Lachsalven ertönten über den sieben Rursee-Meeren
Lit.Eifel-Schiffslesung verging viel zu schnell – Wonnige Passagen aus Heftromanen animierten das bestens aufgelegte Autoren-Quartett zu urkomischen Szenen
Heimbach – Wer im vergangenen Jahr die Lit.Eifel-Veranstaltung „Alpenglüh´n“ auf Burg Hengebach erlebt hatte, bei der sich das Eifeler Autoren-Quartett mit einer unnachahmlichen Mischung aus gnadenlosem Kitsch und flotter Ironie dem Genre des Bergromans angenommen hatte, der bekam am Freitagabend schon beim Anblick der verwegenen Accessoires in der Kajüte des Rursee-Schiffes „Stella Maris“ eine vage Ahnung: Auch dieser Abend könnte spritzig werden.
„Stewart“ Ralf Kramp hatte sich in seine schönste „Sascha Hehn-Gedächtnisuniform“ geworfen, Hubert vom Venn machte mit seiner Kopfbedeckung einem Pirat optisch alle Ehre, Klaus Stickelbroek erinnerte an eine Mischung aus Käpt´n Blaubär und Freddy Quinn und Erika Kroell war wahrlich die Zierde einer jeden „Titanic“-Reling.
Kurz vor Veranstaltungsbeginn waren sämtliche Schatztruhen, Säbel und Augenklappen dekorativ in Position gebracht und – flankiert von einem stimmgewaltigen „Heidewitzka, der Kapitän“ – läutete pünktlich um 18 Uhr die auf Hochglanz polierte Messing-Schiffsglocke zur Abfahrt. Wer in diesem Moment nicht pünktlich an Bord war, der musste sich allerdings nicht grämen. Denn nach 20 Minuten legte die Stella Maris noch einmal an, um die Nachzügler unter Szenenapplaus und munteren Kommentaren in der Art von „Der Herr mit dem großen Hemd gibt gleich eine Lokalrunde“ an Bord zu lassen.
Ängstlichen Passagieren nahm Kramp bei seinem einleitenden Streifzug durch die Geschichte berühmter Ozean-Riesen beim Stichwort „Costa Cordalia“ alle Sorgen: Er habe gehört, im Rursee könne man stehen. Man müsse halt nur ein bisschen tauchen. Da fühlte sich auch Stickelbroek gleich viel besser: „Ich kann super die Luft anhalten“, witzelte er. So ging es heiter weiter, denn die Autoren hatten alle wichtigen Hintergrundinformationen zum Thema Schifffahrt nicht nur aus dem eher unbekannten Internetlexikon „Schippipedia“ entdeckt, sondern auch zahlreiche Highlights der maritimen Weltliteratur in ihren Seesäcken deponiert: von Hemingways „Der alte Mann und das Meer“ bis hin zum Groschenroman „Ein süßes Versprechen“.
Und da Spontaneität – wie schon Kabarettist Hanns Dieter Hüsch einst treffend bemerkte – wohl geplant sein will, hatten die Akteure des Abends auch wenig dem Zufall überlassen und die Dialogpassagen wieder ganzheitlich mit bunten Textmarkierungen versehen. Nach einer kurzen Irritation („Hab ich eigentlich blau?“ „Erika, du liest die roten Stellen, oder?“ „Hä, wieso, bin ich der Liebhaber?“) ging es dann heiter weiter mit der ersten wonnigen Passage aus dem „Julia-Extra-Heftroman-Sommerspecial“, Band 368 aus der Feder von Fiona Mac Arthur. „Es war einmal ein Prinz, der die junge Ärztin Kiki Fender heiß küsste und dann spurlos aus ihrem Leben verschwand. Doch an Bord eines Traumschiffs treffen sie sich wieder. Bleibt Prinz Stefano diesmal bei ihr, wenn die Uhren an Bord Mitternacht schlagen?“, fragte der Klappentext. Mit Inbrunst vorgetragene, zuvörderst schlüpfrige Stellen gaben zur großen Freude des Publikums die Antwort.
Dem literarischen Eifeler Quartett war natürlich auch an der szenischen Umsetzung der Textpassagen gelegen. Hubert vom Venn und Klaus Stickelbroek enterten die Saalmitte und liefen spätestens bei „Die Schwalbe schwebte über dem Eriesee“ pantomimisch zu Höchstform auf und brillierten anschließend mit einer der besten Sterbeszenen seit dem Dahinscheiden des berühmten Ballett-Schwans.
Für enorme Heiterkeit sorgte auch die Rückübersetzung eines Textabschnitts aus Hemingways berühmter Novelle „Der alte Mann und das Meer“. Gewitzt hatten die Eifeler Seebären die Passage durchs „Google-Übersetzerprogramm laufen lassen – und zwar von deutsch zu italienisch, schwedisch, estnisch, finnisch, niederländisch, portugiesisch sowie litauisch und wieder zurück ins Deutsche. Aus „Er hatte seine Harpune lange vorher aufmontiert und ihre Rolle von dünnemTau war in einem runden Korb und das Ende war im Beting in der Flicht befestigt“ wurden herrlich-schräge Verballhornungen in bester Tradition chinesischer Gebrauchsanweisungen: „Es war lange her, vor seinem Auftritt installiert ist, und fügen Sie Ihre Web-Formulare für die Rolle Ghanem, ein kleines Stück des Seils in den Warenkorb und das Spiel endet.“ Verstand kein Mensch, war aber auch egal.
Und wer immer dachte, erotische Romane wären seicht, der wurde an diesem fröhlichen Abend eines Besseren belehrt. So machte sich beispielsweise der Autor des verkannten Bestsellers „Traumschiff der Lust“ enorm tiefschürfende Gedanken über die Sozialstruktur unserer Gesellschaft. „Wer von uns noch nie eine Seereise unternommen hat, wird von Sehnsüchten, Träumen und Wünschen geplagt“, diagnostiziert er in seinem Vorwort: „Doch diese Urlaubsträume können sich im Zeitalter des Euro und der sehr hohen Arbeitslosigkeit die wenigsten von uns erfüllen.“ Anlass genug, mit eben jenem Buch den Versuch zu unternehmen, den geneigten Lesern „wenigstens die Illusion von einer Kreuzfahrt zu bewahren und das Gefühl zu vermitteln, dabei zu sein“. Eine Sexstory in jedem der 23 Kapitel sei die notwendige Würze, damit dieses Buch zu etwas ganz besonderem werde. Der Moment, als Mrs. Mortimer dem Mitreisenden Josef ihre unstillbare Sehnsucht offenbarte, war eine Steilvorlage für Kramp & Co., die sich vor Lachen kaum noch auf den Stühlen halten konnten.
Kein Wunder, dass den 100 begeisterten Lesefreunden die zweistündige lustige Seefahrt über die sieben Rursee-Meere viel zu schnell verging. Die Landungsbrücke war in jedem Fall schon einige Zeit ausgeklappt, da stand die Schlange bei den signierfreudigen Autoren am Büchertisch noch lange an. Und man darf gespannt sein, was das verwegene Quartett im nächsten Lit.Eifel-Jahr auf die Schippe nimmt.
pp/Agentur ProfiPress