Medizinisches unterhaltsam in der „Mottenburg“ präsentiert
Die „Publikumslieblinge“ Prof. Hans Schwering und Prof. Dr. Karl F. R. Neufang unterhielten die Zuhörer im Gästehaus des Kuchenheimer Tuchmuseums
Euskirchen-Kuchenheim – Professor Hans Schwering freute sich, in der Mottenburg viele Zuhörer zu sehen, die er „von gemeinsamen OP-Erlebnissen kenne“ – aber auf den Kopf zusagen wollte er es dann doch keinem im Auditorium. „Wenn der Patient auf dem Tisch liegt, sieht er so völlig anders aus“, lautete seine Erklärung.
„Professoren und die liebe Medizin“ hieß die Veranstaltung im Gästehaus des LVR-Industriemuseums Euskirchen, die zum Jahresabschluss der Veranstaltungsreihe „Persönlichkeiten im Museum“ zahlreiche Zuhörer anlockte. Ihnen kündigte Heinz Otto Koch, Vorsitzender des veranstaltenden Fördervereins des Museums, zwei „Publikumslieblinge“ an: Prof. Dr. Hans Schwering, langjähriger Chefarzt der chirurgischen Abteilung im Marienhospital und der Euskirchener Radiologe Prof. Dr. Karl F. R. Neufang berichteten humorvoll und spannend aus ihrem langjährigen Berufsleben, warfen einen Blick in die Zukunft und sagten deutlich ihre Meinung dazu.
Die beiden Mediziner verbindet eine jahrzehntelange Zusammenarbeit. Bei ihrem gemeinsamen Auftritt kam Schwering der Part des Entertainers zu, der seinen Exkurs in die Geschichte der Chirurgie mit so mancher Anekdote aus seiner Zeit am Euskirchener Marienhospital anreicherte. Im Jahr 1985 beispielsweise, kurz nachdem er nach Euskirchen gekommen war und noch im Marienhospital wohnte, seien morgens um vier zwei Männer eingeliefert worden: „Ein katholischer Pfarrer und ein Räuber, 55 Jahre alt, davon 30 Jahre Knast-Erfahrung.“ Beim Versuch des Geistlichen, den Dieb mittels – man staune – eines Gewehres aus seinem Waffenschrank vom Klau der Kollekte abzuhalten, passierte es: Der Ganove entriss dem Pfarrer die Waffe, schlug ihm mit dem Kolben auf den Kopf, dabei löste sich ein Schuss, der in die Leiste des Gauners eindrang und die Aorta verletzte. Schwering: „So was kann schnell zum Tod führen.“ Tat es aber nicht, der Mann überlebte die Operation, eine der ersten Schwerings an seiner neuen Wirkungsstätte.
Auch ein anderer Fall bleibe ihm weniger aus medizinischen Gründen als wegen der kuriosen Begleitumstände in Erinnerung. Ein junger buddhistischer Mönch, der kurz zuvor mit einer Gruppe anderer Mönche aus Tibet in Euskirchen eingetroffen war, landete wegen einer Tuberkulose-Erkrankung Blut spuckend auf seinem OP-Tisch. „Um das Gelingen der OP zu fördern, zogen die anderen Mönche in einer farbenfrohen Bittprozession um das katholische Marienhospital.“ Dieser Fall zähle zu seinen schönsten Erlebnissen.
Angefangen bei frühesten Schädelöffnungen in Marokko über gewagte Experimente mit Tierblut bei Transfusionen (am Menschen!) und dem Ersten Weltkrieg, „dem großen Förderer der Chirurgie“ bis hin zum US-amerikanischen Operations-Roboter „Da Vinci“ spannte sich Schwerings Vortrag, den er mit zwei klaren Statements schloss: Zum einen halte er das Krankenhaus nicht für eine Einrichtung, die Gewinne abwerfen solle, gleichzeitig beobachte er „mit Sorge“, dass immer mehr Krankenhäuser an Ketten verkauft würden. Zum anderen machte er dem weiblichen Geschlecht ein Kompliment: Er habe bei Frauen seines Berufsstandes „sehr oft die größere Sensibilität und das größere Geschick“ gefunden. „Nicht umsonst hat mich meine Stellvertreterin operiert.“
Die Kommerzialisierung der Medizin kritisierte auch Professor Neufang, nachdem er in einem hochspannenden und auch für Laien verständlichen Vortrag die Entwicklung der Radiologie hatte Revue passieren lassen. Sei das Ganzkörper-CT etwa für Unfallopfer mit lebensgefährlichen Mehrfachverletzungen ein Segen, so ufere die Beliebtheit der modernen Technik beispielsweise dahingehend aus, dass Patienten, die seit drei Tagen über Rückenprobleme klagten, zum Röntgen geschickt würden.
Jährlich, so Neufang, würden 100 Millionen MRT weltweit durchgeführt, die Arbeitsbelastung der Radiologen nehme jedes Jahr um fünf Prozent zu, in der Radiologie herrsche bereits jetzt ein akuter Mangel an Fachkräften. „Wo gehen die Kosten hin, wer soll in zehn Jahren die Arbeit machen“, fragte er. Nicht nur am OP-Tisch, auch in seinem Fachbereich ersetze die Technik zunehmend den Menschen. Die vollautomatische Röntgenbildanalyse gebe es bereits, doch, so Neufang: „Zu viel Vertrauen in dieses Verfahren ist nicht ratsam. Wehe, der Algorithmus funktioniert nicht richtig.“ Daher, so gab er den Zuhörern mit auf den Weg, sei bei wichtigen Befunden stets ein zweiter Blick wichtig.
pp/Agentur ProfiPress