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Bücher binden wie die Römer

Kalenbergerin Stephanie Baues stellt ihr Handwerk vor – Kleine Werkstatt im historischen Wohnhaus – Traditionelle Maschinen und moderne Verfahren – Teilnehmerin am Projekt Erlebnis.Handwerk.Eifel

Eifel/Mechernich-Kalenberg – Wenn man die Kalenberger Buchbinderin Stephanie Baues nach ihrem Handwerk fragt, beginnen ihre Augen zu leuchten und sie ist kaum noch zu bremsen. Erstmals in Kontakt kam sie mit ihrem Beruf während eines Praktikums in einer Kölner Buchbinderei: „Von da an war ich infiziert“, so Baues.

Notieren wie die Römer: Schon damals verwendeten die Römer in Holz eingelassenes Wachs als Fläche, um wichtige Notizen mit einem Messingstift darin festzuhalten. Foto: Alice Gempfer/pp/Agentur ProfiPress
Notieren wie die Römer: Schon damals verwendeten die Römer in Holz eingelassenes Wachs als Fläche, um wichtige Notizen mit einem Messingstift darin festzuhalten. Foto: Alice Gempfer/pp/Agentur ProfiPress

Dunkle Steintreppen führen hinunter in das gemauerte Kellergewölbe, in dem sich Stephanie Baues Buchbinderwerkstatt befindet. Ein Geruch nach Leim und Papier liegt in der Luft. Vorsichtig präsentiert die 45-Jährige ihren aktuellen Auftrag: Ein Buch aus dem Jahr 1618. Die vergilbten Seiten zum Rand hin braun, drohen pudrig zu zerfallen. Das historische Stück erinnert an das Buch eines Magiers wie es in „Harry Potter“ vorkommen könnte. Die maroden Seiten sind in Sütterlin beschriftet. Behutsam streicht die Expertin über den in großen Teilen zerfallenen Einband. „Das Buch wurde mir von einem Familienforscher übergeben, es handelt sich um ein Protokollbuch“, erklärt Baues. Mit besonderen Verfahren will die Buchbinderin den Einband erneuern und dafür sorgen, dass die Seiten nicht weiter reißen, damit das Unikat zum Entziffern weitergegeben werden kann.

Baues Liebling unter den Sammlerstücken: Ein Beutelbuch, das im Mittelalter in Mode kam und hauptsächlich aus praktischen Zwecken verwendet wurde. Foto: Alice Gempfer/pp/Agentur ProfiPress
Baues Liebling unter den Sammlerstücken: Ein Beutelbuch, das im Mittelalter in Mode kam und hauptsächlich aus praktischen Zwecken verwendet wurde. Foto: Alice Gempfer/pp/Agentur ProfiPress

Nach dem Abitur in ihrer Heimatstadt Mönchengladbach wusste Stephanie Baues eines ganz genau: Ich will was mit Büchern machen.“ Schnell kam sie dabei auf die Buchbinderei – und fand über das Praktikum auch ihren Ausbildungsplatz. Ein wenig, berichtet sie, sei dieser Weg vielleicht vorgezeichnet gewesen. Mit einer Mutter, die „Bücher nicht liest, sondern verschlingt“ und einem Vater, der Schriftsetzermeister ist, kam die heute 45-Jährige schon früh mit Büchern in Berührung.

Den meisten Spaß an ihrem Handwerk bereitet ihr die Vielseitigkeit, die es bietet. „Die Kunst in allem, was mir tagtäglich begegnet“ nennt sie das. Wenn man Stephanie Baues beim Wort nimmt, so arbeitet die begeisterte Buchbinderin „24 Stunden am Tag – und das sieben Tage die Woche“ in ihrem Handwerk. Schließlich sei es für sie nicht nur ein Beruf, sondern zugleich auch ihr liebstes Hobby. Einzige Ausnahme: Gemeinsam mit ihrem Mann musiziert sie in einer Formation, die mittelalterliche Musik spielt.

Mithilfe der Buchfadenheftmaschine werden einzelne Druckbögen zu-sammengeheftet. Foto: Alice Gempfer/pp/Agentur ProfiPress
Mithilfe der Buchfadenheftmaschine werden einzelne Druckbögen zu-sammengeheftet. Foto: Alice Gempfer/pp/Agentur ProfiPress

Doch was genau macht eigentlich eine Buchbinderin? Die Frage ist berechtigt, denn das Handwerk in seiner traditionellen Ausführung ist heute nicht mehr sehr weit verbreitet. Stephanie Baues erklärt: „Die Arbeit eines Buchbinders besteht beispielsweise darin, bei ganz alten Büchern zu retten, was zu retten ist. Oft restauriere ich Einbände, fasse die Buchblöcke neu und bessere mit Japanpapier kleinere und auch sehr große schadhafte Stellen an einzelnen Buchseiten aus“. Aber auch Neuanfertigungen wie etwa Notizbücher oder Fotoalben entstehen in ihrer Werkstatt. In der klassischen Buchbinderei, berichtet sie, gebe es unterschiedliche Methoden. Das sogenannte „Heften“ von Büchern geht zurück auf die Ursprünge des Handwerks im 1. bis 2. Jahrhundert. Über Jahrhunderte war es die einzige Methode, die Seiten eines Buches zusammenzuhalten. Stephanie Baues: „Dazu werden geknickte, ineinandergesteckte Doppelblätter – in der Regel mit einem Faden – zusammengenäht.“

Mit Hilfe einer umfassenden Sammlung von Bleibuchstaben setzt Ste-phanie Baues die Buchtitel und druckt sie auf die Bucheeinbände. Foto: Alice Gempfer/pp/Agentur ProfiPress
Mit Hilfe einer umfassenden Sammlung von Bleibuchstaben setzt Ste-phanie Baues die Buchtitel und druckt sie auf die Bucheeinbände. Foto: Alice Gempfer/pp/Agentur ProfiPress

Die Römer, berichtet Baues, seien die ersten gewesen, die diese Technik angewendet hätten: „Wichtige Dinge wurden in Stein gemeißelt“, erläutert sie, „aber als eine Art Notizbuch nutzte man Holzplatten, die mit Lederbändern zusammengehalten wurden.“ Anhand eines Modells erklärt die Buchbinderin die Funktionsweise dieser ersten „Notizzettel“, wie sie etwa Kaufmänner oder Senatoren genutzt haben: „Auf der Innenseite waren die Tafeln vertieft und mit Wachs aufgefüllt.“

Behutsam nimmt Stephanie Baues einen kleinen Stift aus Messing, der an der Seite des Buches mit einem Lederriemen befestigt ist. Er hat ein spitzes und ein flaches Ende. Mit diesem sogenannten „Stilus“ beginnt sie vorsichtig ein paar Buchstaben in das weiche Wachs zu ritzen. „Diese Art von Notizblock war für die damalige Zeit sehr praktisch, wenn Informationen nur vorübergehend gebraucht wurden. Es gab sogar so etwas wie einen Radiergummi.“ Mit der flachen Seite des Stilus streicht sie über die geschriebenen Buchstaben und glättet auf diese Weise wieder die Oberfläche des eingelassenen Wachses.

Vorsichtig präsentiert die Buchbinderin ihren aktuellen Auftrag: Ein Buch aus dem Jahr 1613, das in Sütterlin geschrieben ist und dringend einer Reparatur bedarf. Foto: Alice Gempfer/pp/Agentur ProfiPress
Vorsichtig präsentiert die Buchbinderin ihren aktuellen Auftrag: Ein Buch aus dem Jahr 1613, das in Sütterlin geschrieben ist und dringend einer Reparatur bedarf. Foto: Alice Gempfer/pp/Agentur ProfiPress

Zu den Lieblingsstücken der Kalenbergerin gehören zwei so genannte „Beutelbücher“. Der Name liegt auf der Hand: „Das sind kleine Bücher, die in eine Art langen Mantel gebunden sind und so aussehen, als seien sie in einem Beutel verpackt.“ Ursprünglich entstanden um 1450, gebe es weltweit nur noch 20 Originale. Der Beutel der Bücher endete in einem Knoten, der unter den Gürtel geschoben und so befestigt wurde. So war das Buch für den Besitzer jederzeit greifbar. Einst hergestellt als Heilige Schriften oder Kontorbücher für Kaufleute, sind die wenigen noch existierenden Exemplare heute ausschließlich Museumsstücke. „Das hier sind zwei Nachdrucke von Werken der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek, in dem Fall Stundenbücher. Weltweit gibt es davon nur 300 Stück“, erklärt Baues und präsentiert ihre beiden Beutelbücher. Eine Rarität, wie vieles in Baues Privatbesitz.

Betritt man ihr gemütliches Wohnhaus, dessen Grundmauern noch aus dem 12. Jahrhundert stammen, steht man plötzlich unmittelbar vor einem großen historischen „Backes“. Die Großeltern ihres Mannes, berichtet die Kalenbergerin, haben dort noch Brot gebacken. Im Raum selbst ist man umgeben von historischen Maschinen und Antiquitäten. Darunter beispielsweise eine Buchfadenheftmaschine aus dem Jahr 1964, die heute nicht mehr gebaut wird – bei Stephanie Baues aber noch oft im Einsatz ist. Mit ihr heftet sie die einzelnen Druckbögen zu Büchern zusammen. Als „besonderen Glücksgriff“ bezeichnet die Buchbinderin auch eine riesige, 500 Kilo schwere „Pappschere“ aus dem Jahr 1936. Mit einer Messerlänge von 1,25 Metern kann die Buchbinderin mit ihrer Hilfe besonders große Materialien schneiden.

Buchbinderin Stephanie Baues mit einem ganz alltäglichen Auftrag. Foto: Alice Gempfer/pp/Agentur ProfiPress
Buchbinderin Stephanie Baues mit einem ganz alltäglichen Auftrag. Foto: Alice Gempfer/pp/Agentur ProfiPress

Insgesamt sieben Maschinen aus den Jahren 1936 bis 2014 erleichtern der Buchbindemeisterin die tägliche Arbeit. Nicht zu vergessen eine umfassende Sammlung von Bleibuchstaben, mit denen Baues die Buchtitel setzt und auf Einbände druckt. Die Schriftensammlung fand zufällig den Weg zur Buchbinderin, sie stammt aus der früher in Mechernich ansässigen Druckerei Berk-Druck.

Nicht zuletzt auch aus Verbundenheit zu ihrem Handwerk engagiert sich Stephanie Baues auch im Projekt „Erlebnis.Handwerk.Eifel“. Dahinter verbirgt sich ein Zusammenschluss regionaler Handwerker unter dem Dach der Handwerkskammer (HWK) Aachen. Seit dem Jahr 2014 bietet die Kalenbergerin im Rahmen dieses Projektes auch Workshops in ihrer eigenen Werkstatt an.

Weitere Infos zum Projekt Erlebnis.Handwerk.Eifel gibt es im Internet unter: www.erlebnis-handwerk-eifel.de.

Rebekka Kehren pp/Agentur ProfiPress