Weltpolitik in 60 Minuten erklärt
Forum 2019 der VR-Bank Nordeifel eG – Der ARD-Journalist und Buchautor Markus Gürne sprach im Kurhaus Gemünd über Europas Rolle in einer veränderten Welt – Fortsetzung für 2020 geplant, dann zum Thema EZB
Schleiden-Gemünd – Er arbeitete und lebte in London und Neu-Delhi, war Korrespondent in Kairo und im Irak, spricht regelmäßig mit den Mächtigsten der Wirtschaftswelt, isst mit Finanzministern zu Mittag – und besuchte jetzt auf Einladung der VR-Bank Nordeifel Gemünd, wo er sich im großen Kursaal, den er urgemütlich fand, wohlfühlte: Markus Gürne, Leiter der ARD-Börsenredaktion und Moderator der Sendungen „Börse vor acht“ und „Plusminus“, referierte beim Forum 2019 der Bank zum Thema „Zeitenwende – Europas Rolle in einer veränderten Welt“, basierend auf seinem Buch „Die Welt ist eine Börse: Warum Sie sich in der Weltpolitik auskennen müssen, um Ihr Vermögen aufzubauen“.
Gut eine Stunde lang lieferte er den 200 Gästen im Kurhaus mit Witz und blitzgescheit, überaus kurzweilig und trotz der Beschränkung auf eine Grafik äußerst anschaulich einen Überblick über die wirtschaftliche Lage in der Welt, die Rolle, die Europa darin spielt, und vor allen Dingen eine Prognose für Deutschland. Am Ende stellte er sich auch den zahlreichen Fragen des Auditoriums, wobei er überrascht war, dass niemand von ihm einen Aktientipp hören wollte. „Die Frage kommt normalerweise immer“, sagte er lachend. Auch am Büchertisch, wo er Exemplare seines Buchs signierte, ergab sich die Möglichkeit für ein kurzes Gespräch mit dem Journalisten.
Vorgestellt wurde er von Mark Heiter, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Nordeifel, der einleitend auf das Thema Zeitenwende zu sprechen kam. Im Gegensatz zu sonst seien diesmal die Signale für eine Zeitenwende gut sichtbar, und er nannte als Schlagworte den Brexit, die nationalistische Positionierung von Staaten wie USA und Russland, das Erstarken rechter Parteien in Europa, das Wachsen von Populismus und die Digitalisierung. Heiter prognostizierte: „Die Weltwirtschaft wird nicht so bleiben wie sie ist.“
Gürne erklärte daraufhin eindrucksvoll, eloquent und vor allen Dingen auch für Laien verständlich wirtschaftliche Zusammenhänge. Dass Europa zwar die stärkste Wirtschaftsmacht auf der Welt sein könnte, es aber faktisch nicht mit den vier großen Wirtschaftsmächten USA, Russland, China und Indien aufnehmen kann, zumal Europa wirtschaftliche Stärke im Gegensatz zu den Genannten nicht in politisches Gewicht ummünzen könne. Auch Standortfaktoren spielen eine Rolle. „Europa ist zu klein, es gibt keine einheitliche Währung und es leben hier zu wenig Menschen“, so Gürne.
Britischer Humor bitter vonnöten
Besonders die Briten bekamen ihr Fett weg, obwohl der 48-Jährige normalerweise ein Fan Großbritanniens ist: „Ich liebe den schwarzen Humor und Monty Python – und natürlich die Nationalelf bei Fußball-Weltmeisterschaften, denn spätestens beim Elfmeterschießen ist auf die britischen Jungs immer Verlass.“ Britischer Humor sei angesichts der momentanen Situation des Vereinten Königreichs bitter vonnöten. „Als ich am 23. Juni 2016 ins Bett gegangen bin, dachte ich: So blöd können die Briten nicht sein“, sagte Gürne. Waren die Briten aber und stimmten für den Austritt aus der EU.
Die Auswirkungen werden gewaltig sein, prognostizierte der Wirtschaftsexperte. „England und Wales haben eine Wirtschaftskraft wie Rheinland-Pfalz und das Saarland“, behauptete Gürne. Die Selbstwahrnehmung sei aber eine andere: Großbritannien halte sich immer noch für das einstige Empire. „Sie leben in der Vergangenheit, das ist ihr Problem.“ Er sei jetzt schon gespannt, was am 29. März passieren wird, wenn Großbritannien die EU verlässt. „Dann darf British Airways nicht mehr auf dem Frankfurter Flughafen landen, weil es ein Unternehmen aus einem nicht sicheren Drittstaat ist.“
Auch Deutschland lebt wirtschaftlich gesehen in der Vergangenheit. „Das haben wir schon immer so gemacht“, so Gürne, sei ein Leitspruch, der immer noch in vielen Unternehmen gilt. In der Automobilindustrie lautet der Standardsatz: „Wir bauen in Deutschland Premium-Produkte.“ Dummerweise sei das nicht das, was die Kunden wollen, und vor allen Dingen sei das nicht das, was in Zukunft benötigt werde. „Wir müssen Denkmuster durchbrechen, innovativ sein“, forderte Gürne. Das Auto der Zukunft sei vernetzt. In den Köpfen der Wirtschaftsbosse hier bedeute das: Daimler kauft Apple oder Google. Die Realität sehe aber eher so aus, dass Apple Daimler kaufe, um ein Apple-Auto herzustellen.
Auch wenn Markus Gürne den momentanen US-Präsidenten als verhaltensauffällig bezeichnet, müsse man sich doch eine Sache von ihm abgucken: „Wir müssen wieder mehr an uns selbst denken und viel mehr für uns ausgeben.“ Deutschland brauche stabile Nachbarstaaten, „dahin verkaufen wir.“ Außerdem müsse man eine Idee entwickeln, was Europa sein könnte.
Die Resonanz auf Gürnes Vortrag war äußerst positiv. Ein Zuschauer vermisste allerdings, dass der Journalist nicht auf die Rolle der Europäischen Zentralbank einging. Deshalb bot der Börsen-Experte an, im kommenden Jahr erneut in die Eifel zu kommen, um dann intensiv auf die EZB einzugehen. Das Angebot nahm Mark Heiter für die VR-Bank Nordeifel prompt an – im Jahr 2020 wird Markus Gürne also wieder ihr Gast sein und dann zum Thema „Der freie Fall der freien Märkte“ sprechen.
pp/Agentur ProfiPress