Jugend pflegt den alten Brauch
Das Verkuppeln von Paaren hat beim Maigeloog in Kall eine über 100 Jahre alte Tradition – Hinter verschlossenen Türen werden Listen zusammengestellt – Königspaar wird bis zur letzten Sekunde geheim gehalten – Großer Umzug und Ball im Saal Gier
Kall – Seit Wochen treffen sie sich hinter verschlossenen Türen im Saal Gier, um die Maifeierlichkeiten vorzubereiten. Dabei ist es keinesfalls der Programmablauf der Maiwoche und der Festlichkeiten am Maitag. Was die gut 30 Mitglieder des Kaller Maigeloogs als geheime Kommandosache unter Verschluss halten, ist die Liste der Maipaare, die die Junggesellen in ihren Sitzungen zusammenstellen, um sie am Vorabend des Maifeiertages öffentlich auszurufen. Dieses „Verkuppeln“ von Kaller Mädchen ab 16 Jahren und Kaller Jungen ab 18 Jahren zu Maipaaren ist ein über 100 Jahre alter Brauch in Kall, der in zahlreichen Fällen sogar Ehen gestiftet hat.
Schon im vergangenen Herbst waren die Geloogsjungen mit der Neuwahl des Vorstandes in die Vorbereitungen für die jetzt bevorstehenden Maifeiern gestartet. Zum neuen Vorsitzenden (Hötjong) hatte das Geloog den bisherigen Vize-Hötjong Moritz Wirtz gewählt, der bisherige Hötjong Lukas Müller ist jetzt stellvertretender Chef. Schriftführer ist Jens Hecker, für die Kasse zeichnet Benedikt Despineux verantwortlich. Das Amt des Zeugwartes (beim Geloog „Verleihnix“ genannt) hat Simon Derichs inne, während Mike Herr dem Vorstand als Beisitzer angehört.
Direkt nach Karneval begannen die Junggesellen mit dem Recherchieren nach Jungen und Mädchen, die für die Zusammenstellung als Maipaare infrage kommen. Im Schnitt sind es jedes Jahr rund 200 Paare die auf die geheime Mai-Liste gebracht werden. Geheim gehalten bis zur letzten Sekunde werden auch die Namen des Maikönigspaares, das als letztes Paar vom Kaller Felsen an der Gemünder Straße ausgerufen wird. „Es wird jedoch immer schwieriger, ein Königspaar zu finden“, berichtet Hötjong Moritz Wirtz.
Die Liste der Maipaare sowie des Königspaares hütet Wirtz im verschlossenen Geloogs-Koffer, der wichtigsten Requisite der Junggesellen. Dieser Koffer steht auch unter ständiger Bewachung, wenn das Geloog auf dem Maiplatz am Hallenbad seine Zelte aufgeschlagen hat. Der Aufbau des Maiplatzes als Hauptquartier erfolgt in diesem Jahr nach Absprache mit der Gemeinde Kall am Samstag, 21. April. Ab dann ist das Geloog bis zum Maifeiertag dort präsent, denn mit dem Abholen des Dorf-Maibaumes oder dem Schlagen und Schmücken der Maibäume für die „Auserwählten“ der Geloogsjungen gibt es viel zu tun. Viele Jugendliche opfern in diesen Tagen ihren Urlaub für die Erhaltung des Kaller Maibrauches.
„Alle Kaller Jugendlichen ab 16 Jahren sind herzlich eingeladen, den Dorf-Maibaum mit aus dem Wald zu holen“, berichtet Hötjong Moritz Wirtz. Treffen zum Abholen des Baumes sei am Mittwoch, 25. April, um 17 Uhr auf dem Maiplatz. Man habe mit dem Förster einen stattlichen Baum ausgesucht. Der werde auf dem Maiplatz natürlich rund um die Uhr bewacht.
Das Hauptquartier sei in der letzten Aprilwoche ständig besetzt. Kaller Junggesellen, die mit einer bestimmten Herzdame ausgerufen werden wollen, haben in diesen Tagen noch die Gelegenheit, dem Geloog ihre Herzens-Wünsche vorzubringen. Die Spende einer Kiste Bier wirkt Wunder bei der Realisierung der Wünsche und der Änderung der Mai-Liste. Die Bestechlichkeit der Junggesellen hat schließlich eine genau so lange Tradition wie der Maibrauch selbst.
Junge Frauen dagegen wird dieses Privileg nicht zugestanden, denn sie haben keine Möglichkeit, beim Maigeloog ihren Wunschprinzen mit Hilfe einer Kiste Bier oder einer Geldspende zu ergattern. Für sie gibt es keinen Zutritt zum Maiplatz, Damenbesuch ist bis zum Beginn der eigentlichen Maifeierlichkeiten am 30. April absolut tabu.
Mit der traditionellen Maimesse am Sonntag, 29. April, um 18 Uhr in der Kaller Pfarrkirche, beginnt die heiße Phase der Maifeierlichkeiten. Das Ausrufen der 200 Maipaare und das Bekanntgeben des Königspaares vom Felsen an der Gemünder Straße beginnt am Montag, 30. April, um 15 Uhr. Im Verlauf des Ausrufens findet wieder eine große Verlosung von vielen tollen Preisen statt, die die Kaller Geschäftswelt dem Maigeloog gestiftet hat. „Für diese Unterstützung sind wir den Unternehmen sehr dankbar“, so Moritz Wirtz.
Nach dem Ausrufen der Paare teilen sich die Geloogsjungen in Gruppen auf und ziehen zum traditionellen Maisingen von Haus zu Haus. Bis spät in die Nacht ist das Lied „He komme die Kaller Knechte…“ in Kall zu hören, mit dem die Junggesellen um Spenden bitten. Derweil trifft sich die Bevölkerung am Maiplatz am Hallenbad zum gemütlichen Beisammensein am Lagerfeuer. In der Morgendämmerung stellt der Maikönig mit Hilfe der Maigeloogsjungen dann noch bei der Maikönigin einen großen, bunt geschmückten Baum auf.
Traditioneller Höhepunkt der Maifeier ist der Umzug am Dienstag, 1. Mai, um 13 Uhr. Vom Feuerwehrgerätehaus aus wird der Maikönig in einer Kutsche zum Haus der Maikönigin gefahren, wo auch Bürgermeister Hermann-Josef Esser und Ortsvorsteher Stefan Kupp dem Königspaar ihre Aufwartung machen. Die Königskutsche wird von der Musikkapelle Kall und den tags zuvor ausgerufenen Maipaaren begleitet.
Nach einem Umtrunk und einem Walzertanz des Königspaares auf der Straße startet der Festzug mit dem Königspaar in der Kutsche zum Maiball (Eintritt frei) im Saal Gier. Das Geloog und Ortsvorsteher Stefan Kupp hoffen, dass sich auch die Kaller Bevölkerung rege an den Maifeierlichkeiten beteiligt.
pp/Agentur ProfiPress