Schöne Stunden im Kaffeehaus
Suleman Taufiq entführte die Lit.Eifel-Besucher ins Damaskus vor dem Krieg – Der „Öcher Syrer“ beantwortete viele Fragen: „Es gibt keine Tabus“
Monschau – „Ich hätte nie gedacht, dass es so weit kommt. Niemand hat damit gerechnet. Manchmal möchte man nur weinen“, sagte Suleman Taufiq vor dem Lit.Eifel-Publikum im Monschauer Aukloster. Zuvor hatte der 1953 in Beirut geborene und in Damaskus aufgewachsene Autor aus seinem jüngsten Buch „Café Dunya“ gelesen und die Zuhörer am Zauber eines heißen Sommertages in der Altstadt von Damaskus teilhaben lassen.
Dabei reiche das Wort Syrien aus, um in den Köpfen der meisten Menschen Bilder von Krieg und Flüchtlingen aufsteigen zu lassen, hatte eingangs Thomas Hannappel angemerkt. Der stellvertretende Redaktionsleiter der Aachener Wochenzeitung „Super Sonntag“, die Medienpartner der Lit.Eifel ist, führte in die Lesung ein und moderierte das anschließende Gespräch mit dem Autor. Das, was Taufiq in seinem Buch schildere, passe da nicht wirklich hinein, sagte Hannappel zu den stimmungsvollen Bildern, mit denen der Schriftsteller der einst so unbeschwerten Lebensweise und Kultur seiner Heimat ein Denkmal setzt.
Protagonist des Romans ist ein junger Mann, der in Deutschland studiert hat und nach zehn Jahren wieder nach Damaskus kommt. Ohne dass ihm seine Veränderung selbst bewusst ist, hat ihn das Leben in Deutschland so verändert, dass ihn ein Syrer auf den ersten Blick für einen Europäer hält. Auf der Suche nach einer schönen Frau, die ihm im Bus aufgefallen war und die er unbedingt kennenlernen möchte, schlendert er durch die Gassen in der Altstadt von Damaskus, lässt sich betören vom Rosen- und Parfumduft eines Basars und verbringt schließlich viel Zeit im Café Dunya. Taufiqs Roman ist unter anderem eine Hommage an die orientalische Kaffeehauskultur.
„Hier war kein Raum für Privatsphäre“, schreibt er, „alles mischte sich, als wären alle Menschen hier miteinander befreundet.“ Hier wird bei Kaffee, Tee und Wasserpfeife gestritten, diskutiert und philosophiert, etwa über Friedrich Nietzsche und die arabische und westliche Philosophie. Das Café Dunya sei zwar ein fiktiver Ort, seine Schilderungen aber durchaus realistisch, versicherte Suleman Taufiq auf die Nachfrage aus dem Publikum. Als er seine Manuskriptseiten beiseitelegte, entwickelte sich dank der gelungenen Gesprächsführung von Thomas Hannappel ein angeregter Austausch, bei dem Taufiq bereitwillig auf jede Frage einging. „Sie können auch private Fragen stellen, es gibt kein Tabu“, ermunterte er selbst sein Publikum, das der Aufforderung gerne nachkam.
„Ich hasse Parteipolitik. Aber als Schriftsteller ist man immer politisch, jeder Gedanke ist politisch“, bekannte er. Gleiches gelte für die autobiographischen Anteile des Romans. „Ich bin aber nicht nur der junge Mann, der nach Damaskus zurückkehrt. Verschiedene Figuren im Roman haben Teile von mir.“ Nach seiner Heimat gefragt, erklärte er, er fühle sich als „Öcher Syrer“, Damaskus sei ebenso seine Heimat wie Aachen. Er schreibe nicht nur in deutscher Sprache: „Ich träume auch auf Deutsch.“ Seine Familie dagegen, die heute in der ganzen Welt verstreut lebe, könne das Buch nicht lesen.
Nur noch seine Mutter lebe in Damaskus. Er selbst sei 2010, kurz vor Kriegsausbruch, zuletzt dort gewesen. Wie sich ein Syrer fühle, der nach Deutschland komme, wollte ein Mann wissen. Das zu beantworten sei schwierig für ihn, erklärte Taufiq. „Ich war fasziniert von Europa, von der Studentenbewegung und war glücklich, nach Deutschland zu kommen. Diese Menschen aber haben alles verloren.“ Vor dem Krieg habe es keinen Grund gegeben, Syrien zu verlassen. „Nirgendwo hatten Christen mehr Freiheit, es war ein Land ohne Analphabeten, die Frauen haben gearbeitet. Warum hätten die Menschen fortgehen sollen?“
Taufiq kam als ältestes von neun Kindern 1971 nach Deutschland, um in Aachen Philosophie und Komparatistik zu studieren. 1978 veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband in deutscher Sprache. Er ist mit einer Hamburgerin verheiratet, mit der zwei erwachsene Kinder hat. Obwohl er freiwillig gekommen sei, sei es für ihn vor 45 Jahren schwieriger gewesen, Kontakte zu knüpfen. „Seitdem hat es in Deutschland eine unglaublich positive Entwicklung gegeben. Die Hilfsbereitschaft ist einmalig“, sagte er.
pp/Agentur ProfiPress