Frech und selbstbewusst
24jährige Feuilletonistin und Schriftstellerin Ronja von Rönne las vor größtenteils jungem und weiblichen Publikum bei der „Lit.Eifel 2016“ im St. Vither Triangel – Viel Feind, viel Ehr: Nicht endender Shitstorm nach Anti-Feminismus-Artikel, vernichtende Kritik beim Bachmann-Wettbewerb, Preisverweigerung im eigenen (Springer-)Verlag
St. Vith/Eifel – Obwohl sie Feuilleton-Redakteurin bei der „Welt“ ist, lehnte sie seinerzeit den ihr angetragenen und mit 8000 Euro dotierten Axel-Springer-Preis in Silber ab. Beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb wurde sie von Kritikern gnadenlos niedergemacht. Und als im World-Wide-Web ihr „Welt“-Beitrag zur Emanzipation („Warum mich der Feminismus anekelt. . .“) erschien, geriet sie in einen Shitstorm (Welle der Entrüstung im Internet), von dem sie sich im Prinzip bis heute nicht erholt hat.
Diese und andere Unfreundlichkeiten aus ihrem jungen Schriftstellerinnen- und Journalistinnen-Leben gab die erst 24jährige Autorin Ronja von Rönne am Dienstagabend bei der jüngsten Lit.Eifel-Lesung im Café Trottinette des Kultur-, Konferenz- und Messezentrums Triangel in St. Vith von sich. Die Autorenlesung wurde von Guido Thomé, dem Berater der Ministerin für Kultur, Beschäftigung und Tourismus der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, organisiert und moderiert.
Thomé gilt als exzellenter Kenner der deutschsprachigen Literatur-Avantgarde. Erwartungsgemäß war es vor allem das jüngere und weibliche Publikum, das seiner Einladung zum je nach Sichtweise „Enfant Terrible des Feuilletons“ (Literaturkritik) oder „neuen Stern am Himmel des deutschen Popliteratentums“ (Deutschlandradio Kultur) gefolgt war.
Bis jetzt war Walser noch der Höhepunkt
Am Vorabend seien über 400 Zuhörer bei ihrem Kollegen Martin Walser auf einer Lit.Eifel-Veranstaltung im Jugendstilkraftwerk Heimbach zu Gast gewesen – „das mag bis gestern der bisherige Höhepunkt der »Lit.Eifel 2016« gewesen sein“, meinte von Rönne respektlos zur Einführung durch Guido Thomé: „Jedenfalls sind die 25 besten Zuschauer heute hier zu mir gekommen.“
Ihren potenziellen Lesern empfahl die freche Schriftstellerin, ihr Erstlingswerk, den in Tagebuchform verfassten Roman „Wir kommen“, in jedem Fall zu kaufen: „Ob sie ihn auch lesen, ist Ihre Sache. Hauptsache, Sie kaufen . . .“
Wirtschaftlich sei ihr Leben noch nicht ganz manifestiert, obwohl sich die Lage 2015 gebessert habe, als die „Welt“ sie als Autorin fürs Feuilleton verpflichtete, ohne ihr die Disziplin täglicher Anwesenheit in der Redaktion abzuverlangen. Halt der beste „Traumjob der Welt“, so ein Job bei der Zeitung, befand die Autorin . . .
Wobei die, die es besser wissen, also die anwesenden Journalisten, an der Stelle schon nicht mehr wussten, ob sie weinen oder lachen sollten ob so viel unverfrorener Realitätsferne gegenüber realen Tag-und-Nacht-Schichten und Sieben-Tage-Wochen für kleines Geld. Meinte von Rönne es überhaupt ernst, was sie da sagte, oder kokettierte sie auch in punkto Journalismus um der Pointe willen mit der Wahrheit?
Kein Abschluss, kein Sex, keine Heiterkeit
Obwohl der Titel „Wir kommen“ anderes verheißt und es im Text unter anderem auch um eine Viererbeziehung geht, schreibt Ronja von Rönne „nur Fontane-mäßig über Sex“, also andeutungsweise, so die Autorin. „So lange meine Eltern leben“ wäre ihr das zu peinlich, sagt die Frau, die wie viele andere, unter anderem auch ihr Freund und Lebensgefährte, sowie Bestsellerautorin Julie Zeh an der Universität Hildesheim „Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus“ studiert hat – allerdings, wie andere Studiengänge, die sie belegte, ohne Abschluss.
Das ersetzte die erst 24Jährige bei ihrer Lit.Eifel-Lesung in St. Vith mühelos durch Selbstbewusstsein am Rande der Überheblichkeit, aber zweifelsohne auch durch Talent – und Mut zum Unkonventionellen bis hin zum Abgedrehten. Herrlich ihre Beobachtungen bei einer Party von Kulturleuten und Halbberühmten, die ihren tragbaren Computer „Schlepptopp“ nennen und sich neuerdings einen eigenen Flüchtling halten . . .
Zum Wegwerfen auch Ronja von Rönnes Neun-Punkte-Programm für erste Treffen, die unter Garantie in die Hose gehen, falls man sich tatsächlich daran halten sollte. Oder ihre Kolumne „Wie Schreiben ist“, unter anderem „heiter“ nämlich, sagt jedenfalls ihre Oma, „auf keinen Fall heiter“, sagt die Feuilleton-Chefin, „eine Qual“, sagt von Rönne selbst.
Vieles, was diese Autorin da im Café Trottinette des Kulturzentrums Triangel in St. Vith von sich gab, klang dreist, pöbelhaft, respektlos. Die Texte stammten aus ihrem Erstlingsroman und aus Manuskripten für ihr neues 2017 erscheinendes Buch.
Hoffentlich bringt Dich Dein Bruder durch . . .
Drei Passagen aus dem bei der „Lit.Eifel 2016“ Vorgelesenen am Schluss, die auch belegen, wie distanz- und rücksichtslos sie mit sich selbst umspringt: „Weißt Du, wer besser ist als Du? Alle!“, „Mein Therapeut lebt das perfekte Leben – ich nicht, dafür habe ich den perfekten Therapeuten. Er hat mir gegen meine Panikattacken geraten, alles aufzuschreiben. Seitdem sind meine Tage immer noch schlecht, aber wenigstens ist alles dokumentiert“. Und schließlich ein Wort ihrer Eltern: „Hoffentlich bringt Dein Bruder Dich mal durch – oder um . . .“
Ronja von Rönne wurde 1992 in Berlin geboren und wuchs in Oberbayern auf. Seit 2012 führt das frühere Model den Blog „Sudelheft“, wo sie laut Eigenbeschreibung „über allerlei Unnützes, nicht immer gut, aber dafür selten“ schreibt. Im Jahr 2015 wurde sie Redakteurin im Feuilleton bei der Tageszeitung „Die Welt“, wo auch ihr Beitrag über den Feminismus erschien. Zu sehen war sie 2015 im Musikvideo zur Single „Bussi Baby“ der österreichischen Popgruppe Wanda. Von Rönne lebt in Berlin und Grassau.
pp/Agentur ProfiPress