Bruder-Klaus-Kapelle im Film
Die Dokumentation „Architektur der Unendlichkeit“ des Schweizer Filmemachers Christoph Schaub wurde im Casino Euskirchen gezeigt – Wachendorfer Bauwerk einer der „Stars“
Euskirchen/Wachendorf – Die Bruder-Klaus-Kapelle im Feld bei Wachendorf ist ein Aushängeschild nicht nur für den Ort und die Stadt Mechernich, sondern für die gesamte Region. Ein architektonisches Bauwerk der Superlative, erdacht vom Schweizer Architekten Peter Zumthor, eröffnet 2007.
Insgesamt hat der Hype um die Kapelle nachgelassen, bewusst gesteuert von der Erbauer-Familie Scheidtweiler aus Wachendorf. „Wir lehnen immer wieder Filmaufnahmen ab, die Kapelle ist kein Eventplatz“, sagte Hermann-Josef Scheidtweiler jetzt im Casino – ausgerechnet bei einer Filmvorführung.
Dem Schweizer Dokumentarfilmer Christoph Schaub und seinem Team gewährten die Scheidtweilers Zugang zur besonderen Kapelle, auch weil das Büro von Peter Zumthor sie darum gebeten hat. „Das Filmteam hat außerdem etwas für unser Hilfsprojekt in Indien gespendet“, gab Scheidtweiler im Gespräch mit Professor Frank Günter Zehnder nach der Vorführung lachend zu.
„Architektur der Unendlichkeit“ lautet der Titel des Films, der Ende Oktober in den Kinos lief und der nun im Casino in Euskirchen vor rund 60 Zuschauern vom katholischen Bildungswerk präsentiert wurde. Darin befasst sich Schaub vordergründig mit moderner Kirchenarchitektur, hintergründig aber auch mit den Gegensätzen: Geräusch und Stille, Leben und Tod, Ruhe und Trubel.
In den ersten 15 Minuten des 85-minütigen Dokumentarfilms spielt die Bruder-Klaus-Kapelle eine der Hauptrollen. Peter Zumthor verrät, dass Scheidtweiler sich zunächst „eine Wegkapelle wie ein Bildstöckchen“ wünschte. Die Kamera folgt Hermann-Josef und Trudel Scheidtweiler, wie sie morgens um 10 Uhr die Kapelle aufschließen und abends wieder abschließen, nicht ohne vorher die Bruder-Klaus-Statue berührt zu haben. Nur montags ist geschlossen, „da muss die Kapelle Ruhe haben“, sagt Scheidtweiler im Film. Auch den Grund, warum er die Kapelle überhaupt hat bauen lassen, nennt er: „Als Dank an den Herrgott, dass ich mit meinem schwachen Herz so alt geworden bin.“
Ein Raum, der einen berührt
Besonders die Detailaufnahmen des „meditativen Raums“ (Zumthor), eines „Raumes, der einen berührt, wenn man ihn betritt“ (Zehnder) sind beeindruckend. Mit einem extremen Weitwinkel wird eine Größe des Innenraums suggeriert, die im Original nicht vorhanden ist. Die Kamera fährt die verrußte Wand entlang, die Struktur der Baumstämme, die dort verbrannt wurden, ist erkennbar. Der Blick geht durch das Loch in der Decke, direkt in den Himmel, unverfälscht. „War das so geplant?“, fragt Zehnder. „Nee“, gibt Scheidtweiler unverblümt zu.
Jedes Mal anders spüre er das Kribbeln und die Atmosphäre beim Betreten der Kapelle, erzählt Scheidtweiler Zehnder, der zugibt, dass man alleine Stunden in der Kapelle verbringen könne. „Das geht von der Architektur aus“, vermutet Zehnder. Denn nach klassischem Verständnis seien Kirchen und Kapellen „Nutzarchitektur“. Moderne Kirchen aber unterschieden sich. Im Film wird das unter anderem deutlich bei Aufnahmen der Marienkirche im Ort Marco de Canaveses in Nordportugal.
Gelassenheit und Heiterkeit versprach Peter Zumthor Scheidtweiler, der sich zu Beginn fragte, was an diesem Ort heiter sei. Und dann sei ihm von Architekturstudenten mehrfach eröffnet worden, dass es sich beim Innern der Bruder-Klaus-Kapelle um einen „lustigen Raum“ handelt, was vielleicht, so mutmaßt Scheidtweiler, auch am Unterschied zwischen außen und innen liegt.
„Peter Zumthor will etwas aus dem Boden rausschneiden. Und das hat er mit eurer Kapelle gemacht“, meint der Kunsthistoriker Zehnder. Der ganze Bau sei eine Skulptur, an jeder Ecke sei die Wand anders, das Licht tue sein Übriges. Zehnder gibt auch zu, wie schockierend er den Bau zunächst fand. „Wir fragten uns: Baut der ein Zelt auf?“
Doch Hermann-Josef Scheidtweiler wusste von Anfang an, was Zumthor vorhatte. „In seinem Garten in der Schweiz hatte er ein Modell im Maßstab 1:10 aus Plastikrohren aufgebaut, da konnten wir hindurchmarschieren“, sagte er. Ein Modell aus Bambusrohren hatte der Wachendorfer Landwirt mit einem Lastwagen abgeholt, damit beim Bau jeder wusste, was Zumthor wollte, denn „die Pläne konnte keiner lesen“. Dass Zumthor überhaupt mitmachte, lag auch daran, dass Niklaus von Flüe der Lieblingsheilige seiner Mutter war.
Warum Kirchen auf Menschen überhaupt so eine große Faszination ausüben, fasst Zehnder zum Schluss zusammen: „Das Leben ist bewegt. Im Kirchenraum ist Stille. Genau das braucht der Mensch.“
pp/Agentur ProfiPress