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Lebensstraßen

Eine Rezension: „Peehs Liebe“ von Norbert Scheuer – Ein Buch vom Mechernicher Bleiberg und aus Kall und doch ein Roman für die ganze Welt – Straßen verschwanden in der syrischen Wüste und in der Eifel und hinterließen doch Spuren, ebenso wie Menschen, die die Eifel verlassen, und Menschen, die außerhalb der Eifel nicht zurechtkommen

Der Schriftsteller Norbert Scheuer wurde am 16. Dezember 1951 in Prüm in der Eifel geboren. Er lebt in Keldenich, das zu Kall gehört und arbeitet hauptberuflich als Systemprogrammierer bei der Deutschen Telekom. Sein neuer Roman „Peehs Liebe“ ist eine poetische Geschichte über die Liebe, das Alter und das Anderssein. Foto: Irene Lange/pp/Agentur ProfiPress

Mechernich/Kall – Norbert Scheuers neuer Roman “Peehs Liebe” ist Poesie pur, in Prosa überführte Lyrik. Man merkt, dass der Erfolgsautor aus Kall/Eifel, Ortsteil Keldenich, als Erschaffer moderner Verse literarisch angefangen hat. Seine Sprache ist klar, jedes Wort ist abgewogen, seine Satzbauten sind klar strukturiert in einem Wechsel aus einfachen Hauptsätzen und in meditativer Regelmäßigkeit punktgenau eingefügten Satzkonstruktionen, die tragen, und die doch so übersichtlich geschachtelt sind wie der neue Roman selbst.

Scheuer schreibt wie ein Poet, der verstanden werden will, auch in seinen Symbolen, Metaphern und Allegorien. Man ist schnell in diesem Buch und in seinem unablässigen wie unspektakulären Erzählfluss “gefangen”, nein, “zu Hause”. Auch wenn der Roman drei bis vier Erzähl- und mehrere Zeitebenen hat, auf denen Norbert Scheuer seinen Hauptprotagonisten Rosarius Delamot und seine Nebenerzähler, die Altenpflegerin Annie und einen verschollenen Archäologen, vermutlich seinen Vater, zur Sprache bringt.

Darüber hinaus gibt es noch faszinierende Nebendarsteller auf und zwischen den Erzählebenen dieses nicht ob seiner “Handlung” sondern ob seiner Lebens-, Liebes- und Gefühlstiefe so fesselnden Romans. „Vielleicht hat das Leben nur den Sinn, dass man am Ende jemandem eine Geschichte erzählt.“

So lässt Norbert Scheuer Rosarius` Mutter Kathy zu Wort und zu Tode kommen, der die Nazis das Kinderkriegen operativ unmöglich machten, nachdem sie den kleinwüchsigen und autistischen Rosarius zur Welt gebracht hatte.

Vom Autor in überschaubarem Maße dosiert, darf sich Vincentini äußern, absurd und sexistisch, mit gräuelhafter Vergangenheit und grotesker Gegenwart: Er verkauft medizinische Elektroapparate von zweifelhaftem Ruf, aber zweideutiger Wirkung. Ebenso zur Sprache kommt Strohwang, der lebenslänglich im Zementwerk hatte und jetzt nach der Pensionierung, weil man auch dann noch etwas tun muss, von der fixen Idee getrieben ist, die Beute eines Lohngeldraubes aus den 20er Jahren im stillgelegten Bergwerk zu finden.

Evros, der Grieche, erzählt von seinem Traum, ein kleines Hotel am Ägäischen Meer zu betreiben, und, als der Traum wahr wird, fehlt doch alles, zum Beispiel die Menschen aus Kall/Eifel, die er hätte mitnehmen wollen. Oder Karl Höger, der für das Zementwerk immer die gleiche, wenige Kilometer lange Route zwischen Steinbruch und Brecher fährt, und der in seiner Phantasie und der seines Beifahrers Rosarius Delamot doch mit dem Truck auf sämtlichen Traumstraßen dieser Welt unterwegs ist.

Straßen sind die zentrale Metapher dieses neuen Buches von Norbert Scheuer. Der Archäologe kartographiert das Straßennetz des römischen Imperiums, auch Rosarius, der 941 Bücher allein beim Durchblättern fotografisch erkannt hatte, vergisst nie wieder die Namen sämtlicher Straßen, die er jemals betreten hat. Straßen sind wie Leben, sie führen von A nach B, von der Geburt zum Tod, nicht alle führen nach Rom, die meisten führen weg.

Als Rosarius in Peehs Liebe” die Geschichte seines Lebens zu Ende erzählt hat, als sie scheinbar auch von seinen Nebenerzählern zu Ende erzählt ist, und er, wie am Anfang, nicht mehr sprechen, sondern nur noch summen kann, das auch immer leiser wird und schließlich in Erinnerung übergeht, da erzählt sich die Geschichte selbst weiter. Auch die Lebensstraße von Rosarius verschwindet nicht spurlos unter Sediment. “Peehs Liebe”, die nur einmal kurz Realität gewordene Sehnsucht, findet in Annie so etwas wie späte Erfüllung.

Dass Norbert Scheuer einer der ganzen Großen im bundesdeutschen Literaturbetrieb geworden ist, verdankt er längst nicht nur der Gunst der Experten und Juroren, die ihm bereits frühzeitig zahlreiche Literaturpreise zukommen ließen. Explizit die beiden jüngsten Romane “Überm Rauschen” und jetzt “Peehs Liebe” sind Bücher, die erhebliche Breitenwirkung im Lesepublikum verdienen, in denen man zu Hause ist, die man ungern wieder weglegt und die in einem nachwirken.

Prädikat: besonders wertvoll, unbedingt empfehlenswert, ein Erlebnis beim Lesen und Mitgehen.

Manfred Lang

pp/Agentur ProfiPress