Willkommene Beispiele aus der Eifel
Beim Gespräch mit dem Lit.Eifel-Publikum machte sich Diana Marossek fleißig Notizen – „Missgeburt“ und „Ghettobraut“ zeugen von Sympathie und Anerkennung
Heimbach/Eifel – „Ich freue mich, dass ich hier sein darf, diese wunderbare Gegend ist Erholung für die Augen.“ Mit diesen Worten begrüßte die Autorin Diana Marossek das Lit.Eifel-Publikum in der internationalen Kunstakademie in der Burg Hengebach in Heimbach. Dort las sie in luftiger Höhe und malerischer Umgebung aus ihrem Buch: „Kommst du Bahnhof oder hast du Auto?“ Prof. Dr. Frank Günter Zehnder, Direktor der Internationalen Kunstakademie Heimbach, war sich zu Beginn der Lesung sicher: „Dies wird ein Abend, an dem wir viel lernen, aber auch sicher kräftig schmunzeln können.“
Dr. Diana Marossek gab sich für ihre Studie an Schulen als Referendarin aus, hat 1.395 Schüler beobachtet und den authentischen Sprachgebrauch der Jugendlichen in ihrem sozialen Umfeld untersucht. Sie führte 1.230 Gespräche und fasste all das auf 399 Seiten zusammen. Aber in zehn Jahren Sprachforschung flossen auch viele Erlebnisse und Erfahrungen aus dem privaten Bereich mit ein. Ihr Buch ist eine geballte Zusammenfassung aus diesen verschiedenen Bereichen.
Rund 30 Zuhörer lauschten den Ausführungen der Autorin zu Kurzdeutsch, Codeswitching und rituellen Beschimpfungen. Immer wieder lachte das Publikum, steuerte eigene Erlebnissen bei oder lieferte sogar für die Autorin unbekannte Beispiele „aus ländlichem Gebiet“. Eine Zuhörerin zitierte aus ihrer Reha-Zeit Aussagen wie „ich hab Rücken“ oder „ich hab Knie“, ein Behördenmitarbeiter erinnerte sich an die schriftlichen Ausführungen eines Kunden: „Das ist nisch rischtisch“ oder „das schtimmt nisch“ und die Deutschlehrerin oder auch „Ghettobraut“ einer Realschule gestand: „Ich gebe mir durchaus Mühe, meine Schüler immer wieder zu korrigieren, aber am Ende der Woche »schwör« ich auch das ein oder andere.“
Diana Marossek notierte sich alles fleißig. „Ich freue mich sehr über ihre Beispiele, denn Studien auf dem Land sind teuer. Sie müssen ja erst einmal jemanden finden, der mit ihnen redet.“
Die Soziolinguistin erklärte auch das Phänomen der „rituellen Beschimpfung“ von Jugendlichen untereinander. „Ich hatte Angst gleich passiert etwas, aber nichts geschah, und eigentlich hatten sich alle ganz doll lieb“, erinnerte sie sich an die ersten Erlebnisse dieser Art. Problematisch könne es nur werden, wenn jemand von außen, der nicht zur Gruppe gehöre, hinzukomme. Einem Lit.Eifel-Besucher und Vater hat das die Augen geöffnet: Seit sein Sohn die Schule gewechselt habe, hätte sich seine Ausdrucksweise stark verändert. „Seit gut einem Jahr nennt er mich nur noch Opfer. Permanent halte ich dagegen – jetzt weiß ich, dass er mich eigentlich doch ganz lieb hat.“
Auch wenn sich vieles lustig anhöre, könne ein Zuviel an Verknappung aber auch zu Missverständnissen führen, warnte die Autorin. „Wenn wir zu viel weglassen und dann nicht mehr wissen, ob wir uns am, im oder vielleicht neben dem Bahnhof treffen, kann man im Zweifelsfall schon einmal den Zug verpassen.“
In ihrem Buch schreibt Marossek, Jugendsprache fungiere gerade in der Pubertät als identitätsstiftendes Instrument, denn für viele sei Erwachsenwerden „so attraktiv wie Fußpilz“. Die meisten Jugendlichen würden diese Sprache jedoch nur untereinander nutzen und könnten sich im Alltag problemlos umstellen. Die die immer größer werdende Präsenz der neuen Medien habe einen großen Anteil an der Verknappung der Sprache. Fasse dich kurz, sei hier das Motto bei Twitter und Co.
Für die zweite Auflage ihres Buches nahm Diana Marossek gerne die Anregung einer Besucherin entgegen, ein „Lexikon“ mit Erklärungen der Kurzdeutsch-Begriffe mit aufzunehmen.
pp/Agentur ProfiPress