Syrer aus Kall übersetzte Film
Der Syrer Ahmad Almohamad, der in Kall lebt, hat den syrischen Film „Meine Heimat“ übersetzt und untertitelt – Deutschlandpremiere war jüngst in Euskirchen – Aufführung in Kall am 8. Mai um 19 Uhr im Kulturraum der Ene
Kall/Euskirchen – Neue Herausforderungen hatte Ahmad Almohamad in den letzten 16 Monaten eigentlich genug zu bewältigen: Die Flucht aus seiner Heimat Syrien, die Integration in einem fremden Land wie Deutschland, die mühsame Suche nach einer Wohnung, einer Arbeit und neuen Freunden. Jetzt kam eine neue Herausforderung dazu: Ahmad Almohamad hat einen Film übersetzt und untertitelt. „Meine Heimat“ feierte jüngst Deutschlandpremiere in Euskirchen.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich mal einen Film übersetze“, erzählt Almohamad, der seinen Bundesfreiwilligendienst beim KoBIZ, dem Kommunalen Bildungs- und Integrationszentrum des Kreises Euskirchen, absolviert. Dort fand er Unterstützung bei seiner Teamleiterin Vera Secker, die ihm erlaubte, den Film während der Arbeit zu übersetzen.
Doch zunächst machte er auch Bekanntschaft mit dem deutschen Urheberrecht. Ende 2016 hatte er den Film bei YouTube entdeckt, dort hat Regisseur Safwan Mostafa Nemo ihn eingestellt, jeder kann ihn ohne Gebühren sehen. Doch einfach übersetzen durfte Almohamad ihn nicht. „Meine Chefin sagte, dass ich zuerst den Filmemacher fragen muss“, berichtet Almohamad. Und der war nicht so einfach zu finden. Erst über Freunde aus Syrien gelang der persönliche Kontakt zum syrisch-stämmigen Regisseur und der Produktionsfirma Black2.
Nemo war von der Anfrage begeistert, hatte aber eine Bedingung: Der Film, der im syrischen Fernsehen als dreiteilige Mini-Serie lief und für die Film-Fassung von Ahmad Almohamad montiert wurde, sollte kostenlos gezeigt werden, damit möglichst viele Menschen ihn sehen können. Unterstützung fand Almohamad durch die „Aktion neue Nachbarn“ des Caritasverbandes im Kreisdekanat Euskirchen sowie dem KoBIZ selbst. Der Film wurde dann schließlich im Rahmen der Info-Reihe „Engagiert für Geflüchtete“ gezeigt.
Untertitel-Anleitung bei YouTube
Das nächste Problem: Ahmad Almohamad hatte bislang noch nie einen Film untertitelt. Doch zum Glück findet man im Internet Anleitungen für so gut wie alles, also auch, wie man Untertitel unter ein YouTube-Video bekommt.
Und dann legte Almohamad los. Erst hörte er die zu übersetzenden Passagen und schrieb sie nieder, anschließend übersetzte er sie. Das war aber nicht immer einfach. „Die syrische Sprache hat bestimmte Begriffe, die es auf Deutsch nicht gibt. Die musste ich erklären, deshalb sind die deutschen Sätze länger“, erklärt Almohamad.
Drei Monate, von Januar bis einschließlich März, war er neben anderen Aufgaben im KoBIZ mit der Übersetzung beschäftigt. Unterstützung fand er ab etwa der Hälfte des Projekts durch den Flüchtling Mohamad Hasan Dakkak, der Bundesfreiwilligendienstler des Integration Points im Jobcenter Euskirchen ist. Die Übersetzung besteht aus insgesamt 1777 Sätzen.
Cosima Wernecke, pädagogische Mitarbeiterin im KoBIZ, lektorierte den Text. „Sie hat wenig Fehler gefunden“, freute sich Almohamad, der hervorragend Deutsch spricht und dem man nicht anmerkt, dass er erst vor noch nicht einmal anderthalb Jahren geflüchtet ist. In Sachen Bildsprache hat er zwischen deutschen und syrischen Filmen keinen Unterschied ausmachen können. Dennoch findet er die Kombination mit den Untertiteln seltsam. „Man liest Deutsch, aber man sieht nicht Deutschland.“
Dramatische Flucht über das Mittelmeer
Doch was hat Almohamad überhaupt bewogen, die Filmumsetzung der Mini-Serie zu übersetzen? „Ich will zeigen, wie schlimm das ist, was Flüchtlinge erlebt haben, das Leid, und wie wichtig es ist, in Freiheit und ohne Krieg zu leben.“ Denn „Meine Heimat“ beschreibt die dramatische Flucht einer Gruppe von heimatlos gewordenen Syrern über das Mittelmeer nach Europa.
Das, was Safwan Mostafa Nemo in dem Film zeigt, machte Almohamad traurig. Besonders, weil er selbst auf abenteuerliche Art und Weise in einer „Nussschale“ geflohen ist, auch wenn er sagt: „Ich habe noch Schlimmeres erlebt.“ Ein wenig aufgeregt war er am Premierenabend, wie der Film, den er bestimmt schon 30-mal gesehen hat, wohl angenommen würde. „Ich hatte ein wenig Angst, dass Flüchtlinge rausgehen, weil der Film so traurig und tragisch ist.“ Wichtig war ihm deshalb, dass hinterher über das Gesehene diskutiert wurde. Weil einige Szenen emotional sehr aufwühlend sind, hatten KoBIZ und Caritas außerdem beschlossen, den Film nur für Erwachsene freizugeben.
Diese Entscheidung stellte sich als richtig heraus. 70 bis 80 Menschen waren ins Pfarrzentrum St. Martin in Euskirchen gekommen. „Nach dem Film haben alle geweint, auch Freunde, die ich noch nie habe weinen sehen“, berichtete Almohamad. Auch Alice Gempfer, Integrationsbeauftragte der Gemeinde Kall, sagte: „Ich war zutiefst berührt und erschüttert.“ Der Film zeige überzeugend die grenzenlose Verzweiflung. Eine der ersten Reaktionen aus dem Publikum nach der Aufführung: „So viele Menschen wie möglich sollten diesen Film gesehen haben.“ Almohamad hat bereits Anfragen nach Vorführungen in der ganzen Bundesrepublik.
Eine weitere Aufführung in Almohamads neuer Heimat Kall findet am Montag, 8. Mai, 19 Uhr, im Kulturraum der Ene (Hindenburgstraße 13) statt. Nach der Vorführung gibt es einen Austausch. Der Film ist auch bei dieser Aufführung wegen der teils drastischen Inhalte ab 18 Jahren empfohlen.
pp/Agentur ProfiPress