Gestalten mit Gegensätzen
Mechernicher „Galerie im Rathaus“ zeigt bis Mitte November Werke des Hanseaten, Weltreisenden und Wahl-Voreifelers Henning John von Freyend (78) – Franz Kruse kuratierte die 31. Ausstellung in der Mechernicher Stadtverwaltung – Dezernent Ralf Claßen: „Verwaltungsbesucher schauen sich die Kunst im Vorbeigehen an“
Mechernich – Porträts, Selbstporträts, Dorf- und Stadtansichten: Das sind die wesentlichen Sujets der neuen Ausstellung in der „Galerie im Rathaus“ von Mechernich. Kuratiert hat die Schau mit Arbeiten des 78 Jahre alten Henning John von Freyend aus Sievernich wieder Franz Kruse. Es ist seine 31. Ausstellung als Stadt-Kustos von Mechernich.
Henning John von Freyend ist Hanseat, genauer Hamburger, der seit dem Jahr 2000 in Sievernich lebt und dort auch sein Atelier hat. Doch bevor er offenbar in der Voreifel heimisch wurde, hat er, wie viele Künstlerkollegen und Künstlerkolleginnen, eine kleine Weltreise hinter sich gebracht.
Angefangen vom Studium der Methodik der Form- und Bildgestaltung in Basel über die Arbeit als Werbegrafiker in New York, dazwischen war er Gründer der Künstlergruppe EXIT in Köln (1969), dann folgte ein mehrjähriger Aufenthalt in Rio de Janeiro.
32 Arbeiten im Mittelformat
Von Freyend hat sich nun mit Kurator Franz Kruse zusammengesetzt und 32 meist mittel-formatige Arbeiten ausgesucht, die zwischen 1990 und 2018 entstanden sind und für diesen Zeitraum einen gewissen Überblick über das Schaffen von Freyends geben sollen.
„Unsere Mitarbeiter erleben immer wieder, dass
Rathausbesucher durch den Flur unserer Galerie schlendern und sich die
ausgestellten Kunstwerke ansehen“, freute sich der städtische Mechernicher
Dezernent Ralf Claßen bei der Eröffnung.
So vermutlich auch jetzt und bis Mitte November angesichts der Werke von Henning
John von Freyend, obwohl dessen Arbeiten nicht so leicht zugänglich sind, wie
es die meist helle, optimistische Farbpallette und die oft realistische
Darstellung suggerieren.
Stilistisch ist sich von Freyend offenbar in den zurückliegenden 28 Jahren weitgehend
treu geblieben. „Ich male zwischen informeller und gestischer Malerei“ beschreibt
der Künstler selbst die Technik seiner Interpretation der Welt.
So konnten Porträts etwa des verstorbenen Schriftstellers Dieter Wellershoff oder seine vielen Selbstporträt entstehen. Die Motive sind oft realistisch genau, doch zugleich sind die Hintergründe vielleicht nur angedeutet erkennbar, oder gleich abstrakt, mit freier Geste auf die Leinwand aufgetragen.
Wohin will der Maler führen?
Das ist für den Betrachter nicht unproblematisch, er weiß
nicht, wohin ihn der Maler führen will. Besonders deutlich wird das Prinzip der
Gegensätze der Gestaltung bei den „Rasterbildern“, wie von Freyend sie nennt. Ein
typisches „Rasterbild“ ist die Arbeit „Himmel überm Dorf“: Die einzelnen Segmente
wirken wie kachelartige Teile eines Bilderpuzzles, willkürlich zusammengesetzt.
Gestische,
wild aufgetragene Farbflecken und Farbschichten überlagern das Dargestellte
immer wieder.
Das könne bei seiner Technik der unbewussten Malweise, in der Kunstgeschichte als
„Écriture automatique“ bekannt, durchaus passieren, gibt von Freyend zum
Entstehungsprozess einiger seiner Bilder zu. Er überlässt sich im Atelier vor
der Leinwand auf der Staffelei dann dem Schaffensrausch, und ist am Ende immer
wieder selbst von dem überrascht, was entstanden ist: ein assoziationsreiches
Deutungsangebot, kein realistisches Welt-Abbild.
Mit dieser auf den ersten Blick widersprüchlichen Maltechnik hat es sich Henning
John von Freyend auf dem Kunstmarkt nicht immer leicht gemacht, obwohl es
zahlreiche Ankäufe von Sammlern und eine Reihe von Ausstellungen gegeben hat.
Seiner Ausstellung in der „Galerie im Rathaus“ in Mechernich hat er das Motto vorangestellt: „Allenthalben nicht verzagen, lieber erst die Seele fragen“. Eine bescheidene und sympathische Aufforderung, sich auf seine Bilder einzulassen.
Stefan Lieser/pp/Agentur ProfiPress