Bahnhofsvorplatz hat höchste Priorität
Gut 50 Kaller bei der zweiten Bürgerwerkstatt in der Hauptschule – Auch Urftaue und Verkehrserschließung sind gewünscht
Kall – Das Votum der Kaller am Ende der zweiten Bürgerwerkstatt hätte nicht eindeutiger ausfallen können. Als sie mit roten Punkten auf einem „Blumenstrauß der Projekte“ priorisieren sollten, welche Maßnahme als erstes umgesetzt werden soll, war am Ende vor lauter roten Punkten, die die höchste Priorität darstellten, kaum noch zu entziffern, was auf der Blume überhaupt stand. Die Bürger wünschen sich zuallererst eine Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes und der Bahnhofstraße. Ebenfalls äußerst begehrt bei den Kallern: die Neugestaltung des Bahnhofsumfeldes, eine landschaftliche Gestaltung der Urftaue und eine Verbesserung der Verkehrserschließung.
Für das Team um Professor Rolf Westerheide vom Lehrstuhl und Institut für Städtebau und Landesplanung an der Technischen Hochschule Aachen und Architekt und Stadtplaner Uli Wildschütz vom Institut Raumplan kam das nicht überraschend. Bereits in der ersten Bürgerwerkstatt vor drei Monaten standen diese Punkte ganz oben auf der Wunschliste der Kaller, um ihren Ortskern attraktiver zu gestalten. Bei der zweiten Bürgerwerkstatt, zu der rund 50 Teilnehmer in die Aula der Hauptschule kamen, wurden die vier Themengebiete, die bei der ersten erarbeitet worden waren, konkretisiert und erste Planungen von Westerheide, Wildschütz und deren Team vorgestellt.
Und in fast jeder der vier „Kojen“, wie Westerheide sie nannte, dominierte das Thema Bahnhofstraße/Bahnhofsvorplatz. Der soll nach dem Wunsch der Planer aus Aachen komplett umgestaltet werden. Es soll eine große, ebenerdige Fläche vor dem Bahnhof entstehen. Zum Bahnhofsgebäude führt dann eine hohe Treppe – die ebenfalls zum Verweilen einladen soll.
Den neuen Bahnhofsvorplatz sehen die Planer als Dreh- und Angelpunkt von Kall. Er soll Platz bieten für den Wochenmarkt, für einen eventuellen Weihnachtsmarkt, auch die Aufstellung des Maibaums mitten im Ort sei denkbar – zumal der jetzige Ort am Hallenbad ebenfalls umgestaltet werden soll. Natürlich stellen sich die Planer auch eine Außengastronomie vor. Denkbar sei auch eine Verbindung mit dem Haus der Begegnung, das hinter dem Rathaus entstehen wird.
Breitere Bahnhofstraße wird zur Allee
Das alles ist aber nur möglich, wenn die Bahnhofstraße selbst auch umgestaltet wird. „Im Moment ist das eine freie Piste“, sagte Westerheide und spielt damit auf die Verkehrssituation an. Gewünscht ist, dass die Straße sogar noch breiter wird, als bisher, allerdings soll sie dann einen Allee-Charakter erhalten mit breiten Furten für Fußgänger und Radfahrer am Rand – und Parkplätzen am Straßenrand, was nicht allen der Kaller Bürger gefiel. Viele machten nämlich genau das als Knackpunkt aus, wenn auf der Bahnhofstraße wieder einmal der Verkehr stillsteht.
Der Bahnhof selbst soll nach den Vorschlägen der Planer ebenfalls umgestaltet werden. Mit einem freien Treppenaufgang hinter dem Bahnhof soll der 35 Meter lange Tunnel entschärft werden. Möglich werde das, indem man die Oleftalbahn-Trasse wie eine Straßenbahntrasse betrachte, die zu Fuß überquert werden darf. Außerdem sollen zwei barrierefreie Bahnsteige entstehen – Gespräche mit der Deutschen Bahn bezüglich dieser Umgestaltung hat es natürlich noch nicht gegeben. Der Vorteil: Der Tunnel unter den Gleisen würde auf 15 Meter verkürzt, dadurch per se der Angstraum verkleinert, außerdem soll dieser Tunnel deutlich heller werden, vielleicht sogar mit Glas gestaltet.
„Wir müssen diesen Platz schnell entwickeln, die Außenwirkung sollte sein: da passiert was. Und das muss man verdammt gut machen“, sagte Westerheide. Insgesamt ist es so, dass sich Gemeinde und Planer nun beeilen müssen, denn bis Ende des Jahres muss das Paket geschnürt sein, dass man der Bezirksregierung für eine Förderung präsentieren muss. „Nur dann wird mehr als eine Sache gefördert“, ist sich Westerheide sicher.
Während Uli Wildschütz eine Aufbruchstimmung in Kall bemerkte, freute sich Bürgermeister Herbert Radermacher: „Das angestoßene Thema wird Realität“ und bezeichnete die Planungen als eine „wirklich große Sache“. Groß wird auch das Investment sein, dass die Gemeinde – trotz einer eventuellen Förderung – tätigen muss. Das gilt auch für die Bürger, die für eine Neugestaltung des Ortskerns ebenfalls ein großes Engagement zeigen müssen, zum Teil auch finanziell. Denn es sollen auch Häuser saniert und Fassaden erneuert werden. „Wir schlagen 24 Häuser zur Förderung für eine Sanierung und 100 für eine Fassadenerneuerung vor“, sagte Planer Stefan Krapp. Jeweils rund ein Drittel werde dann schließlich auch umgesetzt.
Privates Engagement der Bürger ist gefragt
„Da muss man privat was in die Hand nehmen“, sagte Westerheide. Die Anlieger seien auch bei der landschaftlichen Gestaltung der Urftaue gefordert. Dort seien etwa Treppen denkbar, die die Urft wieder erlebbar machen. „Die Bewohnerschaft muss bereit sein, hier mitzuziehen“, so Westerheide. Auch bei der Verbreiterung der Bahnhofstraße müssten die Bürger mitspielen.
Wenn es nach dem Wunsch der Planer geht, soll der große Parkplatz am Hallenbad wegfallen. Parkmöglichkeiten will man rundherum schaffen, eventuell soll dabei auch die geplante Klimaschutzsiedlung südlich des Hallenbades eingebunden werden. Auf dem jetzigen Parkplatz soll eine Grünfläche entstehen – und zwar mit Spielplatz. Damit käme man auch dem Wunsch zweier Mädchen nach, die vor der ersten Bürgerwerkstatt Bürgermeister Herbert Radermacher einen Brief in die Hand drückten, mit dem sie die Bitte nach einem Spielplatz äußerten.
Das Thema Verkehr wurde grob behandelt. Klar ist: Unter anderem ist natürlich eine Südtangente geplant. Aber Westerheide gibt zu: Ein aussagekräftiges Verkehrs- oder Mobilitätskonzept muss noch erarbeitet werden.
Als es zum Schluss der Veranstaltung um ein Leitbild gehen sollte, musste Westerheide passen. Um hier den passenden Leitsatz zu finden, soll ein Wettbewerb gestartet werden. Westerheide konstatierte: „Vielleicht sollten wir da in Ruhe bei einem Gläschen Wein noch mal wegen eines Slogans für die Stadt überlegen.“
pp/Agentur ProfiPress