Fasten bei Kolping
Wie sich die Menschen in den Religionen durch Enthaltsamkeit auf die Begegnung mit Gott und mit sich selbst einstimmen – Werner Zeyen hatte Diakon Manfred Lang zum Vortrag eingeladen
Mechernich – Fasten ist nur vordergründig die Enthaltung von Speisen, Getränken und Genussmitteln. Auch Autofasten, Fernsehfasten, Handy- und Internetverzicht sind eigentlich kein Selbstzweck zu einer modernen Form der Selbstkasteiung.
„Man muss schon die Motivation umdrehen, um den Kopf freizukriegen für etwas, was im Kommen ist, im Zweifelsfall für sich selbst und für Gott“, sagte der Mechernicher Diakon Manfred Lang bei seinem Vortrag vor der örtlichen Kolpingfamilie im Johanneshaus der Pfarre St. Johannes Baptist.
Werner Zeyen hatte ihn eingeladen, um ein Dutzend der insgesamt über 60 Kolpingfamilien-Mitglieder auf den Endspurt der österlichen Bußzeit einzustimmen. Hildegard Wielspütz begrüßte den Referenten, der seine Ausführungen zum Fasten nicht ganz humorlos enden ließ.
„Wenn Ihr aber fastet“, zitierte Lang Jesu Bergpredigt aus dem Matthäusevangelium, „sollt ihr nicht sauer dreinsehen wie die Heuchler.“ Wer sich von Zeit zu Zeit reduziere, der bestrafe sich damit nicht, sondern schärfe damit seine Empfindsamkeit, seine Sinne und seinen Verstand.
„Die Vorfreude steigern auf
den eigentlichen Genuss“
„Nicht umsonst fasten wir Christen vor Weihnachten und vor Ostern: Damit sensibilisieren wir uns und steigern die Vorfreude auf den eigentlichen Genuss, auf das Fest, das erst noch kommt, auf Geburt und Auferstehung Christi zum Beispiel“, so der Geistliche.
Lang nannte zahlreiche Beispiele für das Fasten aus dem Alten Testament: David fastete, während das Kind, das er durch Ehebruch mit Batseba, der Frau von Uria, bekommen hatte, im Sterben lag (2. Samuel 12,16). Mose fastete 40 Tage auf dem Berg Horeb, bevor Gott ihm die zwei Gesetzestafeln gab. Elias fastete auch 40 Tage während seiner Reise durch die Wildnis zum Horeb, dem Berg Gottes (1. Könige 19,18). Jesus Christus fastete vor seinem Zusammentreffen mit Satan 40 Tage und Nächte in der Wildnis (Matthäus 4,1-3).
Und aus anderen Religionen: Die 1,6 Milliarden Muslime in aller Welt verzichten im jährlichen Fastenmonat Ramadan tagsüber auf Essen, Trinken, Rauchen und Sex – erst bei Sonnenuntergang dürfe das Fasten unterbrochen werden. „Das mag in mitteleuropäischen Gefilden Spötter zur Heiterkeit anregen, weil viele Ramadan-Fastende sich nach landläufigen Vorurteilen nach Sonnenuntergang in Schlemmereien ergehen“, so der Diakon.
Das Datum des Ramadan verschiebe sich allerdings jedes Jahr hinsichtlich des islamischen Mondkalenders um etwa zwei Wochen. Wenn der heilige Fastenmonat in den Sommer falle, hätten es besonders diejenigen Muslime schwer, die in sehr heißen Regionen oder aber ganz im Norden leben, wo es quasi nicht dunkel wird. Das heißt für die Gläubigen: Kein Wasser trotz sengender Hitze in den arabischen Ländern oder Afrika etwa. Und weniger als eine Stunde Zeit zur Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme für Menschen im Norden.
„Wer nicht fastet, der soll
den Armen was geben“
Lang: „Aber Opfer bringen gehört dazu, denn das Fasten ist im Islam ein göttliches Gebot. Die Seele soll gereinigt und die Beziehung zu Gott gestärkt werden. Schwangere, Kranke und Kinder sind vom Ramadan ausgenommen. Aber wer nicht fastet, hat die Pflicht, Speisen oder Almosen an Arme zu geben.“
Am Aschermittwoch beginne die Fastenzeit der Christen: „Bis Ostern verzichten wir 40 Tage lang, um Gott näher und selbst zur Ruhe zu kommen. Strenge Regeln werden heutzutage kaum noch befolgt, jeder entscheidet selbst, auf was er verzichten will. Ob Süßes, Fleisch, Alkohol oder Zigaretten – fasten bedeutet auch, wieder bewusster zu leben. Die Tradition geht zurück auf die biblische Geschichte, in der sich Jesus 40 Tage lang in die Wüste zurückzieht um zu fasten.“
Neben der Fastenzeit zwischen Karneval und Ostern gebe es im Christentum auch die „kleinen“ Fastenzeiten: „Früher wurde in der Adventszeit gefastet, um sich auf Weihnachten vorzubereiten.“ Eine Tradition, die in der heutigen vorweihnachtlichen Konsumwut völlig verschwunden sei. Lang: „Die Menschen haben keine Zeit mehr zu fasten und keine Zeit mehr, zu genießen. Deshalb ziehen sie das, was sie für Weihnachten halten, bis in den Herbst vor und schmeißen am Ersten Weihnachtag enttäuscht die Christbäume aus dem Fenster.“
Auch die anderen „kleinen Fastenzeiten“ der Kirche seien weitgehend dem Vergessen anheimgegeben: Früher herrschte in vielen Eifelhaushalten auch freitags Schmalhans in der Küche. „Das bestätigten die großteils älteren Kolpingbrüder und -schwestern Lang aus eigener Erfahrung. Allerdings empfanden die einen die frühere Fastenspeise Gerstensuppe („auf Platt „Kallefezängk“) als Zumutung, andere als Delikatesse und Leib- und Magenspeise bis auf den heutigen Tag . . .
„Mittwoch und Freitag waren
früher die »kleinen Fastenzeiten«“
Ursprünglich waren es wie in der orthodoxen Kirche sogar zwei Fastentage in der Woche, so der Ständige Diakon im Zivilberuf: Mittwochs, um daran zu erinnern, dass Judas an diesem Tag Jesus verraten hat, und freitags, um an Jesu Kreuzigung zu denken: „Aber bis auf den Brauch in einigen Haushalten, freitags Fisch zu essen, ist von diesen Fastentagen nicht viel geblieben.“
Juden hätten gleich mehrere religiöse Feiertage, an denen sie fasten. Der wichtigste sei Jom Kippur, der „Tag der Versöhnung“: Kein Essen, Trinken, Zigaretten und Sex: „Außerdem wäscht man sich nicht und geht nicht zur Arbeit – der Körper wird reingewaschen, indem alle Sünden an diesem Tag gesühnt werden.“
Ein weiterer Fastentag sei Tischa BeAw, der neunte Tag des Monats Aw. Gläubige Juden verzichteten dann auf Nahrung und Wasser, um einschneidenden Ereignissen in der jüdischen Geschichte zu gedenken: „596 v. Chr. wurde der Erste Tempel durch die Babylonier zerstört, 70 v. Chr. der Zweite Tempel durch die Römer.“
Eine strenge Fastenzeit wie im islamischen Ramadan gebe es im Buddhismus zwar nicht, aber Enthaltsamkeit und weniger Nahrung werde als Vorbereitung für Meditation genutzt: „Körper und Geist werden gereinigt.“ Ganz auf Essen und Trinken zu verzichten, so Manfred Lang, entferne sich jedoch von Buddhas „Weg der Mitte“, er lehne sowohl Völlerei als auch vollkommene Entbehrungen ab: „Buddhistische Mönche und Nonnen fasten auf ihre eigene Art: ab zwölf Uhr mittags essen sie nichts mehr.“
Lang weiter: „Viermal im Jahr müssen Gläubige der Orthodoxen Kirche mehrere Wochen lang fasten. In der Passionszeit etwa sind es sieben Wochen. Weitere Fastenwochen finden nach Pfingsten, im August und in der Adventszeit statt, von Mitte November bis Heiligabend. Mittwochs und freitags wird ebenfalls gefastet, Fleisch, Eier und Milchprodukte sind in dieser Zeit nicht erlaubt.“
„Wer trauert, mag nichts,
nicht einmal Reibekuchen . . .“
Fasten als Gestaltungselement des Lebens sei historisch in zahlreichen Religionen belegt und komme in vielfältigen Formen sowie in teilweise festgelegten Ritualen vor: „Für bestimmte Jahreszeiten oder Zeitabschnitte, kollektiv oder individuell, als völliger oder teilweiser Verzicht auf Nahrungsmittel sowie auf Genussmittel, Fleisch, Alkohol, Sexualität u. a.“
Kulturhistorisch überwiegen Fastenzeiten im Frühling, wo sie neben religiösen Aspekten besonders auch der Darmreinigung nützlich sind. Dazu schrieb Hippokrates von Kos: »Sei mäßig in allem, atme reine Luft, treibe täglich Hautpflege und Körperübung … und heile ein kleines Weh eher durch Fasten als durch Arznei.«“
Diakon Manfred Lang ließ seine Zuhörer auch aus eigenen Erfahrungen mit dem Fasten berichten und stellte am Rande Formen des therapeutischen Fastens, etwa eine Diät begleitend oder in der Trauerarbeit vor. Auch Fasten im Extrem als Ausdruck des Protestes oder politischen Widerstandes im Hungerstreik war kurz Thema.
Im religiösen Kontext diene das Fasten der Reinigung der Seele, der Buße im Christentum, der Abwehr des Bösen, dem Streben nach Konzentration, Erleuchtung oder Erlösung. Es sei auch Ausdruck der Askese oder der Trauer, so der Diakon: „Sie haben vermutlich in ihrem Leben alle schon Phasen erlebt, in denen sie keine Lust auf nichts mehr hatten, nicht einmal auf Reibekuchen . . .“
pp/Agentur ProfiPress