Geschichten aus dem Leben
Mehr als 160 Literaturfreunde lauschten im Kuchenheimer Industriemuseum hingerissen den amüsanten Anekdoten von „Eifel-Doc“ Franz-Josef Zumbé – Co-Autor und langjähriger „Sparringspartner“ Manni Lang und die „Wahl-Eifelerin“ Katia Franke komplettierten das unterhaltsame Terzett bei der Literaturreihe „Gespräch und Rezitation“
Euskirchen-Kuchenheim – Ob via Startbahn, Highway, Feldweg oder Gleisbett, das „Road-Movie“ gehört zu den beliebtesten Genres in Kino und Literatur. Ein Auto von hinten vor stilisierter endloser Hügellandschaft mit kirchturmgekrönter Dorfansicht in der Ferne ziert denn auch das Cover des anekdotenhaften Erinnerungsbandes „Ein Doc in der Eifel“ von Dr. Franz-Josef Zumbé und Manfred Lang und legt die Vermutung nahe, auch in dem bei KBV in Hillesheim vorgelegten Band könne es sich um ein „Unterwegs-Buch“ handeln.
Lang und Zumbé lasen jetzt in der Shedhalle des LVR-Industriemuseums Kuchenheim aus ihrem im November veröffentlichten Gemeinschaftswerk, das bereits einen Monat später den Nachdruck einer zweiten Auflage erforderlich gemacht hatte.
In der vor 15 Jahren von den Autorenkollegen Jochen Arlt und Manfred Lang begründeten Literaturreihe „Gespräch und Rezitation“ agierten die Autoren gemeinsam mit der WDR-Moderatorin Katia Franke, die die beiden zu Beginn und nach der Pause ausgiebig interviewte.
In dem Buch geht es um die Lebenserfahrungen eines Landarztes in der Eifel. Unter Wahrung von ärztlicher Schweigepflicht und Datenschutz berichtet Zumbé verfremdet von Hausbesuchen, Originalen und ihren originellen Einfällen, Verbandspolitik, allerhand tollen Typen und immer wieder auch vom Ineinander-Gehen von Medizin und Religion, ärztlicher Wissenschaft und Eifeler Volksfrömmigkeit.
Der Hauptprotagonist entpuppt sich dabei als „Jong uss em Levve“, der die Dinge beim Namen nennt und, statt „ze schwaade“ lieber die Ärmel hochkrempelt und sich auch bei denkbar ungünstigen Wetterbedingungen nächtens über holprige Landstraßen auf den Weg zu seinen Patienten macht.
Frei nach dem berühmten rheinischen Motto „Wer schriev, der bliev“ hat Dr. Franz-Josef „Frajo“ Zumbé seine zum Teil doch recht turbulenten Erinnerungen verewigt und das literarische Produkt in der Hoffnung seinen beiden Enkelsöhnen gewidmet, dass wiederum einer von ihnen, wie einer von zwei Söhnen Zumbés, als Landarzt in der Eifel „kleben“ bleiben möge.
Der Medizinmann und sein Sparringspartner
Hunderte von Patienten hat der „oberste Medizinmann“ im Eifelkreis Euskirchen behandelt. Viele von ihnen waren am Donnerstag ins Rheinische Industriemuseum nach Kuchenheim gekommen und schwelgten in amüsanten Erinnerungen. Flankiert wurde Zumbé an diesem höchst vergnüglichen Abend von seinem vielseitigen Co-Autor Manni Lang, seines Zeichens Mundartexperte, Diakon, Herausgeber und Journalist, der Zumbé bei seinem Projekt ermuntert, bestärkt und unterstützt hat.
Viele Male haben sich die beiden im Laufe der vergangenen Jahrzehnte in Interviews als „Sparringspartner“ gegenüber gesessen und dabei so manches Duell ausgefochten: Lang als kritisch hinterfragender Lokalredakteur, Zumbé als praktizierender Arzt in Nettersheim-Tondorf und hart für die Belange „seiner Leute“ kämpfender Kreisstellen-Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung.
„Es ging um neue Belegärzte am Krankenhaus, um das Praxensterben in den Höhenlagen und um ungerechte politische Vorgaben und Krankenkassenentscheidungen. Franjo teilte mit und teilte aus, Politiker und Verbandsfunktionäre bekamen ihr Fett weg, er vertrat seine Leute und trat dafür anderen auf die Füße und hin und wieder auch in die Gesäßpartie“, erinnerte sich Lang schmunzelnd.
Da beide Co-Autoren gewissermaßen vom „alten Bauernschlag“ sind und vom Mechernicher Bleiberg stammen, waren sie mit dem Erinnern, Erzählen und Schreiben natürlich in die vegetationslose Periode gegangen, in die Winter 2012 auf 2015 also, nämlich dann, wenn „et fröh düster ös“.
Die Dritte im Kuchenheimer Bunde war Radiomoderatorin Katia Franke, von Haus aus zwar Kölnerin, aber seit über 20 Jahren Wahleifelerin und „om Dörp“ mittlerweile bestens integriert. Wie das funktioniert? „Wenn man auf dem Eifeler Kirmesball alle Aufforderungen zum Tanz annimmt, gehört man schnell dazu“, lachte Franke.
Respekt verdient durch Bodenhaftung
Schon beim Schnelldurchgang durch den Prolog des Buches lief das literarische Terzett binnen weniger Minuten zu Hochform auf. Der Job als Landarzt birgt jede Menge Herausforderungen, erfuhren die Zuhörer, ist der Eifeler an sich doch stets auf der Hut – auch vor angeblichen Autoritäten. Was wiederum bedeutet: Man muss sich den Respekt erst mal verdienen. Am besten durch Bodenhaftung.
Erschwerend kommt hinzu, dass die von bösen Zungen als „krummbeiniges, diebisches Bergvolk“ bezeichnete Eifeler Spezies entgegen anderslautender Vermutungen zwar weder zur Wehleidigkeit noch zum Hypochondrismus neigt, dafür aber zur Selbstmedikation und zum strikten Nichtbefolgen ärztlicher Ratschläge.
Mit Verve entführte Zumbé in seinem schier überbordenden Fundus an wonnigen Geschichten in die unwägbare Welt der grippalen Infekte mit all den ihr zugehörigen Begleiterscheinungen respektive „Attacken von Rhino-, Coxackie, Echo- oder Adenoviren“, Husten, Kratzen im Hals, allgemeinen Muskel- und Gelenkschmerzen mit und ohne Fieber, oft gepaart mit depressiver Grundstimmung, weil man sozusagen „hinten und vorne nicht mehr hochkommt“.
Zur Sprache kamen neben alten Eifeler Gebräuchen, wie Hausgeburten, Namenstags-Feierlichkeiten & Co. auch bewährte Leichenschmaus-Traditionen, bei denen gemeinhin „Streukooche, Appeltaat mött Reemsche un Schnettche mött deck Schönk, seltener Sahne-Noss-, Sahne-Ananas- unn ne Buttekrem mot suvell Kalorien, die für 14 Daach jereich hätte, auf den Tisch kamen“.
Apropos: „Nirgendwo wird so viel gelogen wie auf Beerdigungen“, ulkte Zumbé und freute sich scherzhaft schon auf den eigenen Nachruf, der dokumentiere, was „man doch für ein netter Mensch gewesen ist“. Die 160 Literaturfreunde im Kuchenheimer Industriemuseum lauschten hingerissen und spendeten zum Finale einen Riesenapplaus für ein unterhaltsames Moderatoren-Trio einerseits, vor allem aber für einen Mann, der eines war, ist und es zweifellos auch immer bleiben wird: Ein Eifel-Doc mit Leib und Seele.
Küpper, Scheuer, Berndorf, Derwahl, Verbeek und Conrady
Heinz-Otto Koch, der Vorsitzende des Tuchmuseums-Fördervereins, hatte das Programm einmal mehr organisiert und vorbereitet. Er hatte die von Manfred Lang betreute Literaturreihe im LVR-Industriemuseum seinerzeit von seinem Vorgänger Hans Bösch übernommen.
Koch erinnerte daran, dass in den Jahren unter anderem so bekannte Autoren wie Heinz Küpper, Norbert Scheuer, Jacques Berndorf, Ludwig Verbeek, Jason Dark, Hildegard Moos-Heindrichs, Freddy Derwahl und Professor Dr. Hans-Otto Conrady vorlasen und sich ins Gespräch verwickeln ließen. Im vergangenen Jahr waren Katia Franke, Manfred Lang und Ralf Kramp im Rahmen der Lit.Eifel mit dem „Club der toten Eifeldichter“ in der Shedhalle zu Gast gewesen .
Heinz-Otto Koch freute sich riesig über die nun schon seit einer ganzen Reihe von Jahren konstant hohen Publikumsresonanz bei „Gespräch und Rezitation“. Er befand, das LVR-Industriemuseum müsse sich ganz sicher nicht hinter anderen Veranstaltern des rheinischen Literaturbetriebes verstecken.
Claudia Hoffmann/pp/Agentur ProfiPress