Bewertungskommission im Dreifachort
Sistig nimmt gemeinsam mit Steinfelderheistert und Frohnrath am Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ mit – Aus dem Kaller Gemeindegebiet stellt sich auch Scheven zur Wahl
Kall-Sistig – Der Lichtblick fiel Dornröschen ins Gesicht und sie wachte mit dem ganzen Hofstaat auf. Wenn man den Ausführungen von Lothar Gerhards, stellvertretender Kirchenvorstand in Sistig, glaubt, ist es ungefähr so gewesen: Im Jahr 2009 wurde an die Kirche der „Lichtblick“ gebaut, ein Versammlungsraum, der wegen seiner Glasdach-Konstruktion seinen Namen erhalten hat. „Das hat eine Menge Zeit und Geld gekostet – aber es hat das ganze Dorf aus dem Dornröschenschlaf geweckt“, erzählt er.
Die Kommission des Landeswettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“ hörte Gerhards Ausführungen ebenso konzentriert zu, wie später bei der ausführlichen Vorstellung der Orte Sistig, Steinfelderheistert und Frohnrath durch den gemeinsamen Ortsvorsteher Karl Vermöhlen. Eine Stunde hat ein Dorf Zeit, sich zu präsentieren. So war es vor Sistig auch in Scheven gewesen, der vierten Kaller Ortschaft, die am Wettbewerb teilnimmt. Weil Vermöhlen „seine“ drei Dörfer aber „en bloc“ darstellte, gewährte die Kommission insgesamt fast zweieinhalb Stunden.
Vermöhlen achtete darauf, dass auch die beiden kleineren Dörfer nicht zu kurz kamen – eine bewusste Entscheidung. „Nur im Verbund ist vieles zu schaffen“, sagte der Ortsvorsteher. Natürlich dominiert Sistig aufgrund seiner Infrastruktur und im Gegensatz zu den beiden anderen Dörfern auch aufgrund seiner Einwohnerzahl: 748 gegenüber 138 (Frohnrath) und 120 (Steinfelderheistert). In Sistig gibt es eine Gemeinschaftsgrundschule, den Kindergarten Rappelkiste – für die demografische Entwicklung des Ortes ist das großartig, weil sich junge Familien ansiedeln. „Viele alte Häuser werden von jungen Leuten übernommen“, berichtet Vermöhlen.
Dass Sistig in den vergangenen Jahren aufgewacht ist, beweisen aber noch mehr Fakten: Die Bürger beteiligen sich aktiv an der Entwicklung des Ortes – eine Tatsache, die bei der Kommission sehr gut ankommen dürfte. 2013 schlossen sie sich zu einer Frische-Genossenschaft zusammen, die das Sistiger Lädchen betreibt. Außerdem ist Sistig – übrigens genau wie Scheven – Pilot-Ort im Kreis in Sachen altersgerechtes Quartiersmanagement. Seit rund einem Jahr treffen sich die Bürger regelmäßig, um über die Zukunft ihres Ortes zu sprechen und um ihn nach ihren Wünschen zu gestalten. Natürlich wird dabei nicht nur auf die Senioren gehört, sondern auch auf die jungen Bewohner, denn die – so wäre es der Idealfall – sollen im Ort wohnen bleiben.
Zwei Bäcker, eine Metzgerei, ein Geflügelhof und mehr
Dass Sistig in der luxuriösen Situation ist, für ein Dorf seiner Größe gleich zwei Bäckereien und eine Metzgerei vorweisen zu können, dazu noch den Geflügelhof Walter, das Hotel-Restaurant Haus West und die Gaststätte Hubertushof, weiß Vermöhlen. Die Vorteile der drei Dörfer ließen sich noch beliebig ergänzen, vor allen Dingen in den Bereichen Tourismus, Brauchtumspflege und regenerative Energien. Auch das alles Pfunde, mit denen Sistig, Steinfelderheistert und Frohnrath wuchern können. Denn es geht nicht mehr nur darum, dass ein Ort sich für die Besichtigung durch die Kommission rausputzt wie beim Vorgängerwettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ und anschließend in den von Lothar Gerhards angesprochenen Dornröschenschlaf fällt.
Nach der Präsentation zog die Kommission inklusive Michael Heller, dem derzeitigen ersten Bürger der Gemeinde Kall, zunächst durch Sistig. Vermöhlen zeigte die alte Schule, die in der weiteren Ortsentwicklung eine entscheidende Rolle spielen soll, weil sie zum Begegnungsort umgebaut werden soll. Lothar Gerhards, ehemaliger Geschäftsführer des Naturparks Eifel, wies an seinem Haus auf die Vorteile künstlicher Schwalbennester hin, von denen er gleich einige unter seinem Dach angebracht hat. Und natürlich machte der Tross auch einen Abstecher ins Sistiger Lädchen, wo die Kommission davon überzeugt wurde, dass es dort alles gibt, was den täglichen Bedarf abdeckt.
Mit den Autos ging es anschließend noch zum Dorfgemeinschaftshaus nach Steinfelderheistert und nach Frohnrath, wo Karl Vermöhlen auf ein paar Besonderheiten dieser Orte hinwies. Franz Unterstetter, Leiter der sechsköpfigen Bewertungskommission des Kreises Euskirchen, gibt zu, dass ihn die Präsentationen der einzelnen Dörfer jedes Mal aufs Neue überrascht. „Die Leute stellen sehr viele Dinge an, um sich zu verbessern.“ Denn das sei das Ziel des Projekts „Unser Dorf hat Zukunft“: „Wir wollen versuchen, das Leben in den Dörfern lebenswert zu machen“, so Unterstetter.
pp/Agentur ProfiPress