Wettlauf gegen die Zeit
Weltweit größter Kurzfilmwettbewerb streift die Stadt Mechernich – Mechernicher Bahnhof bietet die passende Kulisse – Preisverleihung während der „Berlinale“ – Matthias Schweighöfer sitzt in der Jury
Mechernich – Er ist ein wichtiges Tor zur Stadt. Täglich steigen Berufspendler und Reisende am Mechernicher Bahnhof ein und aus. Diesmal tummeln sich auch ein Filmteam und Schauspieler am Bahnsteig. „Kamera läuft!“, schallt es über die Köpfe der Wartenden hinweg. Regie führt der Mechernicher Frank Kracht.
Man habe den Drehort bewusst ausgesucht, verrät der 44-Jährige: „Ein Bahnhof ist immer ein schöner Ort für Filmaufnahmen. Vor allem, wenn man Emotionen wie eine Trennung oder ein Wiedersehen hat.“
Den Film haben sie beim „99Fire-Film-Award“ eingereicht. Kracht, der als IT-Leiter arbeitet, stolz: „Das ist weltweit der größte Kurzfilmwettbewerb. Die Auszeichnung ist vergleichbar mit dem Oscar.“
Die Anforderungen des Wettbewerbs sind hoch. Genau 99 Sekunden – länger darf der eingereichte Film nicht sein. In einer Rekordzeit von 99 Stunden, also in rund vier Tagen, müssen Idee, Drehbuch, Dreharbeiten, Schnitt und Sound zu einem vorgegebenen Thema entwickelt und umgesetzt werden. Das ist kein einfaches Unterfangen. Für die Akteure beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.
Unterstützung von Stadt und „Schäfer-Reisen“
Drehgenehmigungen hatten die Filmemacher schnell eingeholt. „Die Stadt Mechernich hat uns bei unserem Vorhaben super unterstützt“, freut sich Kracht. Auch das Mechernicher Traditions-Reisebusunternehmen Schäfer, das den Mechernicher Bahnhof vor zehn Jahren gekauft und zur modernen „Gleis-Passage“ ausgebaut hat, hat selbstverständlich sein Okay gerne gegeben.
In der Geschichte spielen sich „dramatische“ Szenen am Bahnhof der Bleibergstadt ab. Die junge und verzweifelte Anna läuft auf die Person am Gleis zu. Sie glaubt, der Wartende ist ihr Vater, der seit sieben Jahren spurlos verschwunden ist. Doch dann klingt ein blechernes Lachen aus dem Lautsprecher am Gleis. „Alexa“, die Sprachsteuerung, hat alle zum Narren gehalten.
„Im Film passiert genau das, wovor wir eigentlich alle Angst haben, dass die Maschinen anfangen, Gefühle zu entwickeln. Vielleicht eine Fiktion, die gar nicht so weit in der Zukunft liegt“, erklärt Kracht. Die elektronische Sprachsteuerung sinnt auf Rache und stürzt eine glückliche Familie ins Chaos. „Was ich lieb, das rächt sich“ – lautet der Titel des fertigen Kurzfilms.
Während den Dreharbeiten läuft der normale Bahnbetrieb an Gleis 1 und 2 weiter. Züge Richtung Köln und Gerolstein fahren ein und ab. Kein Problem für die kreativen Filmemacher: Die Zeit wird für Detailaufnahmen genutzt, um etwa die Geräusche einer einfahrenden Lok aufzunehmen. Immer müssen die Verantwortlichen im Blick halten, dass Reisende nicht ungeplant mit in den Film geraten.
Ordentliches Budget zur Verfügung
Um die Kosten für die Filmaufnahmen stemmen zu können, hatte man ein Crowdfunding-Projekt ins Leben gerufen. Damit wurde der Dreh überhaupt erst möglich: „Da ist ein ordentliches Budget zusammen gekommen“, freut sich der Regisseur.
Am Ende des langen Drehtages sind alle glücklich. Insgesamt 48 Gigabyte Filmdaten werden aufgenommen. Kracht kann die Menge selbst kaum glauben: „Das entspricht etwa 70 Minuten Filmmaterial!“ Nun muss die Datenmenge noch auf die vorgegebenen 99 Sekunden gekürzt werden. Niklas Blum, verantwortlich für den Schnitt, weiß: „Wichtig ist es, das richtige Maß zu treffen.“ Schließlich muss die Handlung für den Zuschauer nachvollziehbar bleiben.
Gesichtet und bewertet werden die Filme von einer unabhängigen Jury. Darunter auch der bekannte deutsche Schauspieler Matthias Schweighöfer: „Ich freue mich sehr auf dieses Feuerwerk von kurzen Filmen. In kurzen Formaten Gefühle, ob Spaß oder Spannung, zu erzeugen, ist manchmal schwieriger als bei einem Langfilm.“ Ein guter Film müsse nicht zwangsläufig immer 90 Minuten lang sein.
Die Preisverleihung findet während der Berlinale in Berlin statt. Im vergangenen Jahr nahmen mehr als 3500 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz an dem Kurzfilmwettbewerb teil.
Der Award sei nicht nur Anlaufstelle für professionelle Filmemacher, sondern auch ein Sprungbrett für neue Talente, so der Veranstalter. So schaffte es etwa Adi Wojacze (Gewinner: Bester Film 2015) auf die diesjährige Shortlist des wichtigsten Filmpreises der Welt: dem Oscar. Die Teilnahme lohne sich, sagt der Veranstalter. Der Gewinner in der Kategorie „Bester Film“ kann sich auf ein Preisgeld in Höhe von 9 999 Euro freuen. Und wer weiß, vielleicht können dann die Mechernicher jubeln. www.99fire-films.de
pp/Agentur ProfiPress