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Gestottert, gelesen, gefragt

Leseclub der Grundschule Mechernich veranstaltete eine ganz besondere Literatur-Lesung – In Kooperation mit der lit.RUHR und der lit.COLOGNE war Autorin Frauke Angel mit ihrem „Tagebuch eines Überfliegers“ zu Gast

Mechernich – Vorne in der ersten Reihe sitzt eine Frau mit Rollschuhen. Alle Stühle neben und hinter ihr im Foyer der Mechernicher Grundschule sind besetzt. Eltern, Kinder, Großeltern, Lehrerinnen und Lehrer warten gespannt darauf, dass es auf der Bühne losgeht. Aber was hat diese Frau da zu suchen? Und warum trägt sie Rollschuhe? Fragen, auf die es im Verlauf der Veranstaltung Antworten geben wird. Denn bei dieser ganz besonderen Literatur-Lesung wurde gestottert, gelesen, gefragt – und auch ganz viel gelacht.

Die Vorbereitungen dazu gingen bereit vor einigen Monaten los: Schülerinnen und Schüler des „Leseclubs“ machten sich daran, eine Literatur-Lesung zu organisieren – von der Wahl einer Autorin bis zum Wasserglas auf dem Lesepult. Unterstützt wurden sie dabei von der lit.RUHR und lit.COLOGNE, die mit diesem Projekt Schülerinnen und Schülern aus möglichst unterschiedlichen Schulformen und sozialen Umfeldern die Chance bieten, eigenständig eine Autoren-Lesung umzusetzen.

Die Projektteilnehmer an der Grundschule Mechernich haben sich dafür das Buch „Tagebuch eines Überfliegers“ von Frauke Angel ausgesucht. Monatelang haben sie sich nicht nur mit diesem spannenden Roman beschäftigt, sondern auch die Veranstaltung vorbereitet, die musikalisch vom Pianisten Manfred Schümer begleitet wurde. Begleitet wurden die Kinder auch von der Sozialpädagogin Gerlinde Suetake, die den Leseclub moralisch unterstützte, als der auf die Bühne ging, um die ersten Seiten aus dem Roman vorzulesen.

Ruhig sitzen und vorlesen? Nicht bei Frauke Angel. Ihre Lesung aus ihrem „Tagebuch eines Überfliegers“ in der Mechernicher Grundschule war gestenreich, energiegeladen und machte richtig Spaß. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress
Ruhig sitzen und vorlesen? Nicht bei Frauke Angel. Ihre Lesung aus ihrem „Tagebuch eines Überfliegers“ in der Mechernicher Grundschule war gestenreich, energiegeladen und machte richtig Spaß. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress

Gedankenleser müsste es geben

Darin geht es um Tomke, einen Jungen, der stottert. Der hat es satt, von Mama, Oma und Papa gegängelt zu werden. Denn egal, was sie auch unternehmen, die Wörter wollen nun mal nicht so aus seinem Mund kommen, wie er sie im Kopf hat. Deswegen redet Tomke nicht viel und wünscht sich einen Gedankenleser. Vor allem, um mit Delia, dem glitzergrünen Mädchen, zu reden, das immer auf Rollschuhen vor der Sporthalle unterwegs ist – und Tomke doch tatsächlich zugezwinkert hat.

Stopp. Da war doch diese Frau mit den Rollschuhen im Publikum. Die hat bestimmt etwas mit dem Buch zu tun. Und ob! Denn es ist die Autorin, Frauke Angel, die nach dem Auftritt des Leseclubs auf acht Rollen die Bühne erstürmt.

Die 13 Schülerinnen und Schüler des Leseclubs hatten die Lesung in Kooperation mit der lit.RUHR und der lit.COLOGNE organisiert und lasen zunächst selbst aus dem Buch. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress
Die 13 Schülerinnen und Schüler des Leseclubs hatten die Lesung in Kooperation mit der lit.RUHR und der lit.COLOGNE organisiert und lasen zunächst selbst aus dem Buch. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress

Dort angekommen, liest sie aus ihrem Buch, lässt sich von den Leseclub-Kids Löcher in den Bauch fragen und berichtet über Hintergründe zu ihrem Buch. „Das Stottern ist übrigens eine Behinderung, eine Sprachstörung, die relativ häufig vorkommt, sehr plötzlich auftritt und genauso plötzlich wieder weggeht. Meistens geht das nur bis zum Kindergarten und endet vor der Grundschule. Und ganz oft sind Jungs betroffen“, berichtet Frauke Angel, die aus Gesprächen mit kleinen Stotterern eben genau weiß, welche Dinge sie nerven.

Genau das hat sie in ihrem Buch auch verarbeitet, das Lesern das Stottern näherbringen und anderen Betroffenen Mut machen soll. Um das zu erreichen, macht Tomke erstaunliche Entdeckungen: Zum Beispiel gibt es viele berühmte Menschen, die gestottert haben. Marilyn Monroe zum Beispiel, der Graf, Sänger von Unheilig, ebenso oder auch König George VI. von England.

Knifflige Fragen hatten die Schüler für Frauke Angel vorbereitet: Die war allerdings nie um eine Antwort verlegen. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress
Knifflige Fragen hatten die Schüler für Frauke Angel vorbereitet: Die war allerdings nie um eine Antwort verlegen. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress

Lieblingstier? Schwein!

So lernt Tomke, dass beim Stottern singen helfen kann, ebenso wie Sport oder Gelassenheit. Im Buch werden Themen wie Stottern, Gehörlosigkeit oder auch Mobbing herrlich unverkrampft transportiert und behandelt. Ebenso unverkrampft präsentierte sich Frauke Angel bei den Fragen der Mechernicher Grundschüler.

Ihr Lieblingstier? „Das Schwein“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. „Das sind nämlich super schlaue Tiere, die 100 Befehle lernen können“, begründet die Autorin ihre Wahl. Ihr Lieblingssport? „Boxen.“ Die Antwort löst ein erstauntes Raunen im Publikum aus. „Ich boxe und früher bin ich Rollschuh gelaufen. Ich mache sehr viel Sport. Den brauche ich als Ausgleich zum Schreibtisch“, so Frauke Angel.

Das Foyer der Mechernicher Grundschule war prall gefüllt mit Eltern, Großeltern, Kindern, Lehrerinnen und Lehrern, die alle begeistert waren von dieser ganz besonderen Lesung. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress
Das Foyer der Mechernicher Grundschule war prall gefüllt mit Eltern, Großeltern, Kindern, Lehrerinnen und Lehrern, die alle begeistert waren von dieser ganz besonderen Lesung. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress

Apropos Schreibtisch. Wie lange braucht sie um ein Buch zu schreiben? „Oh, das sind ja alles meine geheimsten Geheimnisse“, leitet sie die Antwort humorvoll ein, um dann zu berichten: „Bei mir ist es so, dass ich ein Buch erst dann schreibe, wenn das in meinem Kopf komplett fertig ist. Dann setze ich mich an meinen Laptop und fange an zu schreiben.“

Deswegen sei der reine Schreibprozess ziemlich kurz – so zwischen drei Wochen und drei Monaten. „Aber, wenn ich meine, ich schreibe, dann schreibe ich“, erläutert Frauke Angel, die in dieser Phase ohne Unterlass schreibt und schreibt und schreibt. „Ich schreibe so lange, bis diese Geschichte raus ist aus dem Kopf“, so die Autorin, die auch verriet, dass sie eine ganz starke Legasthenie, also eine Rechtsschreibschwäche, hat.

Pianist Manfred Schümer begleitet die Lesung musikalisch. Im Hintergrund zu sehen Sozialpädagogin Gerlinde Suetake, die die Leseclub-Kids bei der Aktion unterstützte. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress
Pianist Manfred Schümer begleitet die Lesung musikalisch. Im Hintergrund zu sehen Sozialpädagogin Gerlinde Suetake, die die Leseclub-Kids bei der Aktion unterstützte. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress

Trotzdem hat sie sich nicht davon abbringen lassen zu schreiben. Denn Frauke Angel hat eine Botschaft für ihr Publikum: „Das Wichtige ist, dass ihr später einen Beruf macht, der euch Spaß macht. Und mein Beruf, der macht mir wahnsinnig viel Spaß.“ Das ist sowas von deutlich spürbar.

Genauso klar wird im Laufe der Lesung auch die Botschaft, die Frauke Angels Buch beinhaltet. Denn der stotternde Tomke zeigt auf, wie er trotz seiner Behinderung seinen Weg macht, ihn voller Überzeugung geht und sich nicht von äußeren Einflüssen beeindrucken lässt. Die Rollschuhe, die die Autorin während der Lesung in Mechernich trägt, unterstreichen diese Botschaft nochmal und Frauke Angel bringt es mit einer kurzen Aussage auf den Punkt: „Warum ich heute die Rollschuhe angezogen habe? Weil ich es kann.“

pp/Agentur ProfiPress