Kaller Tafel versorgt ganzen Südkreis
Nach der aufsehenerregenden Entscheidung der Essener Versorgungsorganisation für Bedürftige stehen auch die knapp 50 Ehrenamtler der Kaller Tafel und ihre rund 400 Bedürftigen unter Beobachtung und manchmal auch (ungerechtfertigter) Kritik – Tafel-Vorsitzender Harry Wegge: „Arme Alte bleiben noch immer verschämt zu Hause“
Kall – Nach dem Hilferuf der Essener Tafel, dass man dort nicht mehr alle Bedürftigen bedienen kann, ist die Versorgung bedürftiger Mitmenschen in Deutschland plötzlich in aller Munde. Auch die Kaller Tafel, die flächenmäßig größte im Kreis Euskirchen, die von der „Alten Schule“, Ecke Aachener Straße / Hindenburgstraße , aus nicht nur das originäre Gemeindegebiet, sondern auch Bedürftige aus dem Schleidener Tal, Nettersheim, Dahlem und Blankenheim mit Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs versorgt, kann und will sich dem gestiegenen Interesse nicht entziehen.
Vorsitzender Harry Wegge sagte im Gespräch mit der Redaktion des Kaller Rundblick: „Die Tafel ist längst nicht allen bekannt. Und viele vor allem alte Menschen und so genannte verschämte Arme, aus der Eifel, finden noch immer nicht den Weg zu uns, obwohl sie dringend Hilfe bräuchten.“ Die gestiegene Medienpräsenz und das gesteigerte Interesse an der Versorgung bedürftiger Mitmenschen leisteten jetzt vielleicht wichtige Aufklärungsarbeit.
Kaller Tafel existiert im zwölften Jahr
Seit knapp zwölf Jahren gibt es die Kaller Tafel. Zwischen 40 und 50 Ehrenamtliche engagieren sich momentan, sammeln mit einem vereinseigenen Fahrzeug Lebensmittel vor allem in Supermärkten in Kall, Blankenheim, Zingsheim und Schleiden ein und verteilen die Hilfsgüter dienstags und freitags zwischen 11 und 12.30 Uhr an Bedürftige. Diese müssen durch Sozialbescheinigung oder Rentenbescheid nachweisen, dass sie auf verbilligten Einkauf angewiesen sind.
Vorwürfe, dass teure Autos vor der Tafel parken und mit Lebensmittelpaketen beladen wieder abfahren würden, verwiesen Vorsitzender Harry Wegge und Schriftführerin Kirsten Althoff jetzt bei einem Gespräch im Kaller Rathaus mit Bürgermeister Hermann-Josef Esser und seinem für Asyl und Integration zuständigen Verwaltungsmitarbeiter Paul Neufeld in das Reich der Legende.
Harry Wegge sagte, dass viele Hilfsempfänger Fahrgemeinschaften bilden oder von selbst nicht bedürftigen Nachbarn zur Tafel gefahren würden. Andere besäßen tatsächlich Autos, auch das sei richtig.
Oft zu hören sei auch die Kritik, Einzelpersonen verließen bepackt mit großen Taschen die Tafel. Kirsten Althoff versicherte: „Tatsächlich ist es so, dass manche Leute nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere Bedürftige die Sachen abholen.“ Es werde aber über ein Markensystem geprüft, für wie viele Personen ein Einzelner bei der Tafel Produkte abholt. Althoff: „Hierfür muss eine Vollmacht vorgelegt werden.“
Vorgepackte Tüten nur zu Weihnachten
Ein weiteres Gerücht besage, dass Tüten vorgepackt würden. Harry Wegge: „Nein, unsere Kunden dürfen selbst auswählen und natürlich ihre eigenen Einkaufslisten nach ihren Bedürfnissen und unseren An geboten zusammenstellen.“ Nur vor Weihnachten würden gelegentlich vorgefertigte Gabenpakete bereitgestellt.
Der Vorsitzende der Kaller Tafel sagte im Gespräch mit Paul Neufeld und Bürgermeister Esser, die Kaller Tafel versorge zwischen 300 und 400 Bedürftige zweimal pro Woche, darunter eine Reihe Einzelpersonen, vor allem aber Familien mit drei bis neun Angehörigen.
Die ehrenamtlichen Teams seien jeden Werktag zwei bis drei Stunden unterwegs, um die Ware bei den Märkten und Geschäften abzuholen. Es würden regelmäßig 21 Stationen angefahren, oft mehrmals in der Woche.
Pro Woche legten die Teams mit dem von Sponsoren finanzierten Kleintransporter 300 Kilometer zurück und beförderten dabei fast zwei Tonnen Lebensmittel in die Alte Schule, auch Tiefkühlkost. Weitere Nahrungsmittel würden von befreundeten Tafeln nach Kall geliefert. Daneben transportieren noch Mitarbeiter mit ihren Privatautos an zwei Tagen in der Woche Ware für die Tafel.
Auch Asylbewerber sind berechtigt
Im Gespräch mit den Tafel-Verantwortlichen sprach Bürgermeister Esser auch das Meinungsbild der Bevölkerung an, dass Personen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, eigentlich mit allem versorgt würden und nicht den Gang zur Tafel nötig hätten.
„Das ist so nicht richtig“, erklärte Paul Neufeld: Menschen, die nach Asylbewerber-Leistungsgesetz beurteilt würden, hätten die gleichen Ansprüche wie Personen, die Leistungen nach Sozialgesetzbuch XII beziehen.
Neufeld: „Demnach sind sie genauso bedürftig und haben eine Berechtigung für die Tafel.“ Kirsten Althoff verdeutlichte, dass genau geprüft werde, wer berechtigt ist. Es müssten aktuelle Bescheide und Berechtigungen vorgelegt werden, ebenso die Ausweise.
pp/Agentur ProfiPress