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„Zukunft, wir kommen!“

Kirmes im Hermann-Josef-Haus Urft am 10. Mai

Kall-Urft – Nicht wegzudenken aus dem Terminkalender vieler Eifeler ist an Christi Himmelfahrt die Heimkirmes im Hermann-Josef-Haus in Urft. Seit mindestens 80 Jahren findet sie regelmäßig statt, so auch in diesem Jahr. Übergeordnetes Thema ist das Jubiläum der Einrichtung. Unter dem Motto „100 Jahre Hermann-Josef-Haus – Zukunft, wir kommen!“ wird ab 10.30 Uhr gefeiert.

Zum Auftakt gibt es einen Wortgottesdienst in der Kapelle des Hermann-Josef-Hauses (Urfttalstraße 41). Anschließend geht es mit einem bunten Kirmestreiben auf dem Schulhof weiter. Erzieher, Kinder und Jugendliche versprechen ein tolles Programm mit jeder Menge Spaß, Überraschungen sowie lustigen und spannenden Spielangeboten.

Bei der Heimkirmes wird das 100-jährige Bestehen des Hermann-Josef-Hauses thematisiert. Foto: Hermann-Josef-Haus/pp/Agentur ProfiPress

Passend zum Motto des Jubiläums können die Besucher beispielsweise in die Zukunft blicken, an Meteoritenläufen und Höhenflügen teilnehmen, Zeitsprünge unternehmen oder aber Ufos versenken. Die Heimband „Fireflies“ gestaltet die Kirmes musikalisch. Auch Kinderliedermacher Uwe Reetz hat sein Kommen angekündigt. Mit einem Fußballspiel wird die Heimkirmes im WM-Jahr gegen 17 Uhr abgepfiffen.

Eingeladen zur Heimkirmes sind nicht nur die Angehörigen der Kinder und Jugendlichen, sondern auch Ehemalige, Nachbarn, Freunde, Förderer und alle anderen Interessierten.

Erstmalige Erwähnung 1938

Erstmals erwähnt wurde die Festivität im Jahr 1938. Die ursprüngliche Intention war eine ganz andere als heute. Früher war die Heimkirmes ein Erntedankfest und wurde im Herbst gefeiert. Die Kinder aus dem Hermann-Josef-Haus halfen den örtlichen Bauern bei der Ernte. Dafür gab es ein wenig Geld, das sie bei der Heimkirmes wieder ausgeben konnten, meist für Süßigkeiten, denn „die waren wirklich günstig“ erinnert sich Salvatorianer-Schwester Maria Goretti Augustin, die von 1964 bis 2014 im Hermann-Josef-Haus beschäftigt war.

Gestaltet wurde und wird die Kirmes zum großen Teil von den Kindern und Jugendlichen selbst. Aktuell werden 230 junge Menschen in Urft von 200 Personen, entsprechend 160 Vollzeitstellen, betreut. Etwa 80 Kinder leben auf dem Gelände, die anderen in über den gesamten Kreis Euskirchen verteilten stationären Gruppen, Tagesgruppen oder aber werden ambulant betreut.

In den 60er-Jahren war die Freude über frittierte Kartoffelstreifen offenbar groß. Foto: Sr. Maria Goretti Augustin/pp/Agentur ProfiPress

Jede Gruppe denkt sich etwas anderes aus, was sie bei der Heimkirmes anbieten will. Früher waren das „Hau den Lukas“, eine Kegelbahn oder das obligatorische Tauziehen zwischen Erwachsenen und Kindern, später dann Strohballenweitwurf. Für alles mussten Besucher der Kirmes einen kleinen Obolus leisten. „Das eingenommene Geld floss ins Freizeit- und Urlaubsbudget der Kinder“, erzählt Schwester Maria Goretti.

Im Laufe der Zeit hat sich einiges geändert – von der Pädagogik über die Jugendhilfe bis hin zur Heimkirmes. Zur 60-Jahr-Feier wurde sie auf Christi Himmelfahrt verlegt. Dadurch liegt sie auch näher am Hermann-Josef-Fest. Mittlerweile müssen die Besucher für die angebotenen Aktionen auch nichts mehr zahlen. Stattdessen gibt es eine Laufkarte, die gefüllt werden muss, damit es einen Preis gibt. „Heute ist die Heimkirmes ein reines Kinderfest“, erzählt Iris Lindemann, die seit Anfang der 90er-Jahre in Urft tätig ist, zunächst als Erzieherin, später als Bereichsleiterin.

Oft tragische Vorgeschichten

Überbeanspruchen darf man die jungen Menschen bei der Heimkirmes nicht, darauf achtet die Mitarbeiterschaft. „Die Kinder helfen kräftig mit, aber nicht den ganzen Tag, sondern nach ihren Möglichkeiten“, berichtet Leiterin Susanne Beckschwarte. Denn die Kinder, die in Urft betreut und gefördert werden, haben oft tragische Vorgeschichten. Viele haben Traumatisches erlebt, wurden von den Eltern abgegeben, haben schon Zeiten in der Psychiatrie hinter sich. „Hier trägt jeder sein Päckchen voller Geschichten mit sich herum“, erzählt Beckschwarte, die seit eineinhalb Jahren das Hermann-Josef-Haus leitet. „Früher waren viele der Kinder, die hier leben, verwahrlost. Heute überwiegen psychische Erkrankungen und Störungsbilder der Kinder und ihrer Eltern.“ Auch das Alter hat sich geändert. Statt Jungen ab zehn Jahren wird heute schon nach Heimplätzen für Fünfjährige gefragt.

Erinnern sich an mehrere Epochen der Heimkirmes: Iris Lindemann (v.l.), Sr. Maria Goretti Augustin und Susanne Beckschwarte. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

So viel Freude die Heimkirmes den Kindern auch bereitet, bedeutet es gleichzeitig auch Stress. „Wir haben Kinder, mit denen fahren wir an diesem Tag lieber schwimmen“, berichtet Iris Lindemann. Hinzu kommt, dass man nicht voraussagen kann, ob die Eltern überhaupt kommen können. Deshalb haben die Pädagogen in Urft die Kinder und Jugendlichen genau im Blick und wissen, was diese brauchen und was ihnen guttut.

„Unser Ziel ist es, dass die Kinder so selbstständig werden und sich stabilisieren, dass die Rückführung nach Hause gelingt“, erzählt Beckschwarte. Es gilt, sie, denen schon in frühester Kindheit großes Leid widerfahren ist, an ein möglichst eigenverantwortliches, selbstständiges Leben heranführen. Beckschwarte: „Wir wollen unseren Kindern Stabilität mitgeben, damit sie in der Welt bestehen können.“

pp/Agentur ProfiPress