mit Brauchtum nichts anfangen“, ergänzt sie lachend. Als Zugezogene aus Kassel hat sie sich längst integriert: „Man bleibt für immer Maikönig.“

Die Zusammenarbeit zwischen dem Freilichtmuseum und dem Ramersdorfer Verein besteht seit 1987. Damals wurde im Rahmen einer WDR-Dokumentation das erste Maifest in Kommern vorgestellt. Die letzte Präsentation fand 2012 statt – dann kam Corona. „Es war längst überfällig, diesen besonderen Brauch wieder ins Museum zu holen“, so Carsten Vorwig im Gespräch mit dem Journalisten und Autor Stephan Everling.
„Spannender sozialer Kosmos“
Dass ausgerechnet Eier zur Zierde der Maikrone dienen, hat einen historischen Hintergrund: Nach der Fastenzeit waren die Vorratskammern voll mit Eiern – und so entstanden kreative Nutzungen, wie eben die Eierkrone. „Wie zu Ostern wurden Eier auch in anderen Bräuchen verwendet“, erklärt der Museumsdirektor.

Doch das Maifest war mehr als nur Dekor und Tanz. Es war einst eine der wenigen gesellschaftlich akzeptierten Gelegenheiten, bei denen sich junge Menschen kennenlernen durften. „Das war ein geschützter Raum, in dem sich sogar Paare jenseits sozialer Grenzen fanden“, so Vorwig. „Ein spannender sozialer Kosmos.“
Wann genau die erste Eierkrone in Ramersdorf entstand, ist unbekannt. Die ältesten Fotos stammen aus dem Jahr 1937. Doch eines steht fest: Die Tradition lebt – auch im Freilichtmuseum Kommern, das dem Brauchtum eine Bühne gibt und zugleich zeigt, wie viel Gegenwart in der Vergangenheit steckt.
pp/Agentur ProfiPress