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„Partnerschaft voller Herzlichkeit“

45 Jahre Städtefreundschaft Nyons-Mechernich – Drei Themenabende beleuchten eine turbulente, aber auch eminent wichtige Zeit – Deutsche Gräueltaten, französische Resistance – Sohn des Bürgermeisters als Geisel erschossen, aber der erste Bürger ermöglicht die Aussöhnung – Wolfgang Müller ließ sich von Warnungen nicht irritieren – Erste französische Austauschschüler völlig begeistert von der Eifeler Gastfreundschaft

Mechernichs Partnerschafts-Pionier Wolfgang Müller verliebte sich sofort in das malerische südfranzösische Städtchen Nyons. Archivfoto: KStA/pp/Agentur ProfiPress

Mechernich Es wäre vielleicht alles anders gekommen, hätte sich Studienrat Wolfgang Müller an diesem Herbsttag im Oktober 1964 nach einer Zeit monatelangen Wartens auf eine Antwort aus Nyons, wirklich ins Auto gesetzt und wäre stattdessen in den 120 Kilometer entfernten Ort Tournon gefahren“: Szenisch und spannend beginnt die Kommerner Journalistin Claudia Hoffmann ihren Report zu 45 Jahren Städtepartnerschaft Mechernich-Nyons im „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Weiter heißt es: „Zwei Briefe hatte der engagierte Lehrer des Mechernicher Turmhof-Gymnasiums in den Wochen zuvor an das Nyonser Bürgermeisteramt geschrieben. Darin regte Müller einen Schüleraustausch und eine engere Verbindung zwischen seinem Eifeler Heimatort und der 5000 Einwohner zählenden Stadt im südfranzösischen Departement Drôme an. Müllers Koffer war gepackt, der Wagen startbereit, da erreichte ihn in letzter Sekunde ein Schreiben des Bürgermeisters von Nyons . . .“

Und in diesem Brief stand, dass der erste Bürger des Provence-Städtchens Müllers Idee und Anliegen zwar für förderungswürdig hielt, sich aber selbst aus streng persönlichen Gründen nicht damit beschäftigen werde. Vielmehr wolle er diese Aufgabe seinem Stellvertreter übertragen. Erst später sollte Müller den tragischen Grund für dieses Zögern erfahren: Monsieur Debiez hatte im Krieg einen Sohn verloren, der als Geisel von Deutschen erschossen worden war.

Wolfgang Müller, der in Mechernich unter anderem Französisch und Mathematik unterrichtete, hatte von den Gräueltaten der deutschen Besatzer im französischen Voralpengebiet um Vercors, einst  Hochburg der französischen Widerstandskämpfer, bereits 1962 in seiner Zeit als Austauschlehrer am Lycée Emile Loubet in Valence gehört.

„Warnungen seiner französischen Kollegen schlug Müller in den Wind, nämlich die Gegend um Nyons bei seinen Erkundungsfahrten durch die Provence tunlichst zu meiden“, schreibt Claudia Hoffmann weiter, „da dort von den Nationalsozialisten derart unfassbare Grausamkeiten verübt worden waren, dass zu befürchten sei, dass die verbitterte Bevölkerung sein Auto demolieren würde.“

Doch Müller fuhr nicht nur hin, er war bei seiner Ankunft in Nyons auch gleich dem Charme des hübschen kleinen Städtchens am Ufer der Eygues erlegen. Schon damals kam ihm der Gedanke, dass eine Annäherung an diesen leidgeprüften Ort mit dem Ziel der Versöhnung eine erstrebenswerte Aufgabe wäre.

Die Chance wurde greifbar, als sich Müller zwei Jahre später an das soeben eröffnete „Progymnasium“, das heutige „Gymnasium am Turmhof“ in Mechernich versetzen lies. Zwischenzeitlich hatte er an der Verschwisterung Euskirchens mit Charleville-Mezieres entscheidend mitgewirkt.

Sein Anliegen einer Partnerschaft Mechernichs mit Nyons stieß am Bleiberg anfänglich auf Skepsis, die Müller jedoch mit einem bewegenden Lichtbildvortrag über Nyons zerstreuen konnte. Schließlich erhielt er die Erlaubnis, sich um eine Kontaktaufnahme zu bemühen. Ein Fonds von 5000 Mark für die ersten Austauschmaßnahmen wurde bereitgestellt. „Bei den nun folgenden Besuchen leistete Müller in feinfühligen Gesprächen beispiellose Pionierarbeit in Sachen deutsch-französischer Verständigung“, schreibt Claudia Hoffmann.

Mit dem Chef der Nyonser Résistance, Vilhet, sollte den behutsam-beharrlichen Pädagogen später sogar eine tiefe Freundschaft verbinden. In dem neu gewählten Nyonser Bürgermeister Pierre Jullien fand Müller einen „engagierten Europäer“ und unermüdlichen Förderer seines Projekts, das mit lebhaften Brieffreundschaften zwischen deutschen und französischen Schülern seinen Anfang nahm.

Zwischenzeitlich erledigte Müller die Formalitäten, beantragte Zuschüsse und im Juli 1965 kam die erste Jugendgruppe aus Nyons nach Mechernich. Die jungen Franzosen wurden in den Mechernicher Familien mit solcher Herzenswärme und Freundlichkeit aufgenommen, dass sie ihren Eltern noch während des Aufenthaltes begeistert berichteten.

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ schreibt weiter: „Nach ihrer Rückkehr setzten sie ihre eindrucksvollen Schilderungen fort, so dass auch die in der Nyonser Presse erscheinenden Artikel voll des Lobes waren. Der Gegenbesuch von 17 Mechernicher Schülern folgte während der Herbstferien. Und es erschien Müller, als wollten die Nyonser Familien die deutsche Gastfreundschaft an Herzlichkeit noch übertreffen. Über 300 Mechernicher reisten 1967 dann zum Verschwisterungsakt nach Süden, der im Rahmen des traditionellen Nyonser Osterkorso zelebriert wurde. Die Festrede von Bürgermeister Julien und sein abschließendes »Vive Nyons – Vive Mechernich« ging in donnerndem Publikumsbeifall unter.“

Die entsprechenden Feierlichkeiten in der Eifeler Partnerstadt unter Mitwirkung des Nyonser Fanfarenkorps, des Mechernicher Männergesangvereins und der Bergkapelle am 30. Juli entwickelten sich zu einem regelrechten Volksfest. Ein prächtiger Fackelzug führte im ehemaligen Bergarbeiterdorf durch ein „funkenstiebendes, wirbelndes Straßenfeuerwerk“.

Wolfgang Müller, der jetzt seinen 90. Geburtstag feierte, hat seine Erinnerungen aufgeschrieben. Sie bildeten am Freitag im Saal des Bauernhofs Weidenfeld einen von drei Themenblöcken, mit denen der heute rund 250 Mitglieder umfassende „Freundeskreis Mechernich-Nyons“ über die Hintergründe einer grenzübergreifenden Freundschaft informieren will.

Aus der anfänglichen „Verschwisterung des guten Willens“ ist dank des kontinuierlichen Engagements beider Seiten im Laufe der Jahre genau das geworden und geblieben, was sich Wegbereiter Wolfgang Müller immer gewünscht hat, eine „Partnerschaft voller Herzlichkeit“.

pp/Agentur ProfiPress