Zum Nachdenken in den Trainingsraum
Erfolgreiches Konzept an der Sekundarschule Mechernich-Kall – Nach der gelben und roten Karte trainieren Störenfriede die Selbsteinsicht – RWE sponsert den Trainingsraum
Mechernich – Zum x-ten Mal das Heft vergessen, im Unterricht gerülpst oder mit dem Smartphone gespielt? Ganze Schülergenerationen lang gehörten Strafarbeiten und das In-der-Ecke-Stehen zu den probaten Erziehungsmitteln, um Störenfriede im Klassenzimmer zur Raison zu bringen. Die Aussicht, 50-mal den Satz „Ich darf meine Hausaufgaben nicht vergessen” schreiben zu müssen, mag auf den ein oder anderen Schüler abschreckend wirken. Doch dass antiquierte Strafen aus einem notorischen Lehrerschreck einen strebsamen Schüler machen, daran glaubt heute kein Lehrer mehr.
Die Sekundarschule Mechernich-Kall geht mittlerweile an ihrem Standort Mechernich erfolgreich einen ganz anderen Weg, um Störenfriede zum Nachdenken zu bringen: Dort wurde ein so genannter „Trainingsraum“ eingerichtet, in den Schüler geschickt werden, nachdem der Lehrer ihnen bereits die „gelbe“ und die „rote Karte“ gezeigt hat. Trainiert werden hier aber keine Muskeln, sondern das eigenverantwortliche Denken.
Cornelia Carl, die den Trainingsraum leitet, händigt den Schülern, die zu ihr geschickt werden, einen „Rückkehrplan“ aus, den sie unter ihrer Aufsicht ausfüllen. Neben der Benennung ihres unerwünschten Verhaltens müssen Störenfriede einige Fragen beantworten, bevor sie wieder am Unterricht teilnehmen dürfen. „Welche Folgen hat dein Verhalten für dich, deine Mitschüler, deine Lehrer?“ und „Wie willst du dich stattdessen im Unterricht verhalten, damit deine Mitschüler und Lehrer deine Bemühungen sehen?“ sind zwei von neun Fragen, die beantwortet sein müssen, bevor Cornelia Carl ihren Schützling nach einem abschließenden „Rückführungsgespräch“ wieder in den Unterricht entlässt.
„In der Zwischenzeit ist der gestörte Unterricht entlastet, wertvolle Unterrichtszeit für alle wird gewonnen“, berichtete Schulleiterin Dagmar Wertenbruch im Beisein von Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, Erstem Beigeordneten Thomas Hambach, Willi Göbbel, dem Teamleiter Schulen/Jugend bei der Stadt Mechernich sowie RWE-Kommunalbetreuer Walfried Heinen und RWE-Pressesprecherin Edith Feuerborn nun von den guten Erfahrung mit dem Trainingsraum seit seiner Einrichtung Ende 2013. Entwickelt wurde das Konzept vom Kollegium unter der Federführung von Sonderpädagogin Marita Santema nach einer Kollegiumsfortbildung durch die Schulsozialarbeiterin der Sekundarschule in Bornheim-Merten, die bereits seit längerem mit dem Trainingsraum arbeitet.
„Wir sehen, dass sich das Verhalten der Schüler durch Trainingsraumbesuche zum Positiven ändert “, resümierte Dagmar Wertenbruch. Der Trainingsraum darf auch von Schülern genutzt werden, die eine Ruhezone im manchmal lauten Schulalltag suchen. „Auf Wunsch können sie hier ungestört arbeiten, wenn ihnen das im Unterrichtsraum nicht möglich ist“, erzählte die Schulleiterin, ein Angebot, das gerne und häufig genutzt würde. Und schließlich dient der Raum außerdem als Nachschreibeort für Klassenarbeiten.
Von der Arbeit, die Cornelia Carl im Trainingsraum leistet, zeigten sich die Besucher sehr angetan. Cornelia Carl, die bereits in der Übermittagbetreuung der städtischen Realschule gearbeitet hat und Mutter von vier Söhnen ist, sei ebenso ruhig wie konsequent und damit „die ideale Person für diese Aufgabe“, lobte Schulleiterin Wertenbruch. Wie Cornelia Carl berichtete, konnten im Trainingsraum auch schon lange schwelende Streitigkeiten unter Schülern geklärt und bereinigt werden. „Auch das entlastet den Unterricht enorm“, berichtete Marita Santema. Zudem verringere sich der Unterrichtsausfall erheblich, wenn Lehrer sich während der Stunde nicht mit Streitschlichtung befassen müssten.
Dass der Trainingsraum realisiert werden konnte, verdankt die Stadt Mechernich dem RWE als Hauptsponsor. Das Engagement des Stromversorgers in nicht unerheblichem finanziellem Ausmaß lobte Dr. Hans-Peter Schick und wünschte sich ausdrücklich, dass diese Form des Sponsorings Nachahmer finde. „Viele Firmen und Organisationen unterstützen sicht- und greifbare Projekte finanziell. Doch was kann für unsere Gesellschaft wichtiger sein, als in unsere Kinder zu investieren“, sagte der Bürgermeister.
pp/Agentur ProfiPress